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Kunstlitteratur und Kunsthandel.
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stehenden Säulen und der flachen Decke doch fest
umrahmt war und hell aus dem dunklen Grunde
hervorleuchtete. Wie das wirkte! Im Freien er-
richtete Standbilder, wie die unzähligen im Hain
von Olympia, konnten natürlich einen so festen Rah-
men nicht erhalten, aber was irgend möglich war,
das geschah. Gern suchten und häufig fanden sie eine
Art Anlehnung an hinter ihnen befindliche Baulich-
keiten. Immer aber wurden sie an Wegen aufge-
stellt, mit der Richtung nach dem Wege. Der weite
olympische Hain, ebenso auch das Plateau der
athenischen Akropolis, war von Gängen durch-
zogen, an deren Rändern die Bildsäulen sich reihten,
wie die Grabmäler an den Landstrassen vor den
Stadtthoren, vor dem athenischen Dipylon oder an
der Via Appia, wie auch an den meisten neueren
Friedhöfen, die Front gegen den Weg l). (Forts, folgt.)
1) Indem ich dieses schreibe, geht mir eine Schrift aus
der Gattung jener Betrachtungen alter Stadtanlagen zu,
welche auch von Altertumsforschern gern eingesehen werden,
obwohl ihre Verfasser nicht mit der Methode des Historikers
an den Gegenstand herantreten, sondern mit den Augen des
Künstlers. Sein aus dem reichen Wiener Kunstleben her-
aus geschriebenes Büchlein über den Städtebau nach seinen
künstlerischen Grundsätzen eröffnet Camillo Sitte mit dem
Studium des Forums von Pompeji; er hat dessen Charakter
als eines Festsaales der Stadt wohl verstanden, anscheinend
ohne Richard Schöne's und Heinrich Rissen's stadtgeschicht-
liche Untersuchungen über dessen Entstehung zu kennen
(s. Nissens Pompejanische Studien 1877,'Kap. 18). Sitte be-
kämpft die moderne Gewohnheit, Denkmäler im Mittelpunkt
grosser Plätze aufzustellen; wie das Forum von Pompeji es
als antiken Brauch zeigt, so wusste es auch das Mittelalter
und die Renaissance nicht anders, man schob die Standbilder
an die Ränder der Plätze. Dadurch blieb der Mittelraum
dem Verkehr bewahrt, auch konnte man den Rändern entlang
eine Mehrheit von Denkmälern errichten und jedes wirkte.
Als drastischstes Beispiel moderner Verkehrtheit stellt Sitte die
Geschichte des David von Michelangelo hin, die er freilich nicht
ganz richtig wiedergiebt. Nicht Michelangelo selbst hatte dem
Koloss den Platz gewählt, an der Steinwand des Palazzo
Vecchio links neben dem Haupteingang, sondern eine Sach-
verständigenkommission, und die Motive zur Wahl dieses
Platzes waren politischer Natur; es galt, eine an demselben
Platze stehende politisch unliebsame Statue zu verdrängen.
Thatsächlich also war die fragliche Stelle an der Mauer schon
früher für Aufstellung einer Statue gut befunden worden und
man hatte kein Arg, auch den David dahin zu stellen.
Lionardo da Vinci und Giuliano di San Gallo empfahlen
die Loggia dei Lanzi, also eine Stelle nicht bloss am Rande
des Platzes, sondern überdies in architektonischer Einfassung.
Jedenfalls wirkte der David vor dem Hintergrunde der dunk-
len, einförmigen und doch kräftigen Quadermauer des Pa-
lastes. 1809 nun wurde berichtet, es sei im Werke, das
Marmororiginal des David, welches im Freien litt, in das
Museo Nazionale im Bargello zu versetzen und vor dem Palazzo
Vecchio einen Bronzeabguss aufzustellen; 1873 aber wurde
der Marmor in die Akademie übergeführt uud der Bronze-
abguss auf weitem freiem Ringplatz errichtet, wo das Stand-
bild gar nicht wirkt.
KUNSTLITTERATUR UND KUNSTHANDEL.
y. „Die bösen Buben in der Berliner Kunstausstellung11 be-
titelt sich eine Broschüre, welche bei S. Fischer in Berlin
erschienen ist und den Münchener „Spottvogel im Glaspalast"
nachahmt. Die bösen Buben sind leider weit weniger mit
Mutterwitz begabt als der Spottvogel, bringen es kaum zu
einem leidlichen Kalauer, machen vielfach Anleihen und ihre
Verse sind sehr holperig. Der Preis ist eine Mark.
*• Unter dem Titel: „Architektonische Studienblätter aus
Budapest" beginnt Hermann Rückwardt bei Ch. Claesen in
Berlin soeben eine neue Publikation, welche uns nach dem
Muster seiner bekannten früheren Werke die schönsten Neu-
bauten der ungarischen Hauptstadt, Fassaden und Details,
nach photographischen Naturaufnahmen in vorzüglichen Licht-
drucktafeln vor Augen führt. Der erste Teil des auf 60 Ta-
feln in Folio berechneten Werkes umfasst namentlich die
Bauten der Architekten Nile. Ybl (Opernhaus, Hauptzollamt.
Palais des Grafen Alois Karolyi, Franzstädter Kirche, Hof-
gartenpalais u. a.) und Gustaf Pctschacher (Brunnenterrasse
im Stadtwäldchen, Burggartenbazar, Pensionsfondsgebäude der
Staatsbahnen, Palais des Markgrafen Pallavicini, Klubhaus,
Villa Andrassy u. s. w), denen dann noch einzelne Werke
von A. Meinig, das Redoutengebäude von Fr. Fcsxl, ver-
schiedene Bauten von Partos & Lechner, sowie von R. Rag
sich anreihen. Die Publikation wird nicht nur den Archi-
tekten , sondern auch weiteren kunstfreundlichen Kreisen
Interesse gewähren, welche an der glänzenden Entwicklung
der jungen Donaustadt Anteil nehmen.
» Das grosse Werk von Marcel Dieulafog: „L'art wn-
tique de la Perse" hat kürzlich durch das Erscheinen der
fünften Abteilung, welche die Kunst der Parther und der
Sassaniden behandelt, seinen Abschluss gefunden. Auch in
dieser letzten Lieferung überrascht uns wieder, wie in den
früheren, eine Reihe vorzüglicher heliographischer Abbil-
dungen nach photographischen Originalaufnahmen des Autors
und seiner Mitarbeiter. Dazu kommt der gehaltvolle, reich
illustrirte Text, welcher eine Fülle neuer Anregungen zur
Kritik der persischen Denkmälerwelt enthält. Wie Dieulafoy
in den ersten Abteilungen die Zusammenhänge der altpersi-
schen und der hellenischen Kunst aufzuhellen suchte, so
widmet er in der letzten Abteilung ein ausführliches Kapitel
dem Einflüsse des sassanidischen Persiens auf das Abend-
land, speziell auf die mittelalterliche Architektur Frankreichs.
Die Betrachtungen sind kühn, aber lesenswert. Einen be-
sonderen Wert verleiht dem Werke sein sorgfältig gearbei-
tetes Sachregister.
* Kunsthistorischer Atlas dir Wiener GentraUcommission.
Die k. k. Centnilkommission zur Erforschung und Erhaltung
der Kunstdenknmle in Wien hat eine neue, sehr vermehrte
und verbesserte Ausgabe ihres vor längerer Zeit erschienenen
archäologischen Atlas veranstaltet, welche den Kunstfreunden,
Schul vorständen und Spezialforschem wärmstens empfohlen
werden kann. Der Atlas ist nicht nur aus dem Clichevor-
rat der Centralkommission zusammengestellt, sondern durch
entliehene Cliches, die in Publikationen anderer gelehrter
Gesellschaften, in oft schwer zugänglichen Zeitschriften, dann
auch in dem ethnographischen Werke des Kronprinzen Ru-
dolf abgedruckt sind, wesentlich vervollständigt und be-
reichert worden. Es liegt uns zunächst die erste, von dem
bekannten prähistorischen Forscher Dr. M. Much in Wien
bearbeitete Abteilung vor, welche eine ungemein reiche und
übersichtlich geordnete Sammlung von trefflichen Abbil-
dungen vorgeschichtbcher und frühgeschichtlicher Funde aus
Kunstlitteratur und Kunsthandel.
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stehenden Säulen und der flachen Decke doch fest
umrahmt war und hell aus dem dunklen Grunde
hervorleuchtete. Wie das wirkte! Im Freien er-
richtete Standbilder, wie die unzähligen im Hain
von Olympia, konnten natürlich einen so festen Rah-
men nicht erhalten, aber was irgend möglich war,
das geschah. Gern suchten und häufig fanden sie eine
Art Anlehnung an hinter ihnen befindliche Baulich-
keiten. Immer aber wurden sie an Wegen aufge-
stellt, mit der Richtung nach dem Wege. Der weite
olympische Hain, ebenso auch das Plateau der
athenischen Akropolis, war von Gängen durch-
zogen, an deren Rändern die Bildsäulen sich reihten,
wie die Grabmäler an den Landstrassen vor den
Stadtthoren, vor dem athenischen Dipylon oder an
der Via Appia, wie auch an den meisten neueren
Friedhöfen, die Front gegen den Weg l). (Forts, folgt.)
1) Indem ich dieses schreibe, geht mir eine Schrift aus
der Gattung jener Betrachtungen alter Stadtanlagen zu,
welche auch von Altertumsforschern gern eingesehen werden,
obwohl ihre Verfasser nicht mit der Methode des Historikers
an den Gegenstand herantreten, sondern mit den Augen des
Künstlers. Sein aus dem reichen Wiener Kunstleben her-
aus geschriebenes Büchlein über den Städtebau nach seinen
künstlerischen Grundsätzen eröffnet Camillo Sitte mit dem
Studium des Forums von Pompeji; er hat dessen Charakter
als eines Festsaales der Stadt wohl verstanden, anscheinend
ohne Richard Schöne's und Heinrich Rissen's stadtgeschicht-
liche Untersuchungen über dessen Entstehung zu kennen
(s. Nissens Pompejanische Studien 1877,'Kap. 18). Sitte be-
kämpft die moderne Gewohnheit, Denkmäler im Mittelpunkt
grosser Plätze aufzustellen; wie das Forum von Pompeji es
als antiken Brauch zeigt, so wusste es auch das Mittelalter
und die Renaissance nicht anders, man schob die Standbilder
an die Ränder der Plätze. Dadurch blieb der Mittelraum
dem Verkehr bewahrt, auch konnte man den Rändern entlang
eine Mehrheit von Denkmälern errichten und jedes wirkte.
Als drastischstes Beispiel moderner Verkehrtheit stellt Sitte die
Geschichte des David von Michelangelo hin, die er freilich nicht
ganz richtig wiedergiebt. Nicht Michelangelo selbst hatte dem
Koloss den Platz gewählt, an der Steinwand des Palazzo
Vecchio links neben dem Haupteingang, sondern eine Sach-
verständigenkommission, und die Motive zur Wahl dieses
Platzes waren politischer Natur; es galt, eine an demselben
Platze stehende politisch unliebsame Statue zu verdrängen.
Thatsächlich also war die fragliche Stelle an der Mauer schon
früher für Aufstellung einer Statue gut befunden worden und
man hatte kein Arg, auch den David dahin zu stellen.
Lionardo da Vinci und Giuliano di San Gallo empfahlen
die Loggia dei Lanzi, also eine Stelle nicht bloss am Rande
des Platzes, sondern überdies in architektonischer Einfassung.
Jedenfalls wirkte der David vor dem Hintergrunde der dunk-
len, einförmigen und doch kräftigen Quadermauer des Pa-
lastes. 1809 nun wurde berichtet, es sei im Werke, das
Marmororiginal des David, welches im Freien litt, in das
Museo Nazionale im Bargello zu versetzen und vor dem Palazzo
Vecchio einen Bronzeabguss aufzustellen; 1873 aber wurde
der Marmor in die Akademie übergeführt uud der Bronze-
abguss auf weitem freiem Ringplatz errichtet, wo das Stand-
bild gar nicht wirkt.
KUNSTLITTERATUR UND KUNSTHANDEL.
y. „Die bösen Buben in der Berliner Kunstausstellung11 be-
titelt sich eine Broschüre, welche bei S. Fischer in Berlin
erschienen ist und den Münchener „Spottvogel im Glaspalast"
nachahmt. Die bösen Buben sind leider weit weniger mit
Mutterwitz begabt als der Spottvogel, bringen es kaum zu
einem leidlichen Kalauer, machen vielfach Anleihen und ihre
Verse sind sehr holperig. Der Preis ist eine Mark.
*• Unter dem Titel: „Architektonische Studienblätter aus
Budapest" beginnt Hermann Rückwardt bei Ch. Claesen in
Berlin soeben eine neue Publikation, welche uns nach dem
Muster seiner bekannten früheren Werke die schönsten Neu-
bauten der ungarischen Hauptstadt, Fassaden und Details,
nach photographischen Naturaufnahmen in vorzüglichen Licht-
drucktafeln vor Augen führt. Der erste Teil des auf 60 Ta-
feln in Folio berechneten Werkes umfasst namentlich die
Bauten der Architekten Nile. Ybl (Opernhaus, Hauptzollamt.
Palais des Grafen Alois Karolyi, Franzstädter Kirche, Hof-
gartenpalais u. a.) und Gustaf Pctschacher (Brunnenterrasse
im Stadtwäldchen, Burggartenbazar, Pensionsfondsgebäude der
Staatsbahnen, Palais des Markgrafen Pallavicini, Klubhaus,
Villa Andrassy u. s. w), denen dann noch einzelne Werke
von A. Meinig, das Redoutengebäude von Fr. Fcsxl, ver-
schiedene Bauten von Partos & Lechner, sowie von R. Rag
sich anreihen. Die Publikation wird nicht nur den Archi-
tekten , sondern auch weiteren kunstfreundlichen Kreisen
Interesse gewähren, welche an der glänzenden Entwicklung
der jungen Donaustadt Anteil nehmen.
» Das grosse Werk von Marcel Dieulafog: „L'art wn-
tique de la Perse" hat kürzlich durch das Erscheinen der
fünften Abteilung, welche die Kunst der Parther und der
Sassaniden behandelt, seinen Abschluss gefunden. Auch in
dieser letzten Lieferung überrascht uns wieder, wie in den
früheren, eine Reihe vorzüglicher heliographischer Abbil-
dungen nach photographischen Originalaufnahmen des Autors
und seiner Mitarbeiter. Dazu kommt der gehaltvolle, reich
illustrirte Text, welcher eine Fülle neuer Anregungen zur
Kritik der persischen Denkmälerwelt enthält. Wie Dieulafoy
in den ersten Abteilungen die Zusammenhänge der altpersi-
schen und der hellenischen Kunst aufzuhellen suchte, so
widmet er in der letzten Abteilung ein ausführliches Kapitel
dem Einflüsse des sassanidischen Persiens auf das Abend-
land, speziell auf die mittelalterliche Architektur Frankreichs.
Die Betrachtungen sind kühn, aber lesenswert. Einen be-
sonderen Wert verleiht dem Werke sein sorgfältig gearbei-
tetes Sachregister.
* Kunsthistorischer Atlas dir Wiener GentraUcommission.
Die k. k. Centnilkommission zur Erforschung und Erhaltung
der Kunstdenknmle in Wien hat eine neue, sehr vermehrte
und verbesserte Ausgabe ihres vor längerer Zeit erschienenen
archäologischen Atlas veranstaltet, welche den Kunstfreunden,
Schul vorständen und Spezialforschem wärmstens empfohlen
werden kann. Der Atlas ist nicht nur aus dem Clichevor-
rat der Centralkommission zusammengestellt, sondern durch
entliehene Cliches, die in Publikationen anderer gelehrter
Gesellschaften, in oft schwer zugänglichen Zeitschriften, dann
auch in dem ethnographischen Werke des Kronprinzen Ru-
dolf abgedruckt sind, wesentlich vervollständigt und be-
reichert worden. Es liegt uns zunächst die erste, von dem
bekannten prähistorischen Forscher Dr. M. Much in Wien
bearbeitete Abteilung vor, welche eine ungemein reiche und
übersichtlich geordnete Sammlung von trefflichen Abbil-
dungen vorgeschichtbcher und frühgeschichtlicher Funde aus