399
Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause. — Zur diplomatischen Wirksamkeit dos Rubens.
400
Anzahl grösserer Bilder auf der Ausstellung erschie-
nen, die durchweg einen bedeutsamen Fortschritt
beurkunden. R. Russ hat nur kleinere Bilder ge-
bracht, worunter aber der „Marktplatz von Friesach"
ihn wieder als Meister der Beleuchtungseffekte kenn-
zeichnet. A. Schäfers „Motiv aus dem Bakonyer-
wald" in Abendstimmung und „Schneesturm an einer
nordischen Küste" sind reizvoll in der Stimmung und
frappiren durch ihre Lichtphänomene. In stets auf-
steigender Linie bewegen sich die Landschaften der
Frau Olga Wiesinger-Florian. Die Farbe wird immer
leuchtender und die Modellirung kraftvoller. Die
„Bauernhöfe" sind in ihrer koloristischen Wirkung
der Nachbarschaft gefährlich, und von bestechendem
malerischen Reiz ist das Strandmotiv bei Abbazia.
Zetsche, L-ichtenfels, OnJcen, Schnidler, sowie Brioschi
und Hugo Clmrlemont haben, wenn auch kleinere,
aber immerhin wertvolle Gaben der Ausstellung ein-
verleibt. Von auswärtigen Künstlern sind Normann,
Baisch, Grebe und Zoff mit tüchtigen Leistungen
vertreten.
Auffällig zahlreich ist die Stilllebenmalerei vorhan-
den, darunter ganz Rühmliches von Biermine v. Preu-
sclien, L. EM und E. Gharlemont. Man ist ab und zu
fast verleitet, es zu bedauern, dass so viel Können
und Fleiss für leblose Dinge verwendet werden.
Wie oben angedeutet, bietet die Ausstellung der
Aquarelle und Pastelle diesmal viel Anregendes und
Interessantes. Im Pastellporträt gefällt sich neuestens
namentlich die Frauenwelt, und es hat dies seine
guten Gründe. Der Vortrag ist ungleich zarter und
leichter als in der Oltechnik, und die graziöse Linie
gelangt oft in der flotten Zeichnung weit mehr zur
Geltung als in der vollen Modellirung; überdies
placiren sich Pastelle auch vorzüglich in den Salons
und sonstigen Wohnräumen. Nachdem zahlreiche
Künstler sich dieser dankbaren Technik wieder zu-
gewendet haben, wächst auch das Interesse des
Publikums dafür. Neben unseren anerkannten
Meistern des Pastells Fröschl, Decker, Miclialek etc.
beherbergt die Ausstellung diesmal auch eine Reihe
vorzüglicher Bilder von Clemens Pausinger (München),
Frida Menshausen (Kassel) und Therese Schwarte
(Amsterdam); von letzterer Künstlerin ein reizendes
Bildnis der Komtesse Salm. Unter den Aquarellen
finden namentlich die beiden grossen Innenansichten
des alten Burgtheaters vielen Beifall, zumal die
Künstler (Klimt und Matsch) den historischen Raum
mit bekannten Wiener Persönlichkeiten staffirt haben.
Treffliche Architekturen und landschaftliche Auf-
nahmen haben Bernt, Giesel, R. Alt geliefert und im
Porträt stehen wieder Charlotte Lehmann und Josefine
Sivoboda voran. Von Leop. Schauer verzeichnen wir
ein reizend komponirtes Aquarelltableau zu Hauffs
Märchen „Kalif Storch". Von imposantem Eindruck
ist die grosse Tuschzeichnung Weeser-Krells „Die
Peterskirche und der Vatikan aus der Vogelschau".
Nicht ferne davon hängt ein beachtenswertes Pro-
jekt für die Umgestaltung des Platzes vor der Karls-
kirche im Sinne der Berninischen Kolonnadenanlage
von St. Peter von dem begabten Wiener Architekten
Fr. Schachner, eine Idee, durch deren Ausführung
das Werk Fischers mächtig gehoben würde. Aus
den Blättern der graphischen Kunst ragt der Stich
Gust. Franks nach Canons „Loge Johannis" aus dem
Wiener Belvedere als tüchtige Leistung hervor; der
Künstler, ein Schüler Prof. Sonnenleiters, hat seit
Jahren mit voller Liebe an dem Blatte gearbeitet,
welches nunmehr vollendet, sowohl ihm als seinem
Lehrmeister zur Ehre gereicht.
J. LANGL.
ZUR DIPLOMATISCHEN WIRKSAMKEIT
DES RUBENS.
Die unten mitgeteilten vier Schriftstücke, von
Rubens' Hand geschrieben, (zwei Briefe, ein Avis
und ein Billet), sind einem handschriftlichen Sammel-
bande der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel
(7. 6. Aug. Fol.) entnommen, der ausser ihnen eine
grosse Anzahl von Papieren zur Geschichte des west-
lichen Europas, namentlich der Niederlande, im 16.
und 17. Jahrhundert enthält. Meines Wissens sind
sie sämtlich noch ungedruckt und verdienen daher
wohl veröffentlicht zu werden. Sie beziehen sich
zwar nicht auf die künstlerische Thätigkeit des
grossen flamändischen Malers, aber sie sind als Bei-
träge zu seiner diplomatischen Wirksamkeit nicht
ohne Bedeutung, da diese letztere bis jetzt nur un-
vollkommen aufgeklärt ist und namentlich ihr An-
fang, auf den diese Aktenstücke Bezug haben, fast
noch völlig im Dunkeln liegt. Ihr Inhalt giebt
mancherlei Rätsel auf: namentlich ist es mir mit
nur einer Ausnahme (11= Prinz Moriz von Nassau-
Oranien) nicht gelungen, die hie und da in ihnen
begegnenden Chiffers (3: 12- 14. 26 u. s. w.) zu ent-
rätseln. So viel erhellt indes, dass sich die beiden
Briefe (I und II) und auch wohl die beiden klei-
neren Aktenstücke (III und IV) auf die Verhand-
lungen beziehen, welche in der ersten Hälfte der
zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts über die Ver-
einbarung eines Waffenstillstandes zwischen dem
Hofe von Brüssel und den Generalstaaten geführt
Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause. — Zur diplomatischen Wirksamkeit dos Rubens.
400
Anzahl grösserer Bilder auf der Ausstellung erschie-
nen, die durchweg einen bedeutsamen Fortschritt
beurkunden. R. Russ hat nur kleinere Bilder ge-
bracht, worunter aber der „Marktplatz von Friesach"
ihn wieder als Meister der Beleuchtungseffekte kenn-
zeichnet. A. Schäfers „Motiv aus dem Bakonyer-
wald" in Abendstimmung und „Schneesturm an einer
nordischen Küste" sind reizvoll in der Stimmung und
frappiren durch ihre Lichtphänomene. In stets auf-
steigender Linie bewegen sich die Landschaften der
Frau Olga Wiesinger-Florian. Die Farbe wird immer
leuchtender und die Modellirung kraftvoller. Die
„Bauernhöfe" sind in ihrer koloristischen Wirkung
der Nachbarschaft gefährlich, und von bestechendem
malerischen Reiz ist das Strandmotiv bei Abbazia.
Zetsche, L-ichtenfels, OnJcen, Schnidler, sowie Brioschi
und Hugo Clmrlemont haben, wenn auch kleinere,
aber immerhin wertvolle Gaben der Ausstellung ein-
verleibt. Von auswärtigen Künstlern sind Normann,
Baisch, Grebe und Zoff mit tüchtigen Leistungen
vertreten.
Auffällig zahlreich ist die Stilllebenmalerei vorhan-
den, darunter ganz Rühmliches von Biermine v. Preu-
sclien, L. EM und E. Gharlemont. Man ist ab und zu
fast verleitet, es zu bedauern, dass so viel Können
und Fleiss für leblose Dinge verwendet werden.
Wie oben angedeutet, bietet die Ausstellung der
Aquarelle und Pastelle diesmal viel Anregendes und
Interessantes. Im Pastellporträt gefällt sich neuestens
namentlich die Frauenwelt, und es hat dies seine
guten Gründe. Der Vortrag ist ungleich zarter und
leichter als in der Oltechnik, und die graziöse Linie
gelangt oft in der flotten Zeichnung weit mehr zur
Geltung als in der vollen Modellirung; überdies
placiren sich Pastelle auch vorzüglich in den Salons
und sonstigen Wohnräumen. Nachdem zahlreiche
Künstler sich dieser dankbaren Technik wieder zu-
gewendet haben, wächst auch das Interesse des
Publikums dafür. Neben unseren anerkannten
Meistern des Pastells Fröschl, Decker, Miclialek etc.
beherbergt die Ausstellung diesmal auch eine Reihe
vorzüglicher Bilder von Clemens Pausinger (München),
Frida Menshausen (Kassel) und Therese Schwarte
(Amsterdam); von letzterer Künstlerin ein reizendes
Bildnis der Komtesse Salm. Unter den Aquarellen
finden namentlich die beiden grossen Innenansichten
des alten Burgtheaters vielen Beifall, zumal die
Künstler (Klimt und Matsch) den historischen Raum
mit bekannten Wiener Persönlichkeiten staffirt haben.
Treffliche Architekturen und landschaftliche Auf-
nahmen haben Bernt, Giesel, R. Alt geliefert und im
Porträt stehen wieder Charlotte Lehmann und Josefine
Sivoboda voran. Von Leop. Schauer verzeichnen wir
ein reizend komponirtes Aquarelltableau zu Hauffs
Märchen „Kalif Storch". Von imposantem Eindruck
ist die grosse Tuschzeichnung Weeser-Krells „Die
Peterskirche und der Vatikan aus der Vogelschau".
Nicht ferne davon hängt ein beachtenswertes Pro-
jekt für die Umgestaltung des Platzes vor der Karls-
kirche im Sinne der Berninischen Kolonnadenanlage
von St. Peter von dem begabten Wiener Architekten
Fr. Schachner, eine Idee, durch deren Ausführung
das Werk Fischers mächtig gehoben würde. Aus
den Blättern der graphischen Kunst ragt der Stich
Gust. Franks nach Canons „Loge Johannis" aus dem
Wiener Belvedere als tüchtige Leistung hervor; der
Künstler, ein Schüler Prof. Sonnenleiters, hat seit
Jahren mit voller Liebe an dem Blatte gearbeitet,
welches nunmehr vollendet, sowohl ihm als seinem
Lehrmeister zur Ehre gereicht.
J. LANGL.
ZUR DIPLOMATISCHEN WIRKSAMKEIT
DES RUBENS.
Die unten mitgeteilten vier Schriftstücke, von
Rubens' Hand geschrieben, (zwei Briefe, ein Avis
und ein Billet), sind einem handschriftlichen Sammel-
bande der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel
(7. 6. Aug. Fol.) entnommen, der ausser ihnen eine
grosse Anzahl von Papieren zur Geschichte des west-
lichen Europas, namentlich der Niederlande, im 16.
und 17. Jahrhundert enthält. Meines Wissens sind
sie sämtlich noch ungedruckt und verdienen daher
wohl veröffentlicht zu werden. Sie beziehen sich
zwar nicht auf die künstlerische Thätigkeit des
grossen flamändischen Malers, aber sie sind als Bei-
träge zu seiner diplomatischen Wirksamkeit nicht
ohne Bedeutung, da diese letztere bis jetzt nur un-
vollkommen aufgeklärt ist und namentlich ihr An-
fang, auf den diese Aktenstücke Bezug haben, fast
noch völlig im Dunkeln liegt. Ihr Inhalt giebt
mancherlei Rätsel auf: namentlich ist es mir mit
nur einer Ausnahme (11= Prinz Moriz von Nassau-
Oranien) nicht gelungen, die hie und da in ihnen
begegnenden Chiffers (3: 12- 14. 26 u. s. w.) zu ent-
rätseln. So viel erhellt indes, dass sich die beiden
Briefe (I und II) und auch wohl die beiden klei-
neren Aktenstücke (III und IV) auf die Verhand-
lungen beziehen, welche in der ersten Hälfte der
zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts über die Ver-
einbarung eines Waffenstillstandes zwischen dem
Hofe von Brüssel und den Generalstaaten geführt