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RernbrancTt als Erzieher.
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gegengewirkt werden. Die übliche Aufstellung der
Gegenstände in den Museen, nach Rubriken, ist
direkt kunstwidrig".
Der Vorschlag, welchen der Autor macht, um
diesen Übelständen abzuhelfen, stimmt im wesent-
lichen mit Lenbachs bekannten Ideen überein. Er
sagt: „Es giebt grosse deutsche Kunststädte, in
welchen sich die Künstler rühmen, selten oder nie
ein Museum zu besuchen; das ist nicht das richtige
Verhältnis der neuen zur alten Kunst; aber die
Schuld solcher Ungehörigkeiten liegt überwiegend
an der Beschaffenheit der Museen selbst. Es wäre
daher ratsam und zweckmässig, das Prinzip einzelner
einheitlich dekorirter Innenräume., wie man es in
grösseren Museen und Ausstellungen teilweise schon
anzuwenden begonnen hat, nach Kräften zu erweitern
und womöglich zum herrschenden zu machen; da-
durch wird nicht nur auf den Verstand und das Auge,
sondern auch auf das Gefühl und das Urteil des
Beschauers gewirkt". — „Museen sind Erziehungs-
organe; das ist das Verhältnis zum gesamten Volk;
blosse Belegsammlungen für wissenschaftliche For-
schung sollen sie nicht sein. Es wäre nicht recht,
wollte man der Muse, statt der Leier, ein Lexikon
unter den Arm geben".
Und wie denkt sich der Autor die Erziehung
und Bildimg unserer Künstler ? Das Rembrandt-Ideal
giebt darüber Aufschluss. Alle Nachahmung, alles
Akademische muss von Grund aus beseitigt werden.
„An die ~Kxmsbgesmnung der alten Zeiten soll man
sich halten, nicht an ihre Kunstleisticngen; man soll
die letzteren niemals im einzelnen nachahmen1'. Das
war bekanntlich auch die Art des Carstens. Er
nahm die Statuen des Antikensaals in sein Gedächt-
niss auf, er läuterte dadurch seine Phantasie; aber
er zeichnete sie nicht nach. — Alle Kunst muss
vom Volksboden, vom Stammescharakter ausgehen.
„Der holsteinische Maler soll holsteinisch, der thü-
ringische thüringisch, der bayrische bayrisch malen:
durch und durch, innerlich und äusserlich, gegen-
ständlich wie geistig. Auf dieses uralte Volksrecht
muss man zurückgreifen; eher wird eine Wendung
zum Bessern nicht eintreten; eher wird der Deutsche,
der politisch eine Heimat gefunden, eine künstlerische
Heimat nicht finden". — Der Künstler muss wieder
„bürgerlich" werden, wie in alter Zeit. „Nicht der
heutige Maler mit seiner manierirten Samtjacke,
sondern Walther von der Vogelweide mit dem Schwert
an der Seite, Peter Vischer im Schurzfell und Rem-
brandt in der Arbeitsbluse sind die rechten Künstler-
typen". — So wie Phidias der höchste Ausdruck des
volkstümlichen hellenischen Geistes, Rembrandt
dasselbe für Holland war, so soll es der deutsche
Künstler — der Zukunft für den deutschen Volks-
geist werden. Dahin aber gelangt niemand durch
Nachahmung, nur durch „Treue gegen sich selbst,
Treue gegen das angeborene enge Stück deutscher
Erde, Treue gegen den weiten lebendigen deutschen
Volksgeist". — „Die deutsche Kunst wird desto
besser sein, je deutscher sie ist". — „Eine fremde
Handschrift nachzuahmen ist in der Kunst ebenso
überflüssig und unter Umständen verdammlich, wie
es dies im Leben ist".
Man hat hierdurch den Massstab für die Be-
urteilung, welche der Autor der klassischen Grundlage
der modernen Künstlerbildung angedeihen lässt. —
„Unsere jetzige höhere Bildung steht noch unter
dem Zeichen Winckelmanns".. Aber was für die An-
fänge der modernen deutschen Geistesart notwendig
war, das ist dies keineswegs auch noch heute. „Der
Mann empfindet anders und soll anders empfinden
als der Jüngling". — „Der Jüngling schwärmt für
Welt und Menschheit; der Mann hält etwas auf seine
Ahnen und Stammesgenossen". — ,,Das deutsche
Geistesleben muss nicht mehr um die „Sonne" Homers,
sondern um die deutsche „Erde" zirkuliren". —
„Wer Rembrandt schätzt, braucht die Antike nicht
gering zu schätzen. Ersterer selbst war im Besitz
einer grossen Sammlung von antiken Bildwerken;
aber er liess sich nicht direkt von ihnen beein-
flussen", — „er bildete seinen Geist, aber nicht seinen
Pinsel nach der Antike"
,Goethe, der sich das
Fremde assimilirte'), Shakespeare, der es überwand,
und Rembrandt, der es vollkommen von sich fern
hielt, sind vorbildlich für das gesamte deutsche
Volk".
Wir glauben genug von den Worten des Autors
phonographirt zu haben, um den Leser auf das Werk
begierig zu machen, das über so manche Herzens-
angelegenheit der Nation kernige Wahrheiten ent-
hält. Vielen mögen dieselben bitter schmecken,
Einzelheiten im Ausdruck auch mit Recht für excen-
trisch gelten: der Grundanschauung wird man schwer-
lich seinen Beifall versagen können. Über die Per-
sönlichkeit des hochbegabten und vielbelesenen Autors
wagen wir keine Vermutung. Manchmal war es uns
1) Über den Goethekultus unserer Sprachforscher und
Literaturhistoriker findet sich manches köstliche und scharfe
Wort eingestreut. So z. B.: „Die heutige Waschzettellittera-
tur über Goethe ist kaum mehr wert als — die Weste
Schillers, welche in Gohlis bei Leipzig unter Glas und Rahmen
gezeigt wird".
RernbrancTt als Erzieher.
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gegengewirkt werden. Die übliche Aufstellung der
Gegenstände in den Museen, nach Rubriken, ist
direkt kunstwidrig".
Der Vorschlag, welchen der Autor macht, um
diesen Übelständen abzuhelfen, stimmt im wesent-
lichen mit Lenbachs bekannten Ideen überein. Er
sagt: „Es giebt grosse deutsche Kunststädte, in
welchen sich die Künstler rühmen, selten oder nie
ein Museum zu besuchen; das ist nicht das richtige
Verhältnis der neuen zur alten Kunst; aber die
Schuld solcher Ungehörigkeiten liegt überwiegend
an der Beschaffenheit der Museen selbst. Es wäre
daher ratsam und zweckmässig, das Prinzip einzelner
einheitlich dekorirter Innenräume., wie man es in
grösseren Museen und Ausstellungen teilweise schon
anzuwenden begonnen hat, nach Kräften zu erweitern
und womöglich zum herrschenden zu machen; da-
durch wird nicht nur auf den Verstand und das Auge,
sondern auch auf das Gefühl und das Urteil des
Beschauers gewirkt". — „Museen sind Erziehungs-
organe; das ist das Verhältnis zum gesamten Volk;
blosse Belegsammlungen für wissenschaftliche For-
schung sollen sie nicht sein. Es wäre nicht recht,
wollte man der Muse, statt der Leier, ein Lexikon
unter den Arm geben".
Und wie denkt sich der Autor die Erziehung
und Bildimg unserer Künstler ? Das Rembrandt-Ideal
giebt darüber Aufschluss. Alle Nachahmung, alles
Akademische muss von Grund aus beseitigt werden.
„An die ~Kxmsbgesmnung der alten Zeiten soll man
sich halten, nicht an ihre Kunstleisticngen; man soll
die letzteren niemals im einzelnen nachahmen1'. Das
war bekanntlich auch die Art des Carstens. Er
nahm die Statuen des Antikensaals in sein Gedächt-
niss auf, er läuterte dadurch seine Phantasie; aber
er zeichnete sie nicht nach. — Alle Kunst muss
vom Volksboden, vom Stammescharakter ausgehen.
„Der holsteinische Maler soll holsteinisch, der thü-
ringische thüringisch, der bayrische bayrisch malen:
durch und durch, innerlich und äusserlich, gegen-
ständlich wie geistig. Auf dieses uralte Volksrecht
muss man zurückgreifen; eher wird eine Wendung
zum Bessern nicht eintreten; eher wird der Deutsche,
der politisch eine Heimat gefunden, eine künstlerische
Heimat nicht finden". — Der Künstler muss wieder
„bürgerlich" werden, wie in alter Zeit. „Nicht der
heutige Maler mit seiner manierirten Samtjacke,
sondern Walther von der Vogelweide mit dem Schwert
an der Seite, Peter Vischer im Schurzfell und Rem-
brandt in der Arbeitsbluse sind die rechten Künstler-
typen". — So wie Phidias der höchste Ausdruck des
volkstümlichen hellenischen Geistes, Rembrandt
dasselbe für Holland war, so soll es der deutsche
Künstler — der Zukunft für den deutschen Volks-
geist werden. Dahin aber gelangt niemand durch
Nachahmung, nur durch „Treue gegen sich selbst,
Treue gegen das angeborene enge Stück deutscher
Erde, Treue gegen den weiten lebendigen deutschen
Volksgeist". — „Die deutsche Kunst wird desto
besser sein, je deutscher sie ist". — „Eine fremde
Handschrift nachzuahmen ist in der Kunst ebenso
überflüssig und unter Umständen verdammlich, wie
es dies im Leben ist".
Man hat hierdurch den Massstab für die Be-
urteilung, welche der Autor der klassischen Grundlage
der modernen Künstlerbildung angedeihen lässt. —
„Unsere jetzige höhere Bildung steht noch unter
dem Zeichen Winckelmanns".. Aber was für die An-
fänge der modernen deutschen Geistesart notwendig
war, das ist dies keineswegs auch noch heute. „Der
Mann empfindet anders und soll anders empfinden
als der Jüngling". — „Der Jüngling schwärmt für
Welt und Menschheit; der Mann hält etwas auf seine
Ahnen und Stammesgenossen". — ,,Das deutsche
Geistesleben muss nicht mehr um die „Sonne" Homers,
sondern um die deutsche „Erde" zirkuliren". —
„Wer Rembrandt schätzt, braucht die Antike nicht
gering zu schätzen. Ersterer selbst war im Besitz
einer grossen Sammlung von antiken Bildwerken;
aber er liess sich nicht direkt von ihnen beein-
flussen", — „er bildete seinen Geist, aber nicht seinen
Pinsel nach der Antike"
,Goethe, der sich das
Fremde assimilirte'), Shakespeare, der es überwand,
und Rembrandt, der es vollkommen von sich fern
hielt, sind vorbildlich für das gesamte deutsche
Volk".
Wir glauben genug von den Worten des Autors
phonographirt zu haben, um den Leser auf das Werk
begierig zu machen, das über so manche Herzens-
angelegenheit der Nation kernige Wahrheiten ent-
hält. Vielen mögen dieselben bitter schmecken,
Einzelheiten im Ausdruck auch mit Recht für excen-
trisch gelten: der Grundanschauung wird man schwer-
lich seinen Beifall versagen können. Über die Per-
sönlichkeit des hochbegabten und vielbelesenen Autors
wagen wir keine Vermutung. Manchmal war es uns
1) Über den Goethekultus unserer Sprachforscher und
Literaturhistoriker findet sich manches köstliche und scharfe
Wort eingestreut. So z. B.: „Die heutige Waschzettellittera-
tur über Goethe ist kaum mehr wert als — die Weste
Schillers, welche in Gohlis bei Leipzig unter Glas und Rahmen
gezeigt wird".