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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Lützow, Carl von: Ein Besuch bei Lenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0007

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN
Theresiamimgasse 25.

KÖLN

Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 1. 10. Oktober.

Die Kunstehronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein& Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

EIN BESUCH BEI LENBACH.

Wer in München vom Obelisken her auf den
Königsplatz kommt, sieht rechts zwischen Propy-
läen und Glyptothek jetzt einen schlanken Pavillon
über die Baumwipfel emporragen, der früher sich
nicht dort bemerkbar machte. Es ist der schmale
Oberstock von Lenbachs römischem Villenbau, den
der Meister sich hier mit Hilfe des ihm befreundeten
Architekten Gabriel Seidl seit etwa Jahresfrist zur
Wohnung und Werkstatt eingerichtet hat. Das Ganze
harrt erst der Vollendung; ein Hauptteil ist noch
unbewohnt. Aber so viel kann heute schon gesagt
werden, dass München in diesem prächtigen Künstler-
heim eine seiner grössten Sehenswürdigkeiten besitzt,
eine Kunstwelt im kleinen, wie einst Makarts Atelier
in Wien, und zwar von ausgesprochen individuellem,
ernstem, geradezu klassischem Gepräge.

Sind wir durch die Propyläen hindurch geschrit-
ten und erblicken links vor uns die Zinnen und Bal-
kone der Kunstburg des Grafen Schack, so führt uns
der Weg rechts vor das Gitterthor des Lenbachschen
Grundkomplexes. Es ist eine weitgedehnte Area, die
sich von der Luisenstrasse tief zwischen den Nach-
barhäusern uud Gärten hineinerstreckt. Durch das
Gitterthor an der Strasse blicken wir in den nach
italienischer Weise regelmässig angelegten, mit
Orangenbäumen und anderen südländischen Gewäch-
sen bepflanzten Garten, in dessen vorderem Teil ein
prächtiges Brunnenbassin frühvenezianischer Arbeit
mit seinen Marmorschalen und Seepferden den Blick
fesselt. Rechts bildet eine Pergola die Grenze gegen
den Nachbargarten. Links springt ein Flügelbau bis

nahe an die Strasse vor, zu dessen Altan eine Frei-
treppe emporführt. In diesem Flügel befinden sich
Lenbachs Wohn- und Atelierräume.

Wir wollen hier nur von den letzteren eine
kurze Skizze geben. Der Eingang liegt rückwärts
unter einer Säulenhalle, von der ein lichtes Treppen-
haus uns direkt in den oberen Stock führt. Wir
müssen denselben in seiner ganzen Länge durch-
schreiten, bevor wir in die eigentliche Werkstatt des
Meisters kommen. In diesen mit kostbaren Holz-
plafonds und reichvergoldeten Gewölbedecken über-
spannten Räumen hat Lenbach seine Kunstschätze
aufgestellt: darunter zwei Porträts von Tizian, zahl-
reiche andere Bilder namhafter alter Meister, wert-
volle antike Statuen, Bronzen und Vasen aus alter
und neuerer Zeit, eine Fülle der schönsten orienta-
lischen Teppiche und andere Werke textiler Arbeit:
das alles untermischt mit einer Elite von Kleinkunst-
werken, Möbeln, Schmucksachen jeder Art, aufs ge-
schmackvollste, ohne Überladung mit edlem Stil-
gefühl ausgewählt und angeordnet. Aber den höch-
sten Reiz entfaltet diese herrlich 'geschmückte
Innerlichkeit in dem kleinen gewölbten Brunnen-
gemach, welches rückwärts an die grösseren Räume
anstösst und in technischer wie in artistischer Hin-
sicht ein Unikum ist. Die Wände und Wölbungen
dieses niedlichen Raumes sind mit Muscheln und
einer eigentümlichen Imitation von Mosaik bekleidet,
so dass die Flächen musivisch, die Ornamente pla-
stisch wirken und dieser plastische Schmuck durch
die aneinandergereihten kleinen und grösseren Mu-
scheln gebildet wird. In der Kuppel des kleinen Ge-
maches brennt elektrisches Licht und übergiesst die
 
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