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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Sybel, Ludwig von: Relief und Statue in der griechischen Bildhauerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0035

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Kunstlitteratur und Kunsthandel.

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Mit den einfachsten Mitteln nicht das unbedingt
Grösste, sondern das gerade Zutreffende zu leisten,
war griechische Weise. Sie hat ihnen erstaunlich
viel geholfen, denn sie hat ihnen unendlich viel
erspart.

KUNSTLITTERATUR UND KUNSTHANDEL.
Die Handzeiehnungen alter Meister in der Kgl.
Bibliothek zu Windsor - Castle. (257 Kohle-
Photographien von Ad. Braun & Cie., Dornach.)
Mit obigem soeben erschienenen Werke haben
die Herausgeber sich zur Wiedergabe von Hand-
zeichnungen zurückgewendet, nachdem sie die letz-
ten Jahre fast ausschliesslich mit Ölgemälden sich
beschäftigt hatten. Wenn auch die trefflichen Publi-
kationen der Galerien in Petersburg, dem Haag,
Amsterdam, Florenz sich mit vollstem Recht all-
seitigen Beifalls erfreuen, so hat doch mancher Kunst-
freund und Forscher wohl im stillen den Wunsch
. gehegt, den Vorrat von Handzeichnungen alter Mei-
ster, welchen die Firma Braun ihm in früheren
Jahren zugeführt, allmählich auch noch vermehrt
und vervollständigt zu sehen. Wer sich des grossen
Aufsehens erinnert, welches in den sechziger Jahren
die Zeichnungen desLouvre, der Albertina, der Uffizi
machten, wer bedenkt, welchen Einfluss das Erscheinen
dieser Werke auf das ganze kunstgeschichtliche Stu-
dium ausgeübt, der wird jenen Wunsch sehr erklär-
lich finden. Auch über die Art und Weise, wie er
erfüllt worden ist, wird man sich nur freuen können.
Die Handzeichnungssammlung der Kgl. Bibliothek
in Windsor ist ja im grossen und ganzen bekannt;
man weiss, dass sich dort die herrlichen Porträt-
skizzen Holbeins, ein ganzer Band mit Zeichnungen
Leonardo's befinden, aber nur wenige wissen, dass
die Windsor-Sammlung an Umfang wie an innerem
Werte die meisten ähnlichen übertrifft, vielleicht
nur denen im Louvre und in den Uffizi nachsteht.
Über ihre Entstehung wissen wir wenig. Um
1732 fand die Königin Karoline, Gemahlin Georgs IL,
in einem vergessenen Schranke des Palastes zu Ken-
sington die achtzig von Holbein gezeichneten Por-
träts. Etwa dreissig Jahre später zog der Biblio-
thekar Georgs III., Dalton, aus demselben Schranke
das Leonardo'sche Skizzenbuch ans Licht. Es ist
nur Vermutung, dass diese Schätze seit den lustigen
■Tagen Karls 11. in ihrem Versteck gelegen, dass
dieser König sie vielleicht auf Rat und Vermittlung
Sir P. Lely's aus der Versteigerung Lord Arundels
(ca. 1675) habe kaufen lassen; auch in den Inven-
tarien der Kunstsammlungen Karls L lassen sich

weder diese noch andere Zeichnungen nachweisen.
Erst vom Vater Georgs III., Friedrich, Prinz von
Wales, wissen wir u. a., dass er von Dr. Mead viele
Zeichnungen und Miniaturen kaufte: z. B. die herr-
lichen 68 Poussins, welche früher Kardinal Massimi
gehört hatten. Weitaus das meiste verdankt Windsor
Georg LIL, dessen Bibliothekar Dalton, unterstützt
durch den damaligen englischen Konsul Smith in
Venedig nicht nur ganze Sammlungen (wie die des
Kardinals Albani, die der Bonfiglioli in Bologna) er-
warb, sondern auch bei Einzelverkäufen (Lely, Cro-
zat u. a.) gute Blätter für die königl. Bibliothek
sicherte. Genug, seit Anfang dieses Jahrhunderts
hatten sich so gegen 18000 Blatt allmählich in
Windsor zusammengefunden.

Wie bei allen im 18. Jahrhundert entstandenen
Sammlungen, so liegt auch hier der Zahl nach der
Schwerpunkt bei den späteren Italienern, den Car-
racci, Guercino, Domenichino und ähnlichen. Sie
gelangten zu Hunderten, ja Tausenden (allein 1700
Zeichnungen von Domenichino!), aber auch in sel-
tener Schönheit, viele aus der Sammlung Carlo Ma-
ratti's, in die des Kardinals Albani und so nach
Windsor. Von Konsul Smith kamen die schönen
Canaletto's, von Kardinal Massimi die schon oben
erwähnten Poussins, die sich in Windsor auf 140
vermehrten, und in keinem anderen Kabinet von
ähnlicher Schönheit gefunden werden. Mit noch
grösserem Interesse wendet sich der heutige Kunst-
freund zu den herrlichen Zeichnungen Leonardo's, —
zu den Michelangelo's, unter denen ihn die wunder-
baren, für Tommaso de'Cavalieri liebevoll ausgeführ-
ten Blätter, oder die drei Kämpfe des Herkules
fesseln müssen, zu den etwa 20 Zeichnungen Raffaels
allerersten Ranges, an denen sich die Entwicklung
des Meisters so schön verfolgen lässt, von einigen
Madonnenentwürfen der früheren Zeit über die erste,
sehr an Fra Bartolommeo anklingende Skizze zur
Dispute, bis zu den grossartigen Studien zu einer
Auferstehung, die ihn in der letzten Zeit beschäf-
tigte, aber leider ihre Vollendung nicht erreicht hat.
Von allen Meistern, deren Namen wir hier genannt,
giebt die neueste Publikation Brauns eine erhebliche
Anzahl ausgezeichneter Blätter: Holbeins Porträts er-
scheinen vollständig, dann Leonardo mit 71, Raffael
mit 21, Michelangelo mit 16 vorzüglichen Nummern,
daneben einige ausgezeichnete Correggio's, Fra Bar-
tolommeo's, Perugino's, und vereinzelte ältere Meister,
auch vier bedeutende Blätter unseres Dürers. Dass
die Wiedergabe nichts zu wünschen lässt, versteht
sich so ziemlich von selbst. Welch ein Abstand von
 
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