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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Heydemann, Heinrich: Antike Pissmännchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0049

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Antike Pissmännchen.

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mögen folgende erwähnt werden. Ein figurenreiches
Begräbnis in Westfalen von G. Oehmichen lehnt sich
Vautier an. Das sympathische Bild zeigt viel Har-
monie in der Farbe, giebt aber im Vergleich zum
Vorbilde nicht so eindringliche Züge des Ausdruckes
und der Stimmung, dass man die immer neue Wieder-
holung dieses künstlerisch nachgerade erschöpften
Gegenstandes als gerechtfertigt erachten möchte. —
Härtung bringt einen höchst eindrucksvollen Blick
auf das Siebengebirge von Bolandseck aus. Es ist
wunderbar, mit welcher Meisterschaft dieser Künstler
einer Gegend malerischen Reiz und Bildmässigkeit
abzugewinnen weiss, die an und für sich der ma-
lerischen Auffassung zu widerstreben scbeint, wenn
sie auch das Entzücken der naturgeniessenden Welt
ist. — Kämpfer stellt zwei Landschaften von Sizilien
und Capri aus, die den Einfluss seiner italienischen
Heise als nicht ungünstig erkennen lassen. Bei vor-
nehmer Stilisirung erscheint die Färbung etwas
schwer. — Albert Arn» hat sich in jüngster Zeit dem
Jagdstillleben zugewandt, ohne übrigens seiner frucht-
baren Thätigkeit als Landschafter zu entsagen. Einige
kleinere Stücke, in dem Sinne Fergusons gedacht,
zeigen starke Technik, die an Gussow erinnert. — Auch
//. Kloennc ist auf diesem Gebiete mit immer grösserem
Erfolg thätig. — Besonders durch den Gegenstand
interessant ist eine amerikanische Winterlandschaft
(Milwaukee) von dem aus Amerika wieder heimge-
kehrten und jetzt in Karlsruhe sesshaften II'. Sehroeter.
Wenn Irving behauptet, dass der Amerikaner sein
Land nicht zu verlassen braucht, um die Schönheit
der Natur zu erfassen, so scheint doch diese Natur
in ihrer strengen Charakteristik von der unserm
Auge vertrauten wesentlich abzuweichen. o O

ANTIKE PISSMÄNNCHEN.

Wickhoff s Nachweis des Pissmännchenmotivs in
der Plastik der italienischen Renaissance') veranlasst
mich zu der Bemerkung, dass auch diese Darstellung
schon im Altertum gäng und gäbe gewesen. Wir be-
sitzen eine stattliche Reihe von derartigen Figuren in
Relief wie in Rundarbeit und ein Teil der letzteren war
unzweifelhaft gerade so wie Mino's Flügelknabe oder
die allbekannte Figur von Brüssel als „Brunnenfigur"
gedacht, wenn auch die erhaltenen Repliken als
solche nicht immer gedient haben. Ausser Herakles
sind hauptsächlich Eros und Silen zu diesem Motiv
benutzt worden. Im Louvre findet sich die Marmor-
figur eines Silenos, unter Lebensgrösse (0.70), der

!) Vgl. Zeitschrift für bild. Kunst XXIV, S. l'Jb K

sich lässig mit einem Schlauch auf einen Pfeiler auf-
stützt und mit der Rechten die schräg um den
Körper liegende Nebris am Unterleib emporhebt,
um sein Wasser zu lassen (abgeb. z. B. Clarac, Mus.
de Sculpt. 334, 1748; u. ö.). Zwei Wiederholungen
sind im Neapeler Museum (Clarac 730 B, 17 C -
Mus. Borb. XI, 61; 734 D, 1765 J1); bei aller Frei-
heit in Einzelheiten — so ist einmal an Stelle des
Pfeilers ein Brunnen getreten; auch die Gesichts-
typen sind verschieden — gehen sie mit der Pariser
Figur auf ein und dasselbe Original zurück. Die
erhaltenen Repliken sind nur Dutzendarbeit römi-
scher Kaiserzeit, lassen aber die Vortrefflichkeit des
einstigen Originals, die Schalkhaftigkeit des Motivs
und die Vollendung der Ausführung ahnen. Wäh-
rend aus dem Schlauch, dessen Öffnung die Linke
hält, der Wein ausläuft2), entlastet der Silen zu-
gleich seinen Dickbauch ohne weitere Umstände in
göttlicher Ungenirtheit. Braucht Silen hier bei diesem
seinen Geschäft nicht geradezu trunken gedacht zu
sein3), so ist dagegen Trunkenheit die unzulässigste
Bedingung für gleiches Gebaren bei Herakles, dem
ess-und trinklustigsten Heroen des griechischen Alter-
tums. Die besterhaltene Darstellung eines solchen
Herakles bietet die Wörlitzer Marmorstatuette, trotz
ihrer Dutzendarbeit und mancherlei Ergänzung wie
Ueberarbeitung ein kleines Meisterstück, dem der
Ruhm, den es geniesst, vollauf gebührt (abg. Bouillon
1H, Stat. 18, 5; Gerlach Ant. 3 und 4; vgl.Horsens
Wörl. Ant. no. 13). Trunken taumelt der Held,
mit der Linken die Keule schulternd, vorwärts;
mit Mühe hält er sich aufrecht; das Haupt auf die
Brust gesenkt, den Bauch vorgestreckt, erleichtert
er sich mit Wohlbehagen, dem Spruche vertrauend,
dass „naturalia non sunt turpia". Die naturwahre
Behandlung des schlaffen und doch so kräftio-en
Körpers, die taktvolle Gehaltenheit der heiklen
Situation, die Harmlosigkeit des Vortrags sind be-
wundernswert; die Statuette, vorläufig einzigartig1),
verdiente wahrlich durch Abgüsse verbreitet zu wer-
den! Öfter wiederholt sich das Motiv, doch weniger



1) Dies Exemplar ist von mir in Neapel nicht gesehen
bez. übersehen worden.

2) Vgl. dasselbe Brunnenmotiv z. B. Clarac 731, 1762
(Dresden); 734 C, 1765 F (Herculaneum); u. a. m.

3) Trunken ist er dagegen bei gleichem Thun auf dein
pompejanischen Bilde, das Giornale degli Scavi, N. S. I 3
abgebildet, von Jahn, Philol. XXVII, S. 20, 07 am treffend-
sten beschrieben wird.

4) Die früher Chigi'sche Marmorfigur mit gleichem Motiv
ist ein willkürlicher Pasticcio (abg. z. B. Clarac 733, 17G7-
vgl. Winckelmann, Descr. Stosch II, 1775).
 
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