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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Michaelis, Adolf: Die älteste Kunde von der mediceischen Venus
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0155

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN KÖLN

Heugasse 58. Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge.

I. Jahrgang.

1889/90

Nr. 19. 13. März.

Die Kunstchronik erseheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Kud. Mosse u. s. w. an.

DIE ÄLTESTE KUNDE
VON DER MEDICEISCHEN VENUS.
Die Herkunft auch der berühmtesten Antiken
ist oft in ein schwer durchdringliches Dunkel ge-
hüllt, vollends wenn wir — ich habe hier die römi-
schen Antiken im Sinne — über den Beginn des
Cinquecento zurückgehen. Entweder versagen die
Nachrichten völlig oder der Widerspruch verschie-
dener Angaben zeigt, dass wir es nur mit unsicheren
Vermutungen zu thun haben. So lassen späte An-
sahen die mediceische Venus bald bei der Porticus
der Octavia, bald im Pantheon, bald in den Neroni-
schen Gärten, bald in Tivoli oder der Villa Hadrians
gefunden sein, Angaben, die dadurch allen Wert
verlieren, dass sie erst etwa zwei Jalrrhunderte nach
dem ersten Auftauchen der Statue auftreten. Kann
ich nun auch den Fundort der Statue nicht nach-
weisen, so kann ich doch ihre Existenz bis in den
Beginn des Cinquecento zurück verfolgen, wo sie
uns unter So eigentümlichen Verhältnissen entgegen-
tritt, dass ich für eine kurze Darlegung auf das
Interesse der Leser dieser Zeitschrift glaube zählen
zu dürfen. Ich schicke das Ergebnis einer früheren
Untersuchung ') voraus.

Am 3. Oktober 1584 erwarb der Kardinal (später
Grossherzog) Ferdinando de' Medici, der damals für
seine Villa auf dem Monte Pincio eifrig Antiken
sammelte, für 4000 Scudi von den Gebrüdern
Capranica die reichen Antikenschätze zweier ihnen
gehöriger Paläste, des Palastes' Capranica und des

1) Archäologische Zeitung 1880, S. 13 ff.

Palastes della Valle *). Das Verkaufsinventar mit
den Schätzungswerten der einzelnen Stücke hat sich
erhalten 2) und weist unter den zwölf Statuen des
letztgenannten Palastes „eine Venus in natürlicher
Grösse, ganz vollständig, mit dem Delphin, Preis
250 Dukaten" und „einen Ganymed mit dem Adler
und einem Blitz in der anderen Hand, in natürlicher
Grösse, ganz vollständig, nur der Kopf modern, Preis
200 Dukaten" auf. Diese beiden Statuen nebst ihren
zehn Genossinnen hatte auch schon im Jahre 1550
der Bologneser Ulisse Aldrovandi, der einen unfrei-
willigen Aufenthalt in Rom benutzte, um die zer-
streuten Antiken der Stadt zu katalogisiren, als den
wohlgeordneten Schmuck des Hofes im Palast della
Valle (damals von Quinzio de' Rustici bewohnt) vor-
gefunden 3). Sie standen neben einander an der
einen Schmalseite des Hofes, die Venus „nackt, wie
sie aus dem Schaum des Meeres geboren ward, da-
her sie einen Delphin neben sich hat mit Schaum
im Maule, was auf jene Sage hinweist". Beide
Statuen sind später mit fast dem ganzen Inhalt der
Villa Medici nach Florenz übergesiedelt, und es lässt
sich vollständig sicher beweisen, dass die Venus
keine andere ist als die berühmte „mediceische"4);
durch die ganz gleiche Grösse, die völlige Nacktheit

1) Doeumenti inediti per servire alla storia dei Musei
d' Italia IT, S. IV f.

2) Ebenda, S. 377 ff.; Gotti Lc gallerie e i muset dt
Firenxe, 2. Auff, 1875, S. 361 ff.

3) S den Anhang zu L. Mauro, Lc anlichitä, dt Borna,
Ven. 1556, S. 212 ff. Vgl. Arch. Zeitung 1876, S. 150 ff.

4) Schon Pelli (Saggio istor. d. gall. di Ftrenxe, 17 <3,
r, 159; II, 98) war auf der richtigen Spur, Hess sich aber
durch unzutreffende Gründe davon abbringen.
 
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