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Die akademische Ausstellung in Berlin.
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denen süddeutschen Plätzen einen eigenartigen Ita-
lismus ausgebildet haben; aber auch als Architekt
scheint Colin in die Entwickelung der Deutsch-
renaissance an entscheidender Baustelle eingegriffen
zu haben. Darf der Versicherung seines Sohnes in
dem erwähnten Bittgesuch Glauben geschenkt werden,
so bat er mit seinem Stabe von zwölf Gesellen nicht
allein den Skulpturenschmuck an der Fassade des
Otto-Heinrichsbaues mit Ausnahme des Prachtportals
gearbeitet, sondern hat auch an Stelle des 1558 wahr-
scheinlich mit Tod abgegangenen Bildhauers An-
thoni der Bauleitung als „Werkmeister" vorge-
standen. Man sieht, Schönherrs Untersuchungen
gewähren über die Zusammenfassung biographischer
Nachweise hinaus vielfach neue Einblicke auch in
das Schaffen Colins, über dessen Künstlerpersönlich-
keit freilich erst nach der hier angebahnten Ver-
vollständigung seines Werkes ein erschöpfendes Ur-
teil spruchreif erscheinen wird.
E. STIASSNY.
DIE AKADEMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG
IN BERLIN.
IL
Neben den Bildern aus der neueren Geschichte,
zu welchen noch später, lange nach Abschluss unseres
ersten Berichtes, ein Gemälde von Georg Koch, „Kaiser
Friedrichs III. erste und einzige Heerschau im Parke
von Charlottenburg", hinzugekommen ist, streng ge-
nommen nur eine in der nüchternen Art A. v. Werners
behandelte Wiedergabe eines für die Augenzeugen
ergreifenden und wichtigen Moments, hat die bib-
lische Malerei einen fast gleichen Raum beansprucht,
aber einen geringeren Erfolg davongetragen. Einer
ihrer Vertreter, Louis Feldmann in Düsseldorf, ist
zwar durch eine ehrenvolle Erwähnung ausgezeichnet
worden, aber das heisst eigentlich eine Prämie
auf die Nachahmung aussetzen. Denn sein figuren-
reiches Bild „Der ungläubige Thomas", welcher
dem Heiland, der die in einem Kellerraume ver-
sammelten Jünger aufgesucht hat, reuevoll zu Füssen
gefallen ist, besitzt nicht eine Spur von eigener An-
schauungs- und Darstellungskraft. Es ist in allen
wesentlichen Punkten, selbst hinsichtlich der Aus-
wahl der benutzten Charakterköpfe, eine Umschrei-
bung des gleichen Bildes, welches E. von Geb-
hardt in diesem Jahre in München ausgestellt hat,
gewissermassen die Variation eines Themas, wel-
ches ein Akademieprofessor seinen Schülern ftellte.
Und Nachahmer ohne selbständige Regungen sind
auch die meisten übrigen Maler, welche biblische
Motive behandelt haben, die bekannten und die bis-
her unbekannten. Die „Grablegung Christi" von
Franz Heynaclier in Berlin ist eine Studie nach Roger
van der Weyden und Memling, „Johannes der Täufer
und die Abgesandten der Pharisäer" von W. Stein-
hausen in Frankfurt a. M., eine Reihe von Halb-
figuren, welche sich in dünner Malerei gegen eine
himmelblaue Gebirgskette absetzen, sind schwäch-
liche Abstraktionen aus Quentin Massys, dem älteren
Holbein und dem jungen Dürer. Unter vorwiegend
venezianischem Einfluss stehen die von unbestimmtem
Dämmerlicht umflossene Madonna mit dem Kinde
und drei musizirenden Engeln von Wilhelm Dürr,
welche schon oft ausgestellt und gepriesen worden
ist, aber noch immer keinen Käufer gefunden hat,
«Jesus und die Jünger von Emmaus" von Louis Räch
in München, der übrigens auch nach einer mehr
herben Charakteristik in der Art von Gebhardt und
Uhde zu streben scheint, die „Ruhe auf der Flucht
nach Ägypten" von Max Dasio in München, ein Bild
gleichen Inhalts von B. Flockhorst in Berlin, der
freilich mehr einer eklektischen Richtung huldigt
und seinen koloristischen Stil auch nach Guido Reni,
Domenichino und Rubens gebildet hat, und der auf-
erstandene Christus von dem in Paris lebenden
Ludwig von Ilofmann, welcher etwas von dem schwär-
merischen Mystizismus eines Gabriel Max hat. Ein
,Zwölfjähriger Jesus im Tempel" von Wilhelm
Stryowski in Danzig ist eine Übersetzung des bibli-
schen Vorganges — frei nach Menzel — in den
modernen polnisch-jüdischen Dialekt, eine ethnolo-
gische Studie, welche von irgend einem Erbauungs-
zwecke weit entfernt ist, ebenso wie der*Landschafts-
maler A. v. Meckel das Motiv „Hagar und Ismael"
nur benutzt hat, um seine in Syrien und Palästina
gemachten Wüstenstudien einmal mit einem jeder-
mann geläufigen Vorgange in Verbindung zu bringen.
Fritz von Uhde's „Heilige Nacht", in welcher der
Maler seinem naturalistischen Prinzip zuliebe so
viel gethan hat, dass ihm zu tluni last nichts mehr
übrig bleibt, der „Christus consolator" von Ernst
Zimmermann, der Christmorgen von Alexander Golz,
einem Schüler Feuerbachs, und der Tod der heiligen
Elisabeth von /. Flüggen sind durch die Ausstellungen
des Jahres 1888 so bekannt geworden, dass der Be-
richterstatter von 1889 nur sein Bedauern darüber
ausprechen kann, dass so ernsthafte Bestrebungen
bei Galerievorständen und reichen Sammlern so ge-
ringes Entgegenkommen finden und dass trotz der
wunderbaren Organisation unseres Ausstellungswesens
Die akademische Ausstellung in Berlin.
70
denen süddeutschen Plätzen einen eigenartigen Ita-
lismus ausgebildet haben; aber auch als Architekt
scheint Colin in die Entwickelung der Deutsch-
renaissance an entscheidender Baustelle eingegriffen
zu haben. Darf der Versicherung seines Sohnes in
dem erwähnten Bittgesuch Glauben geschenkt werden,
so bat er mit seinem Stabe von zwölf Gesellen nicht
allein den Skulpturenschmuck an der Fassade des
Otto-Heinrichsbaues mit Ausnahme des Prachtportals
gearbeitet, sondern hat auch an Stelle des 1558 wahr-
scheinlich mit Tod abgegangenen Bildhauers An-
thoni der Bauleitung als „Werkmeister" vorge-
standen. Man sieht, Schönherrs Untersuchungen
gewähren über die Zusammenfassung biographischer
Nachweise hinaus vielfach neue Einblicke auch in
das Schaffen Colins, über dessen Künstlerpersönlich-
keit freilich erst nach der hier angebahnten Ver-
vollständigung seines Werkes ein erschöpfendes Ur-
teil spruchreif erscheinen wird.
E. STIASSNY.
DIE AKADEMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG
IN BERLIN.
IL
Neben den Bildern aus der neueren Geschichte,
zu welchen noch später, lange nach Abschluss unseres
ersten Berichtes, ein Gemälde von Georg Koch, „Kaiser
Friedrichs III. erste und einzige Heerschau im Parke
von Charlottenburg", hinzugekommen ist, streng ge-
nommen nur eine in der nüchternen Art A. v. Werners
behandelte Wiedergabe eines für die Augenzeugen
ergreifenden und wichtigen Moments, hat die bib-
lische Malerei einen fast gleichen Raum beansprucht,
aber einen geringeren Erfolg davongetragen. Einer
ihrer Vertreter, Louis Feldmann in Düsseldorf, ist
zwar durch eine ehrenvolle Erwähnung ausgezeichnet
worden, aber das heisst eigentlich eine Prämie
auf die Nachahmung aussetzen. Denn sein figuren-
reiches Bild „Der ungläubige Thomas", welcher
dem Heiland, der die in einem Kellerraume ver-
sammelten Jünger aufgesucht hat, reuevoll zu Füssen
gefallen ist, besitzt nicht eine Spur von eigener An-
schauungs- und Darstellungskraft. Es ist in allen
wesentlichen Punkten, selbst hinsichtlich der Aus-
wahl der benutzten Charakterköpfe, eine Umschrei-
bung des gleichen Bildes, welches E. von Geb-
hardt in diesem Jahre in München ausgestellt hat,
gewissermassen die Variation eines Themas, wel-
ches ein Akademieprofessor seinen Schülern ftellte.
Und Nachahmer ohne selbständige Regungen sind
auch die meisten übrigen Maler, welche biblische
Motive behandelt haben, die bekannten und die bis-
her unbekannten. Die „Grablegung Christi" von
Franz Heynaclier in Berlin ist eine Studie nach Roger
van der Weyden und Memling, „Johannes der Täufer
und die Abgesandten der Pharisäer" von W. Stein-
hausen in Frankfurt a. M., eine Reihe von Halb-
figuren, welche sich in dünner Malerei gegen eine
himmelblaue Gebirgskette absetzen, sind schwäch-
liche Abstraktionen aus Quentin Massys, dem älteren
Holbein und dem jungen Dürer. Unter vorwiegend
venezianischem Einfluss stehen die von unbestimmtem
Dämmerlicht umflossene Madonna mit dem Kinde
und drei musizirenden Engeln von Wilhelm Dürr,
welche schon oft ausgestellt und gepriesen worden
ist, aber noch immer keinen Käufer gefunden hat,
«Jesus und die Jünger von Emmaus" von Louis Räch
in München, der übrigens auch nach einer mehr
herben Charakteristik in der Art von Gebhardt und
Uhde zu streben scheint, die „Ruhe auf der Flucht
nach Ägypten" von Max Dasio in München, ein Bild
gleichen Inhalts von B. Flockhorst in Berlin, der
freilich mehr einer eklektischen Richtung huldigt
und seinen koloristischen Stil auch nach Guido Reni,
Domenichino und Rubens gebildet hat, und der auf-
erstandene Christus von dem in Paris lebenden
Ludwig von Ilofmann, welcher etwas von dem schwär-
merischen Mystizismus eines Gabriel Max hat. Ein
,Zwölfjähriger Jesus im Tempel" von Wilhelm
Stryowski in Danzig ist eine Übersetzung des bibli-
schen Vorganges — frei nach Menzel — in den
modernen polnisch-jüdischen Dialekt, eine ethnolo-
gische Studie, welche von irgend einem Erbauungs-
zwecke weit entfernt ist, ebenso wie der*Landschafts-
maler A. v. Meckel das Motiv „Hagar und Ismael"
nur benutzt hat, um seine in Syrien und Palästina
gemachten Wüstenstudien einmal mit einem jeder-
mann geläufigen Vorgange in Verbindung zu bringen.
Fritz von Uhde's „Heilige Nacht", in welcher der
Maler seinem naturalistischen Prinzip zuliebe so
viel gethan hat, dass ihm zu tluni last nichts mehr
übrig bleibt, der „Christus consolator" von Ernst
Zimmermann, der Christmorgen von Alexander Golz,
einem Schüler Feuerbachs, und der Tod der heiligen
Elisabeth von /. Flüggen sind durch die Ausstellungen
des Jahres 1888 so bekannt geworden, dass der Be-
richterstatter von 1889 nur sein Bedauern darüber
ausprechen kann, dass so ernsthafte Bestrebungen
bei Galerievorständen und reichen Sammlern so ge-
ringes Entgegenkommen finden und dass trotz der
wunderbaren Organisation unseres Ausstellungswesens