KUNSTCHRONIK
WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,
HEEAUSGEBEK:
CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST
WIEN
Heugasse 58.
KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.
Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.
Neue Folge. I. Jahrgang.
1889/90.
Nr. 21. 3. April.
Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.
VOM LEIPZIGER MUSEUM.
I.
Der Leipziger Kunstverein giebt in seinem kürz-
lich erschienenen Bericht, welcher die Zeit vom
1. Januar 1887 bis 30. September 1889 in Betracht
zieht, Kunde von den inneren Vorgängen, die ihn
betrafen, und insbesondere über die Bereicherungen
des Leipziger Museums, dem seine Fürsorge gewidmet
ist. Es ist sehr erfreulich, die Fortschritte zu ver-
folgen, welche der Verein seit jener Zeit gemacht
hat und insbesondere die lange Reihe von neuen
Kunstwerken, welche in jener Zeit dem Museum zu-
gewiesen wurden, zu überschauen. Von den 140 Num-
mern, um welche sich der Bestand an Kunstwerken
des Leipziger Museums in zwei und drei Viertel
Jahren vermehrt hat, entstammt die grössere Hälfte
dem Besitze des Herrn Generalkonsuls Alfred Thienie.
Dieser, ein den Kreisen der Fachgelehrten bekannter,
feinsinniger Kenner niederländischer Kunst, ebenso
geschmackvoller wie umsichtiger Sammler, hatte im
Laufe von 25 Jahren eine Privatgalerie von 66 nieder-
ländischen Meistern angesammelt, die er laut Stiftungs-
urkunde „in Anbetracht der bedeutenden Raumver-
grösserung, welche unser städtisches Museum durch
den neuen Anbau erfahren hat, und mit Rücksicht
auf die Armut unserer Galerie an Erzeugnissen der
älteren Kunst zu schenken sich veranlasst findet",
zugleich mit der Aussicht, dass ein nach dem Tode
des Schenkgebers auszuzahlendes Kapital von zehn-
tausend Mark einen Grundstock bilden solle, von
dessen Zinsen bei passender Gelegenheit ältere Bilder
aus der vlämischen und holländischen Schule zu er-
werben seien. Die Sammlung solle als „Thieme'sche
Stiftung" in den Besitz der Stadt übergehen und im
Museum in einem ihr allein anzuweisenden Räume
vereinigt werden. Die Bedingung, welche der Schenk-
geber weiter stellte, bei Lebzeiten über die einzelnen
Bilder für den Schmuck seines eigenen Heims ver-
fügen zu können, ist dadurch erledigt worden, dass
bereits im vergangenen Herbste die letzten sechs
Bilder dem Museum endgültig überwiesen wurden,
da Herr Thieme inzwischen eine ebenso bedeutende,
an kostbaren Schätzen ausserordentlich reiche zweite
Sammlung, die im Leipziger Kunstverein bei Gelegen-
heit der historischen Herbstausstellung allgemein
bekannt wurde, für sich erworben hat und von dem
ausbedungenen Verfügungsrecht deshalb absehen
konnte. Ein auf Veranlassung des Rates der Stadt
Leipzig von Dr. W. Bode in Berlin redigirter Kata-
log giebt genauere Auskunft über die Schätze der
Thieme'schen Stiftung. Es sind, wie gesagt, aus-
schliesslich vlämische und niederländische Meister
des 17. Jahrhunderts; der Katalog — eine eingehende
Würdigung aller Gemälde ist hier nicht möglich —
führt u. a. folgende Namen auf: von Landschafts-
malernivan Goyen (Flachlandschaft vom Jahre 1646),
Salomon Ruijsdael (zwei Landschaften vom Jahre
1634 und 1635), Pieter Molijn d. ä. (Landschaft aus
seiner spätem Zeit, 1659), Cornelis Decker, Nach-
ahmer Jakob Ruijsdaels (Waldlandschaft), Roelof
van Vries und Guilliam Dubois (Waldlandschaften),
Averkamp (eine seiner bekannten Eislandschaften),
Roeland Roghman, Hermann Saftleven, Jan
Weenix (italienischer Hafen), Willaerts (Strand-
landschaft), Wouter Knijff (Flusslandschaft) u. s. w.,
von Genremalern: Jan Steen („Die Köchin" und
„Ausgelassene Gesellschaft"), Adriaan Ostade („Der
WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,
HEEAUSGEBEK:
CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST
WIEN
Heugasse 58.
KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.
Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.
Neue Folge. I. Jahrgang.
1889/90.
Nr. 21. 3. April.
Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.
VOM LEIPZIGER MUSEUM.
I.
Der Leipziger Kunstverein giebt in seinem kürz-
lich erschienenen Bericht, welcher die Zeit vom
1. Januar 1887 bis 30. September 1889 in Betracht
zieht, Kunde von den inneren Vorgängen, die ihn
betrafen, und insbesondere über die Bereicherungen
des Leipziger Museums, dem seine Fürsorge gewidmet
ist. Es ist sehr erfreulich, die Fortschritte zu ver-
folgen, welche der Verein seit jener Zeit gemacht
hat und insbesondere die lange Reihe von neuen
Kunstwerken, welche in jener Zeit dem Museum zu-
gewiesen wurden, zu überschauen. Von den 140 Num-
mern, um welche sich der Bestand an Kunstwerken
des Leipziger Museums in zwei und drei Viertel
Jahren vermehrt hat, entstammt die grössere Hälfte
dem Besitze des Herrn Generalkonsuls Alfred Thienie.
Dieser, ein den Kreisen der Fachgelehrten bekannter,
feinsinniger Kenner niederländischer Kunst, ebenso
geschmackvoller wie umsichtiger Sammler, hatte im
Laufe von 25 Jahren eine Privatgalerie von 66 nieder-
ländischen Meistern angesammelt, die er laut Stiftungs-
urkunde „in Anbetracht der bedeutenden Raumver-
grösserung, welche unser städtisches Museum durch
den neuen Anbau erfahren hat, und mit Rücksicht
auf die Armut unserer Galerie an Erzeugnissen der
älteren Kunst zu schenken sich veranlasst findet",
zugleich mit der Aussicht, dass ein nach dem Tode
des Schenkgebers auszuzahlendes Kapital von zehn-
tausend Mark einen Grundstock bilden solle, von
dessen Zinsen bei passender Gelegenheit ältere Bilder
aus der vlämischen und holländischen Schule zu er-
werben seien. Die Sammlung solle als „Thieme'sche
Stiftung" in den Besitz der Stadt übergehen und im
Museum in einem ihr allein anzuweisenden Räume
vereinigt werden. Die Bedingung, welche der Schenk-
geber weiter stellte, bei Lebzeiten über die einzelnen
Bilder für den Schmuck seines eigenen Heims ver-
fügen zu können, ist dadurch erledigt worden, dass
bereits im vergangenen Herbste die letzten sechs
Bilder dem Museum endgültig überwiesen wurden,
da Herr Thieme inzwischen eine ebenso bedeutende,
an kostbaren Schätzen ausserordentlich reiche zweite
Sammlung, die im Leipziger Kunstverein bei Gelegen-
heit der historischen Herbstausstellung allgemein
bekannt wurde, für sich erworben hat und von dem
ausbedungenen Verfügungsrecht deshalb absehen
konnte. Ein auf Veranlassung des Rates der Stadt
Leipzig von Dr. W. Bode in Berlin redigirter Kata-
log giebt genauere Auskunft über die Schätze der
Thieme'schen Stiftung. Es sind, wie gesagt, aus-
schliesslich vlämische und niederländische Meister
des 17. Jahrhunderts; der Katalog — eine eingehende
Würdigung aller Gemälde ist hier nicht möglich —
führt u. a. folgende Namen auf: von Landschafts-
malernivan Goyen (Flachlandschaft vom Jahre 1646),
Salomon Ruijsdael (zwei Landschaften vom Jahre
1634 und 1635), Pieter Molijn d. ä. (Landschaft aus
seiner spätem Zeit, 1659), Cornelis Decker, Nach-
ahmer Jakob Ruijsdaels (Waldlandschaft), Roelof
van Vries und Guilliam Dubois (Waldlandschaften),
Averkamp (eine seiner bekannten Eislandschaften),
Roeland Roghman, Hermann Saftleven, Jan
Weenix (italienischer Hafen), Willaerts (Strand-
landschaft), Wouter Knijff (Flusslandschaft) u. s. w.,
von Genremalern: Jan Steen („Die Köchin" und
„Ausgelassene Gesellschaft"), Adriaan Ostade („Der