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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Frizzoni, Gustavo: Photographische Aufnahmen und neue Erwerbungen des Museo Poldi Pezzoli zu Mailand
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0158

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303

Kmistlitteratur und Kunsthandel.

304

anreihen, das zwar geringer als Kunstwerk, aber
immerhin merkwürdig in seiner Art ist, nämlich das
Brustbild eines jungen unbärtigen Mannes von dem
selten vorkommenden Schüler des Giovanni Bellini,
Andrea -Cordegliaghi, welcher mehrfach mit dem Ber-
gamasker Andrea Previtali, obschon nicht mit hin-
reichend zwingenden Gründen identificirt worden ist v).
Die auf den Namen des Künstlers sich beziehenden
Initialen stehen auf der Rückseite unter der Abbil-
dung eines Totenkopfes.

Unter den kunstgewerblichen Gegenständen,
welche von Herrn Marcozzi aufgenommen wurden,
wollen wir nur der köstlichen Brauttruhe ge-
denken, in deren Vorderseite zwei allerliebste Rund-
bilder von Bart. Montagna eingelegt sind, mit alle-
gorischen, auf die weibliche Keuschheit sich beziehen-
den Vorgängen.

Als neue Ankäufe des Museo Poldi-Pezzoli
haben wir vier interessante Bilder zu erwähnen,
welche im Laufe der letzten Monate ihre Aufstel-
lung darin gefunden haben. Erstens ein Breitbild,
von dem lombardischen Raffael, Gaudenzio Ferrari,
gute mittlere Zeit. In dem mittleren Teil, haupt-
sächlich im Kopf der Madonna, vermisst man die
ursprüngliche Frische, dagegen sind die vier Heili-
genfiguren zur Seite recht bezeichnend flu- den
Meister: zur Linken des Beschauers die Heiligen
Dominikus und sein Nachfolger St. Petrus Martyr,
zur Rechten die anmutigen Gestalten der heiligen
Martha mit dem Attribute des Weihwassers, womit
sie den Drachen als Prinzip des Bösen bewältigt und
der heiligen Katharina von Siena, in malerischer
Nonnentracht, wie sie anf sinnbildliche Weise ihr
Herz dem Christuskinde darreicht. Die Stellung der
Figuren, der. sinnige Ausdruck der Köpfe, die Fal-
tenmotive der Gewänder, die Form sowie die Be-
wegung der Hände, samt dem angenehmen Farben-
akkord, alles ist in dem Werke sehr charakteristisch
für dessen Urheber. Es ist im letzten Bilderzimmer
aufgehängt.

Dazu kam ein kleines Holzbild, wohl nur das
Bruchstück eines grösseren Gemäldes, von G. B. Cima
da Conegliano. Es enthält einen idealen Kopf, sei
es eines Engels oder einer jungen Heiligen, und
zeichnet sich durch die feine Regelmässigkeit der
Züge und die Reinheit des Gefühls aus. Eine lieb-

1) Der Name Cordegliaghi, wie der gelehrte Eman.
Cicogna ermittelt hat, wurde in Venedig den wandernden Ver-
käufern von Schnürchen und Nadeln (cordelle e aghi gegeben.
Siehe darüber: Notizia d'opere di disegno (Anonimo Morel-
liano) seconda ediz. Bologna N. Zanichelli 18S4. S. 161.

liehe, holdselige Erscheinung, noch ganz und gar
dem edelsten Quattrocento angehörend').

Ganz neuerdings ist es Herrn Direktor Bertini
gelungen, noch zwei kleine Halbfiguren von Andrea
Solari zu erwerben. Man darf dieselben ohne Über-
treibung als zwei wahre Juwelen der lombardisch
mailändischen Kunst bezeichnen, durch welche die mit
Werken des Meisters schon wohl versehene Sammlung
noch wesentlich bereichert worden ist. Nirgends
kann man ihn nunmehr besser als hier in seiner
stufenweisen Entwickelung verfolgen.

Die zwei neu erstandenen Gemälde sieht man
bereits oberhalb des unübertrefflichen dornengekrön-
ten Christus von demselben Meister aufgestellt. Die
Grösse eines jeglichen übertrifft nicht das Mass von
15 cm. Höhe und 12 cm. Breite. Beide darin dar-
gestellte Heilige sind auf schwarzem Grunde gemalt.
Rechts der greise hl. Antonius Abbas, die Rechte auf
den Stab gestützt, die Linke auf ein rotes Buch über
der Brüstung. Ein prächtig malerischer Kopf, voll
glühenden Ausdrucks und von einer Tiefe der Em-
pfindung, die geradezu an Linardo da Vinci gemahnt.
Ihm gegenüber die mildere Gestalt von Johannes
dem Täufer, in der gediegenen Modellirung und dem
zarten Kolorit eine echte Solari-Figur, derjenigen ähn-
lich, welche als Gegenstück einer heiligen Katha-
rina im zweiten Bildersaale derselben Sammlung zu
sehen ist.

O USTA V FRIZZONL

KUNSTLITTERATUR UND KUNSTHANDEL

Dizionario degli artisti italiani viventi — pittori,
scultori e architetti — per cura di Angela de Gubernatis.
Firenze, successori Le Monnier. 1889. 8°.
Ein neues biographisches Sammelwerk über lebende
italienische Künstler zu schaffen, ist kein undankbares Unter-
nehmen, und zwar deshalb, weil der Kunsthistoriker von
dieser Art der Litteratur nie genug erhalten kann, ein Ver-
fasser oder Herausgeber eines solchen "Werkes also jedesmal
des Dankes der Forscher versichert sein kann. Freilich wird
das Wort „undankbar'' auch oft angewendet auf den Er-
folg der Bemühungen der Lexikographen, auf das unbefrie-
digende Zurückkommen der ausgesandten Fragebogen, auf
die man grosse Hoffnungen gesetzt hatte, auf die Unvoll-
ständigkeit, die man bei der Arbeit gern vermieden hätte
und bei einiger Unterstützung seitens des Publikums auch
recht gut hätte vermeiden können und dergl.; — in dieser
Hinsicht ist zu vermuten, dass das neue Unternehmen des
bekannten Biolexikographen de Gubernatis gerade so un-
dankbar ist, wie andere auf die Unterstützung Mitlebender
berechnete Werke. Findet man doch gleich auf den Rückseiten
der Umschläge der ersten beiden Hefte einen Appell „Agli

1) In Marcozzi's Aufnahme fast in der Grösse des Ori-
ginals wiedergegeben Das Bild ist oberhalb der Beltraffio-
Madonna aufgestellt.
 
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