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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Vom Christmarkte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0063

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBEK:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN
Heugasse 58.

KÖLN

Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 8. 12. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasens! ei n & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

VOM CHRISTMARKTE.
I.

Das Jahr wird wieder alt. Mutter Erde macht
Wintertoilette und verjüngt sich zum unschuldsvollen

weissgekleideten Kind-

',





Ilochburgsage. Aus JENSENS
Schwarzwald.

lein, in dem unzählige
Keime derEntwickelung
durch denLiebeskuss der
Frühlingssonne harren.
Die Zahl der Natur-
schwärmer, welche ehe-
dem rastlos die „buck-
lige Welt" durchkreuzte
und sich im Waldes-
dickicht, im Thalgrund
oder auf Bergeshöhe
lyrischen Stimmungen
überliess, ist erheblich
gesunken. Die Kälte
hat sie — so wunderlich
dies klingen mag —
zusammengeschmolzen;
sie hat auch aus dem
farbenreichen Naturge-
mälde einen kalten,
schwarzweissen Kupfer-
stich gemacht, den man
am liebsten hinter Glas
und Rahmen der Doppel-
fenster betrachtet. Wer
jetzt nicht reisen muss,
bleibt klüglich daheim;

und was thut's auch? Wir haben ja einen leid-
lichen Ersatz und schicken unsern Geist auf Reisen:
da der Prophet nicht zum Berge kommen mag,
so kommt füglich der Berg zum Propheten. Was
die Berge so versetzt, ist nun zwar diesmal nicht
der Glaube, sondern die dunklen Ehrenmänner
sind es, die wir Verlagsbuchhändler nennen; sie
schliessen sich in Gesellschaft von Adepten, näm-
lich Künstlern und Dichtern, in die schwarze Küche,
um nach langer Mühe „die junge Königin im Glas",
das länderbeschreibende Prachtwerk, der bildungs-
bedürftigen Welt darzubieten. Freilich heisst es da
auch bei manchem dieser Elaborate:

„Zum Teufel ist der Spiritus,
Das Phlegma ist geblieben",

denn die schöne frische Natur ist nicht selten, nach-
dem sie sich erst durch die Retorten verschiedener
Menschenschädel hat durchquälen müssen, schliess-
lich erheblich getrübt und hat einen Beigeschmack
von abgestandenen Ideen angenommen. Wer den
Erdgeist destilliren will, muss also dafür Sorge tra-
gen, dass die Gefässe rein und klar sind, in denen
die jeweilige Quintessenz gebraut werden soll.

Dafür sorgte denn nun diesmal die Reuthersche
Verlagsbuchhandlung in Berlin. Ihr neuestes Werk
dieser länderbeschreibenden Art ist die Beschrei-
bung und Schilderung des Schwarzwaldes und
seiner Bewohner. Sie rührt von Wilhelm Jensen her,
der zwölf Jahre im Schwarzwald lebte und von
dem man wohl sagen kann, dass sich die Welt
in seinem Kopfe anders spiegelt als sonst in
Menschenköpfen. Er bietet uns ausser einer aus-
führlichen Schilderung der Landschaft seine Ge-
 
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