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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Aus dem Münchener Kunstleben, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0243

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine.

HEEAUSGEBEK:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN
Heugasse 58.

KÖLN

Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. I. Jahrgang.

1889/90.

Nr. 29. 19. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

AUS DEM MUNCHENER KUNSTLEBEN.

ß. Die grosse Redeschlacht über das Kunst-
budget des bayerischen Staates ist vorüber. Bayerns
gewaltigste Helden und Kunstkenner haben ihr Vo-
tum gegen die ganze moderne Malerei in die Welt
hinaus geschleudert. Leider besitzt München keinen
Aristophanes, um in zutreffender Weise diese ergötz-
liche Komödie zu verewigen, die zwar der Kunst in
ihrem Wesen ebenso wenig etwas geschadet hat, wie
die verschiedenen Ministerien seit 1870 dem Ge-
deihen Frankreichs. In materieller Beziehung aber
— und es hatte den Anschein, als wäre es darauf
speziell abgesehen gewesen von diesen Männern, die
sich mit Vorliebe „Patrioten" nennen — in mate-
rieller Beziehung schaden derartige Volksvertreter
viel mehr, als sie an annehmbaren Dingen zu Tage
fördern; wenn das bayerische Volk einigermassen
vorurteilsfrei die Sache zu betrachten verstände, dann
wären dergleichen Kandidaten für die Zukunft dem
Trödelmarkte verfallen, wie altes Eisen. Es bedurfte
des Eingreifens eines Mitgliedes des königlichen
Hauses, um den angezettelten Unfug der „Patrioten"
zu dämpfen, und so ist denn wirklich der kolossale
Betrag von vollen 100000 Reichsmark (20000 waren
projektirt) für Staatsankäufe zu Kunstzwecken aus-
gesetzt worden. Wenn man bedenkt, dass die inter-
nationale Ausstellung von 1888 allein einen Umsatz
von über 1 Million Mark aufwies, all die zahlreichen
Privatverkäufe gar nicht mit eingerechnet, dass ferner
die erste, von vielen Seiten mit Misstrauen unter-
nommene Jahresausstellung ganz allein auf ihrem
Territorium einen Umsatz von einer halben Million

ergab und wenn man -weiter überlegt, was mit diesem
Umsätze sonst alles in Beziehung steht, wir wollen
bloss das Wort „Fremdenverkehr" nennen, (der sich
glücklicherweise durchaus nichts um die Kunstan-
schauungen der bayerischen Kammerpatrioten schert),
so mag daraus erhellen, dass ein jährlich ausgesetztes
Budget von 100000 Mark etwa der Stadt München
zur Ehre gereichen würde, für einen Staat von über
fünf ^Millionen Einwohnern aber geradezu ein Pfiffer-
ling genannt zu werden verdient.

Indessen haben all diese Vorkommnisse nicht
vermocht, irgendwie hindernd in das innere künst-
lerische Leben Münchens einzugreifen. Münchens
Künstlerschaft arbeitete unterdessen an der Ausfüh-
rung der zweiten Jahresausstellung. Die erste, von
vielen Seiten mit Achselzucken und Misstrauen auf-
genommene, vom „kunstsinnigen" Publikum zum
Teil mit direktem Widerspruch begrüsste und ange-
feindete Unternehmung dieser Art schloss mit einem
Reinertrag von über 40 000 Mark ab, ein Resultat,
an dem selbst der eingefleischteste Gegner nicht zu
rütteln vermochte. Wo der finanzielle Erfolg ist,
da schweigen auch bald die Widersacher, denn
Zahlen sind in den meisten Fällen ausschlaggeben-
der als Meinungen, zumal wenn die letzteren von
Leuten ausgehen, die mit der Kunst absolut in gar
keinem andern Zusammenhange stehen, als dass sie
etwa nach ihrer Pensionirung daran denken, zu Pa-
lette und Pinsel oder Feder zu greifen. Und die
sind ja nie ernst zu nehmen, wenn sie sich auch
selbst ein gewisses Gewicht beilegen. So sieht denn
der Glaspalast in seinen weiten Räumen wiederum
die Künstlerschaft mit ihren Arbeiten einziehen; die
 
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