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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0111

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HEEAUSGEBEE:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN

Heugasse 58.

KÖLN

Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 14. 30. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Eud. Mosse u. s. w. an.

REMBRANDT ALS ERZIEHER.

Von einem DeutscJien.

# Unter diesem kuriosen Titel ist soeben (bei
C. L. Hirschfeld in Leipzig) ein beachtenswertes Buch
erschienen, welches sich als ein „Heroldsruf an die
jetzige junge aufstrebende deutsche Generation" an-
kündigt, und das gesamte Bildungswesen der Nation,
vor allem das künstlerische, der einschneidendsten
Betrachtung unterzieht. Für die „vorwiegend künst-
lerisch gestaltete Kulturepoche", welche das deutsche
Volk nach seiner politischen Wiedergeburt nun an-
zustreben hat, wird ihm als geschichtliches Ideal
liembrandt vorgeführt, weil in diesem sich in beson-
ders klarer Weise die „wesentliche Eigenschaft des
Volkscharakters der Deutschen, der Drang nach
freier Eigenart", verkörpert. Neben Rembrandt stellt
der Verfasser eine Gruppe anderer typischer Re-
präsentanten urdeutschen Wesens, Luther, Shakespeare,
Bismarck auf, betont die Grundverwandtschaft ihrer
Naturen und misst an dem so gewonnenen Mass-
stabe einige gefeierte Autoritäten der Gegenwart,
wie Mommsen, den er den modernen Erasmus nennt,
Dubois-Reymond, den Famulus Wagner der heutigen
specialistischen Wissenschaft, um auf diesem Wege
manche weit verbreiteten Vorurteile zu zerstören.

Wir lassen die nicht in unser Gebiet einschlagen-
den Kapitel ausser acht und beschäftigen uns hier
nur mit einzelnen brennenden Fragen der Kunst-
politik des geistreichen Buches, die nach dessen ganzer
Tendenz den Hauptinhalt bilden. Eines dieser Kapitel
behandelt die Organisation der öffentlichen Kunst-
sammlungen und führt den Titel: Musen und Museen.

Der Autor plaidirt für die Pflege der Kunst in
den deutschen Mittelstädten, weil in den Millionen-
städten das atemlose Jagen nach Gewinnst, die Mode-
sucht, die Sittenverderbnis der Kunst nur Nachteil
bringen. Die Mittelstädte wären dagegen, wie
Harlem und Leiden im einstigen Holland, recht
geeignet zu künstlerischen Pflanzstätten.

Aber „Könnerschaft, nicht Kennerschaft sollten
diese Städte treiben", sagt der Autor, — „den Musen,
nicht den Museen sollten sie ihre Kräfte widmen;
kunsterzeugend, nicht kunstverzehrend sollten sie sich
verhalten. Es giebt ein eigentümliches Gesetz der
Geschichte, dass die Dinge sich mit der Zeit in ihr
Gegenteil verkehren: man sieht es an der katholischen
Kirche, deren prunkvolle Hierarchie sehr wenig dem
Sinne Christi entspricht; man sieht es an den deut-
schen Gymnasien, welche das gerade Gegenteil von
den griechischen Gymnasien sind; und man sieht es
nicht zum wenigsten an den heutigen Museen, welche
auf den Namen der Musen gegründet, sich deren
Dienste doch vielfach hinderlich erweisen. Denn
die Musen sind die Vertreterinnen der schöpferischen,
nicht der registrirenden Geistesrichtung". — „Museen
enthalten Dinge, welche aus ihrem organischen Zu-
sammenhange gerissen sind; in der Kunst ist der
organische Zusammenhang aber alles; auch die voll-
kommenste Sammlung von menschlichen Augen, in
Spiritus gesetzt, kann nicht den ganzen Menschen
ersetzen". — „Wie die politische, so hat auch die
künstlerische Freizügigkeit ihre Schattenseiten; sie
führt dazu, dass schliesslich nichts an seinem Platze,
in seiner gebührenden Umgebung, in seiner Heimat
bleibt: das Kunstwerk wird heimatlos, das Schlimmste,
was ihm passiren kann. Dem sollte möglichst ent-
 
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