Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
zierliche Ornamentik mit seinem zauberhaftem Glanz.
Das Brunnenbassin im Hintergrunde ist mit Gold-
fischen gefüllt; antike Büsten und Statuetten, darunter
der schöne Narciss aus dem Museum zu Neapel,
spiegeln sich in der Flut. Ein römischer Marmor-
sessel dient uns als Ruhesitz. Wie von magischer
Gewalt fühlen wir uns hineingezogen in eine längst
vergangene Welt, deren Wesen und Kunst, wie aus
jenen kleinen Gemächern der verschütteten Städte
am Vesuv, hier leibhaftig vor unsere Seele tritt.
Im Atelier Lenbachs, dem Schlussraum der Saal-
reihe, sind mehrere seiner letzten Arbeiten aufgestellt,
eben noch der Vollendung harrend. Darunter ein
grandioses Bismarckporträt, Kniestück, in Dreiviertel-
wendung nach rechts, als Pendant zu dem links-
hin gewendeten Moltke, den Hecht vor kurzem für
Aumüller in München radirt bat. Der Kanzler soll
gleichfalls durch den genannten Radirer vervielfältigt
werden. Dann sind von Staatsmännern Gladstone und
der Statthalter Fürst Hohenlohe, von Poeten Redwitz
und Lingg unter den jüngsten Bildnissen Lenbachs zu
nennen: besonders das letztere, ganz in Vorderansicht
genommen, mit dem ungeordnet sich sträubenden
Haar, ein Meisterstück psychologischer Charakteristik.
Endlich zwei Varianten des Bildnisses des Prinz-
regenten Luitpold, mit dem Lenbach auf der dies-
jährigen Münchener Ausstellung einen Triumph
feierte. Energischeres, Kraftvoll-Geistigeres ist kaum
von moderner Künstlerhand geschaffen worden, als
dieses schlichte Bild im schwarzen Hauskleid, mit
den gesunden, sonnverbrannten Händen, dem weich
gewellten Bart, dem gefurchten, biederen, treuherzig
blickenden Antlitz. Die fein aufgefassten Augen und
die mit ungewöhnlicher Sorgfalt ausgeführten Hände,
für deren Durcharbeitung Lenbach überhaupt neuer-
dings mehr Interesse zu gewinnen scheint, bilden
die hervorstechenden Züge dieses Meisterporträts.
Von den Frauenbildern, die dazwischen stehen, zieht
uns die blasse Gestalt der unglücklichen Lady Acton
besonders an. Sie taucht eben noch einmal aus dem
Halbdunkel des Hintergrundes auf, während wir uns
zum Abschied rüsten.
Auf dem Heimwege von dieser glanzvollen Stätte,
an der sich die Geister der Vergangenheit die Hände
reichen mit den Mächtigen und Grossen unserer Tage,
stieg das Bild des Alt-Münchener Künstlertums aus
den Tagen Schwinds und Genelli's in unserer Er-
innerung empor. Wie einfach, ja ärmlich war doch
die Existenz jener Männer, verglichen mit dieser
wahrhaft königlichen Künstlerwohnung! Unzweifel-
haft lässt sich aus dem Vergleiche von Einst und
Jetzt die Folgerung ziehen, dass nicht allein die
materielle Lage der Künstler von Rang sich mächtig
gebessert hat in unseren Tagen, sondern dass auch
die Stellung der Kunst zum Leben überhaupt eine
andere, innigere, gefestigtere geworden ist. Die Kunst,
wie sie ein Lenbach übt, ist nicht mehr ein abstraktes,
weltfernes Wirken, sondern sie greift allseitig ins
Leben ein, durchdringt es, wie auf der Staffelei, so
auch in Haus und Hof mit den erwärmenden Strahlen
der Schönheit, und stellt uns in der eigenen Exi-
stenz ein ideales Vorbild menschenwürdigen Da-
seins vor Augen.
CARL VON LUTZOW.
DIE AKADEMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG
IN BERLIN.
I.
Trotz des Mangels an einem geeigneten Lokale,
trotz des Widerspruches eines Teiles der Berliner
Künstlerschaft und trotz der Konkurrenz der Mün-
chener Jahresausstellung hat der Senat der Berliner
Kunstakademie auch an seiner Jahresausstellung fest-
gehalten. Es ist möglich, dass unter den Gründen,
welche den Senat zu diesem Entschlüsse bestimmt
haben, sich gerade die Rücksicht auf das Münchener
Unternehmen befunden hat. Denn da die Münchener
trotz verschiedener Einsprachen ihre Stadt durch
Veranstaltung von regelmässigen Jahresausstellungen
zum Mittelpunkt des deutschen Kunstlebens machen
wollen, hätte ein Verzicht von Seiten Berlins in
diesem Jahre als ein Eingeständnis der Schwäche
gedeutet werden können. Und an dem gegenseitigen
Verhältnis zwischen den beiden Jahresausstellungen
hätte ein Verzicht Berlins nicht einmal etwas ge-
ändert. Es wird auch für die Zukunft so bleiben, dass
die Münchener nach Berlin schicken, was sie das
Jahr zuvor in ihrem Glaspalaste ausgestellt haben,
und die Berliner werden ebenso verfahren. Die
dritte deutsche Kunststadt, welche hinsichtlich des
Umfanges ihrer Produktion noch in Betracht kommt,
wird nach den bisherigen Erfahrungen voraussicht-
lich dem Beispiel Berlins folgen. Wenn wir von
diesem Ubelstande absehen, der übrigens dem Be-
richterstatter insofern in einem milderen Lichte er-
scheint, als er ihn in die Lage versetzt, die von der
vorjährigen Münchener Jubiläumsausstellung nach
Berlin übergeführte Reihe von Bildern von seiner Be-
sprechung ausschliessen zu dürfen, so hat die Ber-
liner Ausstellung unter der Münchener Konkurrenz
nicht im mindesten gelitten, und auch der im letzten
Augenblicke improvisirte „deutsche Salon" auf der
zierliche Ornamentik mit seinem zauberhaftem Glanz.
Das Brunnenbassin im Hintergrunde ist mit Gold-
fischen gefüllt; antike Büsten und Statuetten, darunter
der schöne Narciss aus dem Museum zu Neapel,
spiegeln sich in der Flut. Ein römischer Marmor-
sessel dient uns als Ruhesitz. Wie von magischer
Gewalt fühlen wir uns hineingezogen in eine längst
vergangene Welt, deren Wesen und Kunst, wie aus
jenen kleinen Gemächern der verschütteten Städte
am Vesuv, hier leibhaftig vor unsere Seele tritt.
Im Atelier Lenbachs, dem Schlussraum der Saal-
reihe, sind mehrere seiner letzten Arbeiten aufgestellt,
eben noch der Vollendung harrend. Darunter ein
grandioses Bismarckporträt, Kniestück, in Dreiviertel-
wendung nach rechts, als Pendant zu dem links-
hin gewendeten Moltke, den Hecht vor kurzem für
Aumüller in München radirt bat. Der Kanzler soll
gleichfalls durch den genannten Radirer vervielfältigt
werden. Dann sind von Staatsmännern Gladstone und
der Statthalter Fürst Hohenlohe, von Poeten Redwitz
und Lingg unter den jüngsten Bildnissen Lenbachs zu
nennen: besonders das letztere, ganz in Vorderansicht
genommen, mit dem ungeordnet sich sträubenden
Haar, ein Meisterstück psychologischer Charakteristik.
Endlich zwei Varianten des Bildnisses des Prinz-
regenten Luitpold, mit dem Lenbach auf der dies-
jährigen Münchener Ausstellung einen Triumph
feierte. Energischeres, Kraftvoll-Geistigeres ist kaum
von moderner Künstlerhand geschaffen worden, als
dieses schlichte Bild im schwarzen Hauskleid, mit
den gesunden, sonnverbrannten Händen, dem weich
gewellten Bart, dem gefurchten, biederen, treuherzig
blickenden Antlitz. Die fein aufgefassten Augen und
die mit ungewöhnlicher Sorgfalt ausgeführten Hände,
für deren Durcharbeitung Lenbach überhaupt neuer-
dings mehr Interesse zu gewinnen scheint, bilden
die hervorstechenden Züge dieses Meisterporträts.
Von den Frauenbildern, die dazwischen stehen, zieht
uns die blasse Gestalt der unglücklichen Lady Acton
besonders an. Sie taucht eben noch einmal aus dem
Halbdunkel des Hintergrundes auf, während wir uns
zum Abschied rüsten.
Auf dem Heimwege von dieser glanzvollen Stätte,
an der sich die Geister der Vergangenheit die Hände
reichen mit den Mächtigen und Grossen unserer Tage,
stieg das Bild des Alt-Münchener Künstlertums aus
den Tagen Schwinds und Genelli's in unserer Er-
innerung empor. Wie einfach, ja ärmlich war doch
die Existenz jener Männer, verglichen mit dieser
wahrhaft königlichen Künstlerwohnung! Unzweifel-
haft lässt sich aus dem Vergleiche von Einst und
Jetzt die Folgerung ziehen, dass nicht allein die
materielle Lage der Künstler von Rang sich mächtig
gebessert hat in unseren Tagen, sondern dass auch
die Stellung der Kunst zum Leben überhaupt eine
andere, innigere, gefestigtere geworden ist. Die Kunst,
wie sie ein Lenbach übt, ist nicht mehr ein abstraktes,
weltfernes Wirken, sondern sie greift allseitig ins
Leben ein, durchdringt es, wie auf der Staffelei, so
auch in Haus und Hof mit den erwärmenden Strahlen
der Schönheit, und stellt uns in der eigenen Exi-
stenz ein ideales Vorbild menschenwürdigen Da-
seins vor Augen.
CARL VON LUTZOW.
DIE AKADEMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG
IN BERLIN.
I.
Trotz des Mangels an einem geeigneten Lokale,
trotz des Widerspruches eines Teiles der Berliner
Künstlerschaft und trotz der Konkurrenz der Mün-
chener Jahresausstellung hat der Senat der Berliner
Kunstakademie auch an seiner Jahresausstellung fest-
gehalten. Es ist möglich, dass unter den Gründen,
welche den Senat zu diesem Entschlüsse bestimmt
haben, sich gerade die Rücksicht auf das Münchener
Unternehmen befunden hat. Denn da die Münchener
trotz verschiedener Einsprachen ihre Stadt durch
Veranstaltung von regelmässigen Jahresausstellungen
zum Mittelpunkt des deutschen Kunstlebens machen
wollen, hätte ein Verzicht von Seiten Berlins in
diesem Jahre als ein Eingeständnis der Schwäche
gedeutet werden können. Und an dem gegenseitigen
Verhältnis zwischen den beiden Jahresausstellungen
hätte ein Verzicht Berlins nicht einmal etwas ge-
ändert. Es wird auch für die Zukunft so bleiben, dass
die Münchener nach Berlin schicken, was sie das
Jahr zuvor in ihrem Glaspalaste ausgestellt haben,
und die Berliner werden ebenso verfahren. Die
dritte deutsche Kunststadt, welche hinsichtlich des
Umfanges ihrer Produktion noch in Betracht kommt,
wird nach den bisherigen Erfahrungen voraussicht-
lich dem Beispiel Berlins folgen. Wenn wir von
diesem Ubelstande absehen, der übrigens dem Be-
richterstatter insofern in einem milderen Lichte er-
scheint, als er ihn in die Lage versetzt, die von der
vorjährigen Münchener Jubiläumsausstellung nach
Berlin übergeführte Reihe von Bildern von seiner Be-
sprechung ausschliessen zu dürfen, so hat die Ber-
liner Ausstellung unter der Münchener Konkurrenz
nicht im mindesten gelitten, und auch der im letzten
Augenblicke improvisirte „deutsche Salon" auf der