Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI article:
Rosenberg, Adolf: Ausstellung der kunstgeschichtlichen Gesellschaft in Berlin, [4]
DOI article:
Necker, Moritz: Hans Schliessmann
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0213

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
413

Hans Schliessmann.

414

fein beleuchtete Wildgarten eines Schlosses in der
Abendsonne von Jan van der Heydcn (Bes. L. L.),
zwei Marinen von Jan Porcellis (im kaiserlichen Be-
sitz), eine Flussmündung von Adriaen van de Velde
(Bes. Herr W. Gumprecht), eine grosse Flussland-
schaft mit Dörfern und Burgruinen an den Ufern
und zahlreichen Figuren von Männern, Knaben und
Pferden, die teils in einer Furt des Flusses baden,
teils sich am Ufer auskleiden, von Philips Wouwer-
mann (Bes. Herr H. Wallich) und eine bereits etwas
rnanierirte Landschaft mit einem stillen Gewässer
und einem Wald im Hintergrunde von Jan Wynants
(mit der Jahreszahl 1668 und dem Namen; Bes.
Herr 0. Wesendonck) bemerkenswert.

ADOLF BOSENBEBG.

HANS SCHLIESSMANN.

Hans Schliessmann, der Zeichner des Wiener Fi-
garo, des einzig nennenswerten humoristischen Blattes
von Wien und Osterreich, gehört zu den charakteristi-
schen Erscheinungen der Wiener Gegenwart. Diese Ge-
genwart hat zwar sehr viele Eigenschaften mit der Ver-
gangenheit gemein, vor allem die Unfähigkeit, ihrer
selbst recht froh werden zu können, die Neigung,
ständig nach dem Norden zu schielen, der sie in so
vielen Dingen überflügelt haben soll, aber Jung-
Wien hat in Wahrheit gar so vielen Grund, Berlin
zu beneiden, keineswegs. In aller Stille und kaum
allgemein bewusst, entwickelt und entfaltet sich in
Wien ein autochthones Kunstschaffen. Viel weniger
als in Berlin vermögen in dem zwar, wie die Tradi-
tion lautet, minder kritischen, aber doch ursprüng-
licheren Wien die aus dem Ausland hereinfliegenden
Schlagworte des Naturalismus in allen Formen zu
zünden, dafür aber ist das bescheidenere einheimische
Kunstschaffen echter, redlicher, wahrhaftiger und
darum mehr Dauer und gesündere Fortbildung ver-
heissend, als anderswo. Der Absatz jeder Art von
Kunst, der poetischen wie der bildenden, ist in Wien
geringer geworden; dafür aber lebt mehr Wärme
und Liebe und auch mehr Kritik in diesem verenger-
ten Kreise von Liebhabern. Daraus erklärt sich z. B.
die überraschende Thatsache, dass Pettenkofens
Nachlass, eine Sammlung von zumeist unfertigen
Studien, die nur wirkliche Kenner interessiren konnten,
mit glänzendem pekuniären Erfolg verkauft worden
ist. Wien ist nicht so in die Breite gegangen, wie
zu gleicher Zeit andere Grossstädte; aber bei den ein-
zelnen Nachteilen hat es doch den Vorzug bewahrt,
sich nicht gar so sehr verflacht zu haben. Dies gilt

von den litterarischen Zuständen nicht weniger, als
von den künstlerischen. Einiger Zusammenhang
herrscht doch immer zwischen beiden. Wenn wir
von Schliessmann sprechen wollen, so ist es unmög-
lich, nicht auch jener litterarischen Kleinmaler zu ge-
denken, die mit dem Worte das und nicht weniger,
eher mehr leisten, als jener mit dem Zeichenstift,
nämlich der Lokalhumoristen des Wiener Feuille-
tons : Pötzl und Chiavacci. Diese drei Namen bilden
in Wien ein volkstümliches Kleeblatt. Man kann nicht
sagen, dass die Feuilletonisten den Zeichner hervor-
gerufen haben, oder umgekehrt, dass Schliessmanns
echt wienerischer Humor die litterarische Nachahmung
durch seinen Erfolg hervorgerufen hätte. Es ist viel-
mehr Thatsache, dass die drei Kleinkünstler beinahe
gleichzeitig zur Blüte gelangt sind, und dass jeder von
ihnen durch eine leicht erkennbare Individualität
fesselt. Wie in den zwei Feuilletonisten der Wiener
Lokalhumor edlere litterarische Formen als in früheren
Jahrzehnten angenommen hat, so ist auch der Zeich-
ner nicht hinter den strengeren Forderungen seiner
Zeit zurückgeblieben; erst damit ist er in das Bereich
der Kunst getreten.

Hans Schliessmann, geboren 1852 in Mainz, aber
schon im fünften Lebensjahre nach Niederösterreich,
Gumpoldskirchen, eine Stunde südlich von Wien, mit
seinen Eltern übersiedelt, ist eigentlich Autodidakt.
Er hat nur die Bürgerschule besucht und ist jung
ins Waldheimische Holzschneideinstitut, das seit
Jahren eingegangen ist, gekommen. Die ursprüng-
liche Lust und Begabung zum Zeichnen, die Schliess-
mann schon als Knabe bekundete, mag diese Wahl
veranlasst haben; ihn in eine höhere Schule zu
schicken, reichten die Mittel seiner Eltern nicht aus.
Als Lehrjunge wurde Schliessmann zum Abholen der
Zeichnungen des damals sehr angesehenen Illustra-
tors V. Katzler und anderer verwendet, und da hat
er den Leuten auf die Finger geguckt. Indem er
dann ihre Zeichnungen in Holz schnitt, lernte er
selbst zeichnen, schuf zuerst nach fremden Mustern
und fand allmählich seinen eignen Stil. Unter an-
fänglicher Anleitung Katzlers selbst arbeitete Schliess-
mann für den Wiener „Kikeriki", jahrelang und ano-
nym. Als Waldheim seinen „Figaro" durch die Bei-
lage der „Wiener Luft" (unter der Redaktion Fried-
rich Schlögls, sodann Ludwig Anzengrubers) zu
neuer Blüte erhob, wurde Schliessmann 1882 für
das Blatt gewonnen und ist an demselben bis jetzt
thätig gewesen — in einer so erfolgreichen Weise,
dass man sagen kann: eigentlich sind es nur noch
bloss seine Zeichnungen, welche das Publikum auf
 
Annotationen