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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Die akademische Ausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0018

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Die akademische Ausstellung in Dresden.

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clien, wenn, wie man hört, die in Rede stehenden
Räume zur Beherbergung der modernen Abteilung
der Königlichen Gemäldegalerie eingerichtet werden
sollen.

Immerhin verdient der akademische Rat Aner-
kennung dafür, dass er den Versuch gemacht hat, trotz
des Mangels eines passenden Ausstellungslokales
und der gleichzeitigen Konkurrenz von München
und Berlin auch dieses Jahr eine Ausstellung zu
veranstalten. Er hat im ganzen 580 Kunstwerke
zusammengebracht, von denen die bei weitem grössere
Zahl (413) dem Gebiete der Ölmalerei angehört.
Da im vorigen Jahr nur 393 Kunstwerke zusammen-
gekommen waren, könnte es scheinen, als ob wir
diesmal einen Fortschritt mit unserer Ausstellung
gemacht hätten. In der That berichten Dresdener
Zeitungen in diesem Sinne. Bei genauerer Prüfung
kann jedoch dieses günstige Urteil nicht bestehen.
Die Zahl der über das zulässigeDurchschnittsmass her-
vorragenden Kunstwerke ist ziemlich gering; einige
sogar bleiben hinter demselben zurück, da die Auf-
nahmejury noch immer nicht streng genug verfährt.
Dazu kommt noch, dass eine lange Reihe von Ge-
mälden längst bekannt ist. Man empfängt zuweilen
den Eindruck, dass die Künstler versuchen, ihre
Werke, die sie anderswo nicht los geworden sind,
nunmehr in Dresden an den Mann zu bringen. So
viel steht wenigstens fest: entscheidende Wendungen
unserer deutschen Kunst kann man in Dresden nicht
beobachten; wir müssen mit dem vorlieb nehmen,
was in München, Berlin und Wien bereits zu sehen
war, für diese Plätze zu spät fertig wurde oder dort
gar nicht angenommen worden wäre.

An diesem Zurückbleiben der Dresdener Aus-
stellungen, das sich nur zum Teil durch den gegen-
wärtigen Mangel eines besonderen Ausstellungsge-
bäudes erklärt, vermag sogar die Aussicht auf Ankauf
aus den reichen Mitteln der Pröll-Heuer-Stiftung
und auf Überweisung in die Galerie nicht viel zu
ändern. Künstler, denen es darum zu thun ist, be-
kannt zu werden und ihre Eigenart zur Anerkennung
zu bringen, ziehen es vor, ihre neuen Schöpfungen
erst anderswo vorzuführen, ehe sie sich nach Dres-
den wenden. Ja selbst für die in Dresden ansässigen
Künstler scheint die akademische Ausstellung keine
Anziehungskraft zu haben. Im ganzen rührt noch
nicht der vierte Teil der ausgestellten Werke von
ihnen her, und, was noch mehr besagen will, man
vermisst im Katalog eine Reihe von Namen, die zu-
erst genannt zu werden pflegen, wenn von Dresdener
Kunst die Rede ist.

Unter solchen Umständen kann sich unsere Be-
richterstattung auf die Anführung einiger weniger
neuer Schöpfungen beschränken, welche wegen ihrer
Trefflichkeit oder ihrer Urheber auch weiteren Kreisen
bekannt zu werden verdienen.

Von Arbeiten Dresdener Künstler haben wir
zwei besonders fesselnde zu nennen: zuerst das kleine,
aber sprechend ähnliche und in Bezug auf die Cha-
rakteristik vorzügliche Porträt des Herrn Regierungs-
rates Dr. von Seidlitz von Paul Kiessling, und das
beträchtlich grössere historische Genrebild von Karl
N. Bantzer, „Wallfahrer am Grabe der heil. Elisa-
beth", welches uns den noch jugendlichen begabten
Künstler unter dem Einfluss italienischer und spa-
nischer Genrebilder zeigt, wie sie im vorigen Jahre
zahlreich in München zu sehen waren.

Viel Lob verdient unter den Genrebildern Aloys
Fellmanns (Düsseldorf) „Gelübde". Es stellt die Auf-
nahme eines Benediktiners in den Orden dar und
fesselt uns hauptsächlich durch die scharfe Charak-
terisirung der der heiligen Handlung beiwohnenden
Mönche, aus deren Gesichtern wir die verschieden-
sten Seelenstimmungen, strengste Askese wie joviale
Gutmütigkeit, finsteren Fanatismus wie gleichgülti-
gen Stumpfsinn, herauslesen. Offenbar versteht Fell-
mann vorzüglich zu beobachten und das Geschaute
auch trefflich wiederzugeben. Sein Bild gehört zu den
besten Leistungen der Ausstellung. Der feine Silber-
ton der Diez-Schule verleiht dem Genrebild Max
Gaisers aus München: „Der lustige Trompeter" einen
besonderen Reiz. Im übrigen erinnert es lebhaft an
die vorzüglichen Schilderungen holländischen Lebens
von C. Klaus Meyer, der leider die Ausstellung nicht
beschickt hat. Friedrich Kaümorgen aus Stuttgart
sandte ein neues Werk, die „Neugierigen" betitelt,
d. h. Kinder, die verwundert einem im Freien ar-
beitenden Maler zusehen. Tüchtig gemalt, kann dieses
Bild doch kaum für eine den früheren Leistungen
des Künstlers ebenbürtige Leistung angesehen werden,
Gleiches möchten wir von Karl Hoffs „Abschied der
Geusen" behaupten, doch wollen wir nicht ver-
schweigen, dass von anderer Seite das Bild aner-
kennend hervorgehoben wurde. Auch gehört es zu
denen, die schon nach kurzer Zeit den Vermerk
„Verkauft" trugen. Von Uhde lernen wir ein älteres,
für die Geschichte seiner Entwicklung interessantes
Gemälde „Näherinnen" (1882) kennen, das sich aller-
dings an Bedeutung mit seinen späteren biblischen
Bildern nicht messen kann, das aber bereits seine
spätere Meisterschaft in der Behandlung des Lichtes
erkennen lässt.
 
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