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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Hofmann, Albert: Friedrich Spitzer
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0235

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Friedrich Spitzer.

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und Burgen, die Tapeten und Gobelins aus den be-
rühmtesten Stätten vläniisch-altfranzösischen Kunst-
fleisses. Mehr als ein altes italienisches Schloss gab
seine Kamine und Wandfresken für die Dekoration
dieses Privatmuseums her."

Die Museumsräume liegen im zweiten Geschoss.
Zur rechten des Vorplatzes, der mit auserlesenen
Tapisserien der Renaissance geschmückt ist, tritt
man in die prächtig ausgestattete Halle. An den
Wänden finden sich hier spanisch-maurische Thon-
arbeiten und eine Reihe der schönsten Wandbehänge
aus Flandern und Italien und zwar eine Anbetung
der Weisen und eine Verkündigung aus Mantua,
eine „Ruhe der heil. Familie auf der Flucht nach
Ägypten", eine Anbetung der Hirten etc. aus flan-
drischen Werkstätten. Die Thüren sind spanische
Bolzschnitzereien des 16. Jahrhunderts, der Kamin
stammt von Arnay-le-Duc. Lyoneser und burgun-
dische Möbel, Tische aus der Zeit Heinrichs H., spa-
nische Kastenmöbel, Bronzen mit herrlicher Pa-
tina etc. bilden die übrige Ausstattung des Raumes.

Ein anderer Saal ist ganz der französischen Re-
naissance gewidmet. Limousiner Emails von dem
archaistischen Stile des Nardon Penicaud bis zu den
feinen Malereien eines Jean Penicaud, Leonard Li-
mosin, Couly Noylier, Pierre Reymond, Jean Cour-
teys; Henri H.-Fayencen, die prächtigen Erzeugnisse
des Bernard Palissy mit den edel modellirten Figuren
und der harmonischen Farbengebung fallen hier
besonders in die Augen. Goldschmiedekunst, ge-
schmiedetes und geschnittenes Eisen feiern hier ihre
Triumphe. Das Elfenbein ist in den schönsten
Schnitzereien vertreten.

Eine besondere Vorliebe hatte Spitzer für das
Mittelalter. Wer das Museum noch nicht kannte,
der konnte auf der letzten Weltausstellung den über-
raschenden Reichtum an wunderbaren romanischen
und gotischen Reliquiarien mit Email- und plastischer
Dekoration bewundern. Das mittelalterliche Frank-
reich hat in dieser Hinsicht eine grosse Produktions-
kraft entwickelt, und zur Zeit, als Spitzer anfing zu
sammeln, war noch manches Kapitalstück dem Er-
werb zugänglich.

Das Altertum ist durch die überaus liebenswür-
digen Terrakotten von Tanagra in den schönsten
Exemplaren vertreten. Auch Kleinasien zollt seinen
Tribut. Eine Reihe antiker Bronzen reiht sich hier
würdig an. Im grossen und ganzen aber war das
Augenmerk Spitzers mehr auf das Mittelalter und
die Renaissance gerichtet, welche Stilrichtnngen denn
auch durch unvergleichliche Exemplare vertreten

sind. Der Name Luca della Robbia ist mehrere
Male in buntglasirten Terrakottareliefs vertreten. Was
die herrliche Waffensammlung enthält," ist zu um-
fangreich, um hier auch nur auszugsweise erwähnt
werden zu können. Hervorgehoben werden möge
ausser der schon erwähnten Rüstung Karls V. eine
Nürnberger Stahlrüstung^ des 15. Jahrhunderts, ähn-
lich derjenigen, welche von Maximilian I. in den
Wiener Hofmuseen aufbewahrt wird, ein Meisterstück
der Plattnerkunst und eine Halbrüstung des 16. Jahr-
hunderts, deren verschiedene Teile mit getriebenen
Kriegstrophäen, Schlachtendarstellungen etc. ge-
schmückt sind und welche in England mit 500 000 Frs.
bezahlt wurde.

Die Kollektion Spitzer wird auf 15 Millionen
Francs geschätzt. Schon bei Lebzeiten wurden
Spitzer, besonders seit der Weltausstellung des Jahres
1889 glänzende Anerbietungen gemacht. Gambetta
hatte den Gedanken gefasst, die Kollektion Spitzer
für 12 Millionen Francs für den Staat zu erwerben
und daraus einen kleinen Louvre zu machen, dessen
Konservator Spitzer werden sollte. Ob auch heute
noch die Republik in der Lage wäre, einen so hohen
Betrag für die Sammlung aufzuwenden, ist eine
offene Frage. Berlin bot 7 Millionen Mark, doch
Spitzer lehnte ab, vielleicht in der Hoffnung, wie
österreichische Stimmen meinten, dass die Kollektion
vielleicht als „Spitzersche Sammlung" von Oster-
reich, seinem Heimatlande, erworben würde. Auch
den reichen Amerikaner Vanderbilt bringt man be-
reits mit der Sammlung in Verbindung. Spitzer
war dem Zersplittern seiner Sammlung abgeneigt
und neuestens meldet die Tagespresse, dass Spitzer
verfügt habe, das Museum solle, wenn es nicht als
Ganzes verkauft würde, drei Jahre beisammen
bleiben, um dann in einzelnen Abteilungen, mit
dem Zwischenräume von je einem Jahre, verstei-
gert zu werden. Das wäre höchst beklagenswert.
Glücklich aber der Staat, dem es gelingt, diese herr-
lichste aller Privatsammlungen für sich zu erwerben!

BÜCHERSCHAU.
Die alten Zunft- und Verkehrsordnungen der
Stadt Krakau. Nach Balthasar Beherns Codex
picturatus in der k. k. Jagelionischen Bibliothek
herausgegeben von Bruno Bucher. Mit 27 Tafeln
in Lichtdruck. Wien 18S9. Druck und Verlag
von Carl Gerolds Sohn. Fol.

] Das oben bezeichnete Buch ist von grossem
Interesse für die Geschichte des bürgerlichen Lebens
und Treibens in der polnischen Krönungsstadt, ins-
 
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