Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI Artikel:
Langl, Josef: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0205

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
397

Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

398

humoristischer Pointe begegnen uns selten. Es wird
im allgemeinen mehr Wert auf die Malerei als auf den
Inhalt gelegt, ein Symptom, das ja seit langem auf
Ausstellungen wahrzunehmen ist. Doch finden sich
auch ab und zu erfreuliche Ausnahmen und dazu
zählt auf der Ausstellung Joh. Hamza's Rokoko-
bildchen „Beim Harfenisten". Freiheit und Grazie in
der Auffassung und Zeichnung und sorgfältiges Stu-
dium im Detail sind Vorzüge, die wir in solcher
Feinmalerei nur bei Simm oder Veiten wieder be-
gegnen. Die genannten Meister haben auch heuer
wieder wertvolle Gaben eingesandt; Simm ein reizen-
des weibliches Solofigürchen, im herbstlichen Park
lustwandelnd; Veiten glänzt in seiner meisterhaften
Technik in einem „Antritt zur Jagd". Die Fein-
malerei hat in unseren E. Probst einen bewährten
tüchtigen Repräsentanten; seine ausgestellten Bilder
„Die Plünderer" und „Heimliche Liebe" zeigen seine
Kunst von der besten Seite. Mit welch köstlichen
Typen F. Brütt seine „Bildergalerie" ausgestattet hat,
ist uns schon von der vorjährigen Münchener Aus-
stellung her bekannt. Nicht fern davon begegnet
uns Bockelmanns mit der Karl-Ludwig-Medaille aus-
gezeichneter „Taufschmaus", ein Gemälde, in welchem
die feine Beobachtungsgabe des trefflichen Künstlers
wieder glänzend zu Tage tritt. Engelhart ist unter
die Hellmaler gegangen; sein „Ball auf der Häng-
statt" und „Beim Künstler in Erdberg" enthalten
eine Schar trefflich charakterisirter Volksfiguren, die
freilich nicht immer so rein gewaschen sind, um im
Freilicht zu paradiren. Der Realist Skarbina bringt
die lebensgrosse düstere Gestalt eines Arbeiters, der
am frühen Morgen die schmutzige Treppe seiner
Behausung herabwandelt, um seinem mühevollen
Tagewerk nachzugehen. Das kummervolle, freuden-
lose Dasein spiegelt sich in dem gefurchten, gräm-
lichen Antlitz; es ist ein unerfreuliches Bild, und so
aufdringlich in seiner Grösse! Als Gegensätze hängen
nebenan zwei reizende Kinderscenen von Ghieriä,
die wieder durch die glatte, minutiöse Ausführung
verblüffen, aber durch ihren harmlosen, humoristi-
schen Inhalt das Auge erfreuen. Auch der begabte
//. Temple ist neuestens Hellmaler geworden; er hat
sich diesmal die schwierige Aufgabe gestellt, eine
„Schubertiade bei Ritter v. Spaun" zu malen. In
dem nüchtern ausgestatteten Salon sind alle künst-
lerischen Celebritäten jener Zeit versammelt. Schubert
sitzt am Piano, eine der Schwestern Fröhlich singt,
die übrige Gesellschaft hört zu. Wir finden darunter
Grillparzer, Bauernfeld, Kupelwieser, sogar auch
Beethoven. Zu dem Bilde scheint das im Besitze

des Herrn N. Dumba befindliche Aquarell von Kupel-
wieser, eine Darstellung des parodirenden Singspieles
„Das Paradies", die Grundlage gebildet zu haben;
zum mindesten ist Schubert aus demselben herausge-
schnitten. In dem Bilde interessiren selbstverständlich
zunächst die Porträts; eine intensivere geistige Ver-
bindung der einzelnen Gestalten aber vermissen wir.
In der Mitte zwischen Hellmalerei und Atelierlicht
steht Bematziks Bild „Die Klosterwerkstätte". Ein
Klosterbruder, von diversen hölzernen Engeln," Heili-
gen und Kirchengeräten umgeben, ist im Begriff,
einen Madonnenkopf zu bemalen. Es ist eine recht
heimliche Stätte, vollgefüllt mit Werkzeugen und
kirchlichem Kram, so recht passend für die ge-
nügsame fromme Seele, die da zur Ehre Gottes die
Kunst übt. In sorgfältiger Ausführung gehört das
Bild zu den besten des schätzenswerten Künstlers.
Beispiele von Extremen in Hellmalerei sind die Bil-
der „Die Flucht in Ägypten" von A. Goltz und
„Sommerfäden" von Lebiedzki; noch ein Schritt weiter
und es bleibt nichts mehr auf der Leinwand als der
hohle Umriss. Zwei lustige Bildchen hat EU. Tito
aus der Lagunenstadt geliefert; die rotblonde Marietta
lugt das eine Mal aus einer Mauerspalte in einen
schmalen Vico heraus, das andere Mal begegnen wir
ihr im Laufschritt auf einer Brücke. In ähnlichem
Genre bewegen sich auch die Bildchen Botta's und
Bedini's. Nowak lässt uns in seiner „Atelierscene"
eine Unterhaltung mit seinem Modell belauschen
und Emestine Kunwald ladet den Beschauer zu einer
heiteren Kaffeegesellschaft in ihrem „Studium" ein.
Ein gelungenes farbenprächtiges Momentbild in
scharfem Sonnenlicht ist Skutezkys „Marktplatz von
Neusohl". Als Kuriosa sind noch zu erwähnen
die Schauergestalt des „Ewigen Juden" von M. Ileidel
und die zartempfundene Dunstgestalt von Lerclis
„Irrlicht".

In der Landschaft tritt im allgemeinen weni-
ger eine bestimmte Richtung zu Tage, als vielmehr
das Persönliche, Eigenartige der betreffenden Künstler.
Jeder hat in Bezug der Motive seine eigene Domäne,
die er mit Vorliebe studirt und deren Beleuchtungs-
effekte er kultivirt. Dieses Spezialistentum hat seine
guten, aber auch seine bedenklichen Seiten. Einer-
seits wird wohl das Technische in bestimmten Rich-
tungen zur höchsten Virtuosität gehoben, anderer-
seits der Einseitigkeit Vorschub geleistet.

Landschafter, welche Reiz darin finden, in stets
neuen Problemen ihre Kraft zu erproben, sind selten.
Von den Wienern fallen diesmal namentlich die Ar-
beiten IL Darnauts auf, Der Künstler ist mit einer


 
Annotationen