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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Die erste nationale Kunstausstellung in Bern
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Aus dem Mauritshuis in Haag
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0232

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Aus dem Mauritshuis im Haag.

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kann nicht ohne Trauern auf diese Gemälde blicken
welche so furchtbar deutlich das absolute Erlahmt-
sein der Kraft predigen. Im Interesse des Malers,
R. Koller könnte man nur wünschen, er möge seinen
Pinsel beiseite legen, damit er sich seine alten Er-
folge nicht wieder ganz wegmale. Auch A. Stabil
hat in seiner „Überschwemmung" nicht sehr viel zu
seiner weiteren Empfehlung gethan. Das Bild ist
nicht unbedeutend in der Auffassung, auch die Far-
benstimmung ist nicht übel, aber besonders in den
Lichtern so kalt, und die Bäume sind so sehr von
— Holz. Als ein halbes Kuriosum müssen wir be-
merken, dass einzelne Landschaften vorkommen,
welche ganz niederländisch angehaucht sind, als ob
sie direkt aus dem 17. Jahrhundert herstammten.
Von Berner Künstlern wollen wir schliesslich noch
zwei hervorheben, welche uns beide überrascht haben.
Dietzi dadurch, dass er in seinen verblasenen Por-
träts unter seinem Niveau blieb, und Lüthi durch
seine reizend durchgeführte junge Christin in den
Katakomben, welche nur in der Farbe ein wenig zu
weichlich ist. Auch der „Feldtelegraph" von Th.
Vollmar gereicht der bernischen Künstlerschaft nur
zur Ehre.

Die Aquarelle und Pastellbilder überragen
schlechthin gesprochen die Malerei in Ol an Güte.
Es sind ihrer nicht gar viele, aber darunter befinden
sich vortreffliche. Die Gouachebildchen von Hebert,
die Aquarelle von Bitrnat, die gewandt, aber hin
und wieder etwas fleckig sind, die von Chahelain,
Orosnier, Piguet u. a. zeigen die hervorragenden Eigen-
schaften der französischen Schule in dieser Richtung.
Unter den Pastellarbeiten stehen zwei köstliche
Girardet an der Spitze; die brillante Dame von
Höflinger, welche den ersten Arbeiten auf der Aus-
stellung zuzurechnen ist, die ausserordentlich leben-
dig gehaltenen drei Hundsköpfe von Hügli dürften
ihm aber nicht zu weichen haben.

Auch unter den Radirungen und Stichen sind
einzelne gute Sachen zu finden. Es herrscht in der
ersteren die Rembrandtsche Manier vor; von der
nur noch eine leichtere, spielendere Nadel anzu-
nehmen wäre. — Die Zeichnungen bieten nichts be-
sonderes. In ihrer Nähe sind auch die Plane des
Architekten Tieche zu dem neuen Nationalmuseum
angebracht. Die Raumdisposition scheint nicht un-
praktisch zu sein; die Fassade zeugt aber von wenig
eigenem Geschmack, hat sehr viel korrekte Schule
und erinnert ganz flüchtig mit ihren Türmlein und
Spitzen an irgend ein Festgebäude.

Der kleinen plastischen Abteilung wären nur

wenige Worte zu widmen. Einzelne niedliche Genre-
stückchen in Marmor und schlechter Bronze, eine
leider in den Gewandmassen zu schwer gehaltene,
sonst gute Grabfigur von Kissling, ein überaus rea-
listischer schlafender Knabe von Ghialtoni, ein ziem-
lich schwacher Calvin von Beymond, ein nicht übler
Fischerknabe von Sehlöth und noch dies und jenes
andere Stück möchten die Aufmerksamkeit auf sich
lenken.

Endlich seien noch die paar Emailmalereien von
Autran, denen die genügende Leichtigkeit des Auf-
trages und die Wärme der Farben fehlt, sowie die
Medaillen, unter denen einzelne gute Arbeiten sind,

flüchtig genannt.

h—.

AUS DEM MAURITSHUIS IM HAAG.

Im Mauritshuis ist durch Dr. JBredius am 1. Mai
eine grosse und wohlthätige Veränderung in An-
ordnung der Gemälde und teilweiser Neuausstattung
der Räume glücklich vollendet worden. Das ganze
Erdgeschoss hat eine neue dunkelrote Stofftapete
erhalten, von welcher sich die Gemälde trefflich ab-
heben, die Böden sind geschmackvoll und vornehm
parkettirt. Das frühere Chaos der Schulen ist da-
durch beseitigt, dass in diesen neu equipirten Räu-
men nun mit wenigen Ausnahmen nur Altnieder-
länder, Altdeutsche, vor allem aber Vlamen und
italisirende Holländer beherbergt werden und alle
unter sich nach Schulen geschieden sind, wodurch
sowohl das Auge als auch der historische Sinn des Be-
schauers ihre Rechnung finden. Zu den fünf früheren
Gemächern ist vom Direktor Bredius ein kleiner
sechster Raum hinzugewonnen, in welchem er den
schönen Roger van der Weyden (diesen auf einer
besonderen, mit dunkelrotem Plüsch ausgestatteten
Scheerwand) und die beiden interessanten Jacob
Cornelisz van Oostsanen untergebracht hat.

Sehr gewonnen haben durch die Umhängung
vor allem zwei intime Werke von Rubens, die bis-
her an den Rückwänden im halben Dunkel hingen
und entfernt nicht so zur Geltung kamen, wie jetzt
an den beiden neuen Wänden am Fenster im Entree-
zimmer, — wir meinen das herrliche Paradies und
das Abundantiabild, bei denen bekanntlich Jan
Brueghel das Landschaftliche, die Tiere und Früchte
malte. Das letztere hat man geglaubt nur dem
Atelier des Rubens zuweisen zu sollen, aber mit
Unrecht. In dem helleren Lichte tritt schlagend
die eigene Hand des Meisters zu Tage, nur dass
 
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