Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI article:
Aus Kassel
DOI article:
Lepszy, Leonard: Die Restauration der Marienkirche in Krakau
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0268

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
523

Aus Kassel. — Die Restauration der Marienkirche in Krakau.

524

AUS KASSEL.

Ende Juli 1890.

RR. Die diesjährige Ausstellung der Schüler-
arbeiten unserer Kunstakademie ist soehen eröffnet.
Drei Säle enthalten die Zeichnungen und Aquarelle,
einer die Ölmalereien. Die Zahl der Akademieschüler,
unter denen das weibliche Element zu überwiegen
scheint, hat sich seit der Reorganisation der Anstalt
nicht in der Weise, die erstrebt und erhofft wurde,
vermehrt, doch sind die Leistungen, namentlich auf
dem landschaftlichen Gebiete durchweg befriedigend.
In der Atelierklasse (Malklasse) hat nur ein Schüler
ausgestellt, der aber sowohl in seinen Porträts als auch
in den von ihm komponirten Genrebildern ein tüch-
tiges Können verrät.

Das an die Ausstellungsräume anschliessende
Atelier des Akademiedirektors KoUlz ist gleich-
falls dem Publikum geöffnet und enthält eine
Anzahl bereits früher besprochener Gemälde des-
selben, Scenen aus dem deutsch - französischen
Kriege, Porträts, Landschaften, sowie einige Ent-
würfe des interessanten Preskogemäldes für den
Justizpalast, an dem Kolitz jetzt noch arbeitet.
Dieses Bild befindet sich in dem ersten Stockwerke
des Treppenhauses des prächtigen Backsteinbaues,
der sich in einem grossen Quadrate an Stelle der
alten Kattenburg erhebt und die Diensträume der
Justiz und der Regierung umfasst. Das Kultus-
ministerium hat hier zwei gegenüberliegende Wand-
flächen zur Bemalung ausersehen, von denen die
eine das Kolitzsche Bild „ein Maifeld" zwischen
zwei bereits im Jahre 1882 vollendeten Allegorien
von Professor Jos. Scheurenberg „die Weisheit" und
„die Gerechtigkeit" trägt, die andere ebenfalls zwi-
schen zwei Darstellungen desselben Meisters, „die
Tapferkeit" und „die Mässigung", demnächst das Bild
des Professors Knack fuss, „die Überreichung des
vollendeten Codex an den Kaiser Justinian" erhalten
wird. Das Kolitzsche Gemälde ist fast vollendet und
hebt sich durch seine lebhafte Farbengebung und
seine reiche Komposition sehr wirkungsvoll zwischen
den mehr freskenhaft gehaltenen Scheurenbergschen
Darstellungen hervor. Hell beleuchtet der Maien-
sonnenschein das frische junge Grün der Malstätte
und die mit Zinnen und Türmen auf einem Berge
im Hintergrunde gelegene Feste und den von Fahr-
zeugen belebten, hügelumkränzten Strom. Rechts
unter einer mächtigen Linde, an der Schwert und
Schild aufgehängt sind, sitzt unter purpurnem
Baldachin der Kaiser mit den weltlichen und

geistlichen Fürsten zu Gericht über zwei vor ihnen
kuieende Edlen, welche sich auf die Anklage einer
seitwärts stehenden, in schwarze Trauergewänder
gehüllten Frauengestalt, an die sich zwei Knaben
drängen, verantworten. Neben dem Kaiser steht
der Kanzler, hinter ihm mit der roten Gerichtsfahne
sein Schwertträger, das Pferd am Zügel führend.
Gewappnete zu Fuss und zu Pferd, ebenfalls mit
der roten Blutfahne, halten Ordnung in dem abge-
steckten Ring und bewachen die Schranken, um
welche sich in buntem Getümmel die Zuschauer,
Männer und Frauen, Krieger und fahrendes Volk
drängen,

Die Komposition des figurenreichen mächtigen
Bildes ist durchweg gelungen und edel, das Kolorit
vortrefflich und die Durchführung sowohl der land-
schaftlichen, als auch der figürlichen Partien meister-
haft. Sobald die letzte Hand an dies Gemälde gelegt
ist, wird Prof. Knackfuss seines beginnen und dann
hoffentlich vor Anfang des Winters die prächtige
Dekoration des Treppenhauses, deren Herstellung
sich acht Jahre verzögert hat, vollendet sein.

DIE RESTAURATION DER MARIENKIRCHE
IN KRAKAU.

Am 31. März d. J. fand die feierliche kirchliche
Einweihung und Eröffnung des neurestaurirten Pres-
byteriums der Marienkirche zu Krakau statt. Be-
kanntlich wurde der Grundstein zu dieser gotischen
Stadtkirche im Jahre 1226 gelegt und um die Mitte
des 14. Jahrh. der Chor von dem Unterschatzmeister
des Königs Kasimir d. Gr., Nikolaus Wirsing, neu er-
baut. Im vorigen Jahrhundert wurde das Innere
durch barocke Zuthaten gänzlich entstellt.

Die Renovirung hat im Januar 1889 begonnen.
Nach Entfernung der Tünche, der Stnckaturen und
getünchten Bretterverschalungen kamen birnenförmig
gegliederte, steinerne Dienstbündel zum Vorschein.
Diese Gurtträger, unterbrochen von Nischen mit gut
erhaltenen Konsolen und Baldachinen, waren über-
ragt durch schöne, ungemein fein ausgemeisselte
Kapitale und das mit Quaderstein ausgefütterte
Fenstergewände zeigte, analog den Pfostenkapitälen,
ein aus vergoldetem Laubwerk gebildetes Kämpfer-
gesims mit dem ursprünglichen kräftigen Blau des
Hintergrundes. Eine Überraschung bereitete dem
Baukomitee die Auffindung eines geblendeten, aus
sechs Vertiefungen bestehenden Trifoliums mit schö-
nen Masswerken an der nördlichen Wand der Kirche
 
Annotationen