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Die akademische Ausstellung in Dresden.
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lung der Volksmassen sehr bald über die Kräfte der
Aufsichtsbeamten gehen würde und der Zugang durch
erschwerende Mittel, Lösung von Einlasskarten u. dgl.,
geregelt werden rnüsste. Auf der einsamen Höhe
bei ßegensburff oder bei Kehlheim ist ein solcher
Ort des „Ernstes und der Sammlung'1 angemessen,
nicht aber im Volksgetümmel des Berliner Tiergartens,
noch dazu an der den Zelten zugekehrten Seite. —
Aus einem ähnlichen Grundgedanken erwachsen, aber
ungleich grossartiger angelegt und deshalb weniger
dem zuletzt angeführten Bedenken unterliegend ist
das Projekt der Architekten Rettig und Pfann. Ein
oblonger Hallenbau, welcher in seinen Abmessungen
in Breite wie Höhe ein architektonisches Gegenge-
wicht gegen das Wallotsche Reichstagsgebäude bildet,
— der Platz ist der des Krollschen Etablissements —
birgt in seinem Kern eine sich über dem Reiter-
standbilde des in idealer Tracht dargestellten Kaisers
wölbende Rotunde. Letztere ist nach aussen natür-
lich durch eine Kuppel mit Laterne gekennzeichnet,
die als korrespondirendes Merkzeichen zu dem vier-
eckigen durchbrochenen Turm Wallots gedacht ist.
Als architektonische Erfindung genial und imponirend
zugleich, wenn auch nicht originell und mehr einem
Museum als einer Ehrenhalle für den ersten deutschen
Kaiser gleichend, fordert dieses Projekt doch insofern
ernste Bedenken heraus, als, abgesehen von der phan-
tastischen Bildung des Reiterdenkraals, die Errichtung
des Monuments gegenüber dem Reichstagsgebäude
wohl gewissen politischen, das Parlament in den
Vordergrund rückenden Anschauungen, nicht aber
den die parlamentarischen Rechte ebenso hoch ach-
tenden wie seine Kronrechte mit eiserner Festigkeit
wahrenden Grundsätzen des hochseligen Kaisers ent-
spräche, welcher, wenn auch nicht auf einen Gegen-
satz, so doch stets auf die strenge verfassungsmässige
Sonderung der beiderseitigen Rechte bedacht war.
Unter dem Gesichtspunkte, dass das Denkmal
Kaiser Wilhelms — hier einmal ohne Phrase: aere
perennius — unter freiem Himmel stehen muss,
scheint uns der Entwurf von Bruno Schmitz vor
demjenigen von Rettig und Pfann den Vorzug zu
verdienen, schon deshalb, weil der Platz an der Kreu-
zung der Siegesallee und der Charlottenburger Chaussee
wenigstens die Achse festhält, auf welcher sich die
beiden feierlichen Momente von 1871 und 1888 voll-
zogen haben, der Siegeseinzug des triumphirenden
Kaisers und der letzte Zug des toten Kaisers zur
Ruhestätte im Mausoleum von Charlottenburg. Das
von Schmitz komponirte Reiterdenkmal, welches im
Mittelpunkte des Durchmessers eines durch eine
Hallenanlage abgeschlossenen Halbrundes steht, wollen
wir wegen der Wahl der Tracht und der allzu pa-
thetischen, dem schlichten Wesen des Kaisers wider-
sprechenden Haltung ausser acht lassen. Aber dieKom-
position der architektonischen Einfassung, deren
Centralanlage von der abgedroschenen Triumphbogen-
gestaltung in höchst origineller und phantasievoller Er-
findung abweicht — sie gipfelt in einer kühn auf-
strebenden Kuppel mit der Kaiserkrone —ist ein bau-
künstlerischer Gedanke von so ungewöhnlicher Kraft,
dass eine praktische Durchführung wenigstens ernst-
lich ins Auge gefasst werden müsste. Diese Origi-
nalität fehlt ganz und gar den mit zweiten Preisen
gekrönten Entwürfen von Schaper und Hilgers, welche
ihre Reiterdenkmäler inmitten einer von Säulenhallen
umschlossenen Forumanlage vor dem Brandenburger
Thor aufgestellt haben. Wir wollen den plastischen
Teil ihrer Modelle, die viel Verdienstliches haben,
hier nicht weiter berühren, weil eine ins Einzelne
gehende Kritik auf die gleiche Unsicherheit bei dem
Autor wie bei dem Kritiker stösst; aber über den
architektonischen Teil, welcher der erheblich schwä-
chere ist, muss gesagt werden, dass er sich trotz
seines anspruchsvollen Gebarens mit Triumphbogen,
Säulenhallen und Stufenbauten nicht über die Nach-
ahmung eines gebildeten Eklektikers erhebt.
Über diese aphoristischen Bemerkungen hinaus
ist zur Zeit jedes weitere Wort eine leere Redensart.
Wir müssen uns deshalb bescheiden, bis das Preis-
gericht sein erstes Urteil aus der idealen Sphäre der
goldenen und grünen Lorbeerkränze in das reale
Bereich von Richtscheit und Meissel herabsinken lässt.
ADOLF ROSENBERG.
DIE AKADEMISCHE AUSSTELLUNG
IN DRESDEN.
Am 1. Sept. ist die akademische Ausstellung in
Dresden eröffnet worden. Sie ist dieses Jahr in den
durch Übersiedelung der Gipsabgüssenach dem Alber-
tinum frei gewordenen Räumen des sog. Mengsschen
Museums im Zwinger und im linken Erdgeschoss der
Gemäldegalerie untergebracht worden, dessen Räume
sich jedoch nur zum Teil in ihrem gegenwärtigen
Zustande zur Aufnahme von Bildern eignen. Gutes
Licht hat nämlich ausser dem Oberlichtsaal am Ein-
gange nur der dem Zwingerhofe (Westen) zuge-
kehrte Saal, dagegen ist die Beleuchtung im Erd-
geschoss des Galeriegebäudes, namentlich in der nach
der Elbe zugelegenen Hälfte, ungenügend. Es wer-
den sich daher umfassende Massnahmen nötig ma-
Die akademische Ausstellung in Dresden.
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lung der Volksmassen sehr bald über die Kräfte der
Aufsichtsbeamten gehen würde und der Zugang durch
erschwerende Mittel, Lösung von Einlasskarten u. dgl.,
geregelt werden rnüsste. Auf der einsamen Höhe
bei ßegensburff oder bei Kehlheim ist ein solcher
Ort des „Ernstes und der Sammlung'1 angemessen,
nicht aber im Volksgetümmel des Berliner Tiergartens,
noch dazu an der den Zelten zugekehrten Seite. —
Aus einem ähnlichen Grundgedanken erwachsen, aber
ungleich grossartiger angelegt und deshalb weniger
dem zuletzt angeführten Bedenken unterliegend ist
das Projekt der Architekten Rettig und Pfann. Ein
oblonger Hallenbau, welcher in seinen Abmessungen
in Breite wie Höhe ein architektonisches Gegenge-
wicht gegen das Wallotsche Reichstagsgebäude bildet,
— der Platz ist der des Krollschen Etablissements —
birgt in seinem Kern eine sich über dem Reiter-
standbilde des in idealer Tracht dargestellten Kaisers
wölbende Rotunde. Letztere ist nach aussen natür-
lich durch eine Kuppel mit Laterne gekennzeichnet,
die als korrespondirendes Merkzeichen zu dem vier-
eckigen durchbrochenen Turm Wallots gedacht ist.
Als architektonische Erfindung genial und imponirend
zugleich, wenn auch nicht originell und mehr einem
Museum als einer Ehrenhalle für den ersten deutschen
Kaiser gleichend, fordert dieses Projekt doch insofern
ernste Bedenken heraus, als, abgesehen von der phan-
tastischen Bildung des Reiterdenkraals, die Errichtung
des Monuments gegenüber dem Reichstagsgebäude
wohl gewissen politischen, das Parlament in den
Vordergrund rückenden Anschauungen, nicht aber
den die parlamentarischen Rechte ebenso hoch ach-
tenden wie seine Kronrechte mit eiserner Festigkeit
wahrenden Grundsätzen des hochseligen Kaisers ent-
spräche, welcher, wenn auch nicht auf einen Gegen-
satz, so doch stets auf die strenge verfassungsmässige
Sonderung der beiderseitigen Rechte bedacht war.
Unter dem Gesichtspunkte, dass das Denkmal
Kaiser Wilhelms — hier einmal ohne Phrase: aere
perennius — unter freiem Himmel stehen muss,
scheint uns der Entwurf von Bruno Schmitz vor
demjenigen von Rettig und Pfann den Vorzug zu
verdienen, schon deshalb, weil der Platz an der Kreu-
zung der Siegesallee und der Charlottenburger Chaussee
wenigstens die Achse festhält, auf welcher sich die
beiden feierlichen Momente von 1871 und 1888 voll-
zogen haben, der Siegeseinzug des triumphirenden
Kaisers und der letzte Zug des toten Kaisers zur
Ruhestätte im Mausoleum von Charlottenburg. Das
von Schmitz komponirte Reiterdenkmal, welches im
Mittelpunkte des Durchmessers eines durch eine
Hallenanlage abgeschlossenen Halbrundes steht, wollen
wir wegen der Wahl der Tracht und der allzu pa-
thetischen, dem schlichten Wesen des Kaisers wider-
sprechenden Haltung ausser acht lassen. Aber dieKom-
position der architektonischen Einfassung, deren
Centralanlage von der abgedroschenen Triumphbogen-
gestaltung in höchst origineller und phantasievoller Er-
findung abweicht — sie gipfelt in einer kühn auf-
strebenden Kuppel mit der Kaiserkrone —ist ein bau-
künstlerischer Gedanke von so ungewöhnlicher Kraft,
dass eine praktische Durchführung wenigstens ernst-
lich ins Auge gefasst werden müsste. Diese Origi-
nalität fehlt ganz und gar den mit zweiten Preisen
gekrönten Entwürfen von Schaper und Hilgers, welche
ihre Reiterdenkmäler inmitten einer von Säulenhallen
umschlossenen Forumanlage vor dem Brandenburger
Thor aufgestellt haben. Wir wollen den plastischen
Teil ihrer Modelle, die viel Verdienstliches haben,
hier nicht weiter berühren, weil eine ins Einzelne
gehende Kritik auf die gleiche Unsicherheit bei dem
Autor wie bei dem Kritiker stösst; aber über den
architektonischen Teil, welcher der erheblich schwä-
chere ist, muss gesagt werden, dass er sich trotz
seines anspruchsvollen Gebarens mit Triumphbogen,
Säulenhallen und Stufenbauten nicht über die Nach-
ahmung eines gebildeten Eklektikers erhebt.
Über diese aphoristischen Bemerkungen hinaus
ist zur Zeit jedes weitere Wort eine leere Redensart.
Wir müssen uns deshalb bescheiden, bis das Preis-
gericht sein erstes Urteil aus der idealen Sphäre der
goldenen und grünen Lorbeerkränze in das reale
Bereich von Richtscheit und Meissel herabsinken lässt.
ADOLF ROSENBERG.
DIE AKADEMISCHE AUSSTELLUNG
IN DRESDEN.
Am 1. Sept. ist die akademische Ausstellung in
Dresden eröffnet worden. Sie ist dieses Jahr in den
durch Übersiedelung der Gipsabgüssenach dem Alber-
tinum frei gewordenen Räumen des sog. Mengsschen
Museums im Zwinger und im linken Erdgeschoss der
Gemäldegalerie untergebracht worden, dessen Räume
sich jedoch nur zum Teil in ihrem gegenwärtigen
Zustande zur Aufnahme von Bildern eignen. Gutes
Licht hat nämlich ausser dem Oberlichtsaal am Ein-
gange nur der dem Zwingerhofe (Westen) zuge-
kehrte Saal, dagegen ist die Beleuchtung im Erd-
geschoss des Galeriegebäudes, namentlich in der nach
der Elbe zugelegenen Hälfte, ungenügend. Es wer-
den sich daher umfassende Massnahmen nötig ma-