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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Stiassny, Robert; Schönherr, David von: Alexander Colin und seine Werke
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0040

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Alexander Colin und seine Werke.

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wusste und den Fragesteller diesfalls an den Maler
und den Verfasser der Überschriften verwies. Unter
den von Schönherr angezogenen Dokumenten ver-
missen wir hier das von Primisser (Denkm. d. Kunst
und Altert, i. d. Kirche z. heil. Kreuz in Innsbruck,
S. 87 ff.) veröffentlichte alte Konzept jener Auf-
schriften, denen für den Zeichner bestimmte Finger-
zeige über den Inhalt der einzelnen Kompositionen
gleichfalls in lateinischer Sprache beigesetzt sind;
dieses Programm nimmt wiederholt auf schon vor-
handene Abbildungen der nämlichen Begebenheiten
Bezug und beruft sich einmal direkt auf die ,Ehren-
pforte" (Porta honoris).

Dass hiermit Dürers Holzschnittwerk gemeint
sei, bestätigt in seiner unverhohlenen Anlehnung an
die entsprechenden Felder dieses Riesenblattes ein
in der Ambraser Sammlung aufbewahrter Grisaille-
karton zu einer Langseite des Sarkophags, in wel-
chem bereits Primisser und v. Sacken den nicht ge-
nehmigten Entwurf offenbar eines schon stark ita-
lienisirenden Niederländers erkannt haben.

Nach langen Verhandlungen kam Colin im Jahre
1569 dazu, auch die auf den Ecken des Kenotaph-
deckels sitzenden, 1570 in Bronze gegossenen Ge-
stalten der vier Kardinaltugenden zu modelliren, die,
gleich den Fassadenstatuen des Otto-Heinrichsbaues
und dem auferstandenen Heiland am Prager Königs-
denkmal in Sansovineskem Geiste empfunden, zu seinen
seelenvollsten Schöpfungen zählen. Die edle Erz-
figur des auf dem Deckel im Gebete knieenden
Kaisers muss hingegen seinem Sohne Abraham zu-
rückerstattet werden, welcher sie nach einer Vor-
zeichnung des Münchener Malers Gilg Sesselschreiber,
des Urhebers der Kolossalstandbilder um den Sarko-
phag, 1583 geformt und für den durch Ludovico de
Duca besorgten Guss hergerichtet hatte. Die sym-
bolischen Darstellungen an der Tumba des 1580—
1581 hergestellten Grabmals der Philippine Weiser
in der silbernen Kapelle zeigen den Künstler schon
in bedenklichem Grade von dem konventionellen
Schönheitsgefühl der Spätrenaissance angekränkelt,
wogegen er in den Reliefs des 1588—1596 unter
Beihilfe seines Sohnes errichteten prunkvollen Wand-
grabes Erzherzog Ferdinands mit mehr Glück zu
dem lebendigen Chronikenstil seiner Historien am
Maxgrabe zurückkehrt. Derselbe klingt auch vor-
nehmlich in der 1564 oder 1565 auf Grund einer
Zeichnung des Malers Ritterl ausgeführten Erztafel
aus dem Haller Salzberge an, die den Akt des Auf-
schlagens eines neuen Stollens durch Kaiser Ferdi-
nand wiedergiebt und von Schönherr mit dem

schmuckreichen Epitaph des berühmten Erzgiessers
Gregor Löffler (ca. 1566) — beide im Ferdinandeum
— zum erstenmal Colin zugeschrieben wird. Als
eine ziemlich trockene Arbeit ist das 1589 vollendete
Königsmausoleum im Prager St. Veitsdom bekannt,
das ursprünglich nur als „Sepultur" Kaiser Ferdi-
nands und seiner Gemahlin Anna angelegt war; das
Bildnis Kaiser Maximilians H., zu dem Colin H. Ger-
hards Modell für das von ihm gleichzeitig verfertigte
Grabmal H. Fuggers in der Ulrichskirche zu Augs-
burg mitbenutzt zu haben scheint, wie die Relief-
medaillons der böhmischen Könige an den Sockel-
flanken wurden erst nachträglich schlecht und recht
an dem Monumente untergebracht. Auf dem 1577
entstandenen Althannschen Grabdenkmal in der
Kirche zu Murstetten begegnet uns in der Mittel-
figur eines Reliefs mit der Geschichte der ehernen
Schlange wohl eine der frühesten plastischen Nach-
bildungen des Laokoon. Interessant sind auch die
von Schönherr mitgeteilten Entwürfe zu einem Altar
und einem Lüster, in welchem sich der Bildhauer
völlig zu Gunsten des Kleinkünstlers verleugnet.
Als solcher hat Colin in dem Raube der Sabinerinnen,
einem Schnitzwerk der Ambraser Sammlung, ein
Meisterstück geschaffen, mit dem zusammengehalten
zwei ihm ebenda beigemessene Buchsbaumholzreliefs,
eine Amazonenschlacht und eine antike Kampfscene,
in ihrer leidenschaftlichen Bewegtheit und üppigen
Formgebung eher auf einen späteren Niederländer des
17. Jahrhunderts zu deuten scheinen. Auch die
bronzene Brunnensäule im unteren Belvedere, die
Schönherr mit dem Aufsatze eines 1564 vom Erz-
herzog Ferdinand bei Colin bestellten Röhrbrunnens
identifizirt, bleibt jede stilistische Bestätigung dieser
Bestimmung schuldig und würde, wenn thatsächlich
von seiner Hand, nur die Ungleichartigkeit seiner
Leistungen belegen. Colins Stärke lag eben nicht
in der Erfindung, sondern in der Technik, in der
Bravour und Eleganz seiner Meisselführung, durch
die er dort, wo er den Mustern der Hochrenaissance
zu äusserlich nachstrebt, sich leicht in einen seichten
Formalismus verliert. Monumentale Haltung lässt
sich ihm selten nachrühmen; neben einem keck zu-
greifenden Realismus eignet ihm dagegen eine un-
gewöhnlich vornehme Porträtauffassung, die den Aus-
druck des Todesschlafes bei Grabfiguren z. B., wohl
unter Benutzung von Totenmasken, zu ergreifender
Wirkung herausarbeitet. Mit P. Candid, H. Ger-
hard und Adr. de Vries gehört Colin zu den Haupt-
vertretern jener niederländischen Künstlergruppe, die
im letzten Drittel des Jahrhunderts auf verschie-
 
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