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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Aus dem Münchener Kunstleben, [1]
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Kropp, D.: Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrieausstellung in Bremen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0245

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477 -^us dein Münchener Kunstleben. — Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrieausstellung in Bremen 1S90. 478

verfallen, deren Kultivirung neuerdings von manchen
mehr wie ein Sport denn wie eine ernsthafte Lebens-
aufgabe betrieben wird. Hellqvist (1851 am Mälar-
see in Schweden als der Sohn eines armen Schusters
geboren) war Freilichtmaler im besten Sinne des
Wortes, lang ehe die Karikatur dieser Bestrebungen
als offizielle Erscheinung in Münchener Künstler-
kreisen auftrat. Er gehörte nicht zu denen, die
Sonnenlicht mit Milchsuppenfarbe verwechseln, viel-
mehr ging durch sein ganzes Streben ein Zug von
kräftiger, männlicher Gesundheit, mochte es sich
nun um landschaftliche Bilder oder um grössere
figürliche Kompositionen handeln. Dass man histo-
rische Begebenheiten darstellen könne, ohne den
akademischen Zopf dabei herauszukehren oder thea-
tralische Posen mit schön gruppirten Stillleben als
Hauptsache zu betonen, das hat er in verschiedenen
grossen Schöpfungen bewiesen (Brandschatzung von
Wisby durch die Dänen, Hussens Gang zum Scheiter-
haufen, Einschiffung der Leiche Gustav Adolfs etc.).
Studien und Skizzen zu diesen, die vor allem auch
in äusserst künstlerischer Weise die kostümliche
Seite der Sache zeigten, im Vereine mit einer grossen
Reihe von frisch der Natur abgelauschten Dingen,
auch ganz moderner Natur, geben eine klare, volle
Kenntnis von der reichen Beanlagung und Thätig-
keit des Mannes, dessen dunkles Geschick von seinen
Freunden nicht weniger betrauert wird, als von seiner
Familie. Er hatte sich durch eigene Kraft, durch
ganz namenlose Energie von unten heraufgearbeitet,
ein Genie in des Wortes bester Bedeutung, ein
Künstler von echtem Geblüt, nicht verwandt mit
jenen künstlerischen Manufakturisten, die mit blecher-
ner Gelecktheit immer wieder den gleichen Quark,
ein paar Hosen, Röcke oder Kutten, malen und —
verkaufen. Ja, wenn die wahre Kunst gleichbedeu-
tend wäre mit jener Melkkuh, die in verschiedenen
Ateliers ihre strotzenden Euter durch Kunsthändler
bedieneii lässt, dann gäbe es vielleicht nicht so viele
veritable Schuster auf diesen Gebieten, Schuster, die
ein Ansehen gemessen, als wären sie weiss Gott was.
Nachher kam Prof. Holmbcrg mit einem ganzen
Saal voller Arbeiten aus früherer und späterer Zeit,
wobei er nicht unterliess, die Beschauer auf die „erste
Arbeit nach der Natur" aufmerksam zu machen,
eine kleine Koketterie, die vielleicht manchen ent-
zückte, manchen aber auch nicht. Offenbar hat der
Künstler sehr viel Pietät für seine eignen Arbeiten.
Holmberg war Schüler von Wilhelm Diez, das sprach
aus sehr vielen der ausgestellten Objekte; gab es ja
doch in der Diezschule eine Zeit, da jeder als ein

ganz niederträchtiger Kerl angesehen wurde, der
nicht in paralleler Weise mit dem Lehrer dachte und
malte. Holmberg hat sich von den Unarten der
Schulanschauung vollständig losgesagt und kann
heute durchaus nicht mehr in jenem Sinne unter die
Diezschüler gezählt werden, als ob er an seines Lehrers
Art sich festgesogen hätte; auch ist er weit davon
entfernt, sein Heil lediglich in Raubrittern, Schweden-
kostümen oder Uniformen des siebenjährigen Krieges
zu suchen, welche drei Dinge die Hauptrequisiten-
kammer des genialen Lehrers bilden. Vielmehr be-
gegnen wir in Holmberg einer äusserst vielseitigen
Natur. Seine Interieurs sind mit einer Feinheit im
Verständnis der architektonischen Wirkung behandelt,
die es deutlich zeigt, dass er diese Studien nicht so
schlechtweg einfach als Hintergrund oder Umgebung
für irgend ein Figurenbild machte. Vielmehr giebt
er sie im einzig richtigen Sinne, nämlich als wären
Raum und Figuren untrennbare und gleich be-
deutungsvolle Dinge, wie es ja auch in der That
der Fall ist. Seine Porträts zeigen zuweilen bei
aller fabelhaften Geschicklichkeit, die in technischer
Beziehung darin liegt, ein leichtes Hinneigen zur
„gefälligen" Seite; vorzüglich jedoch war dabei eine
Gouacheskizze zu dem Porträt des Prinzregenten von
Bayern. Unter den landschaftlichen Arbeiten befanden
sich ebenfalls verschiedene, die grosses Empfinden
für feine Tonerscheinung zeigten; einige andere aber,
bei denen sich der Künstler ganz frei gehen liess und
ohne Erinnerung an Erlerntes arbeitete, waren von
vorzüglicher Frische und Wahrheit. (Schluss folgt.)

NORDWESTDEUTSCHE GEWERBE- UND

INDUSTRIEAUSSTELLUNG IN BREMEN

1890.

Von D. Keopp jr. in Bremen.

In den Anlagen des Bremer Bürgerparkes, auf
einem 380 000 qm grossen Flächenraum, ist am 1. Juni
eine Ausstellung eröffnet worden, welche auch in
architektonischer Beziehung allgemeines Interesse er-
regt. Die zahlreichen Bauten dienen zur Aufnahme
von Ausstellungen der Gewerbe und Industrie, des
Handels und der Schifffahrt, der Kaiserlichen Marine,
der Hochseefischerei, der Kunst und des Garten-
baues. Einige Bauten sind mit Naturtreue alten
Vorbildern aus der Renaissancezeit nachgebildet,
während die Hauptausstellungsgebäude sich als selb-
ständige, dem Zeitgeiste angepasste Schöpfungen
des Architekten J. G. Poppe in Bremen darstellen.
Gleich das Eingangsthor zeigt eine solche Nach-
 
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