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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Rosenberg, Adolf: Ausstellung der kunstgeschichtlichen Gesellschaft in Berlin, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0212

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Die Ausstellung der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft in Berlin.

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anderen entstanden: eine mit 1637 bezeichnete „Fluss-
landschaft mit einem Gehöft unter hohen Bäumen und
einer landenden Fähre" (Bes. Graf Lerchenfeld) und ein
„Halt von Reitern und Reisenden vor einem von hohen
Bäumen umstandenen Wirtshause" (Bes. Herr 0.
Wesendonck). Letzteres Bild ist zwar nicht datirt,
stimmt aber in der malerischen und zeichnerischen
Behandlung völlig mit der „Flusslandschaft" über-
ein. — Zwei von den drei Bildern des Aari van der
Neer gehören zu der grossen Gruppe der mit Schlitt-
schuhläufern belebten Winterlandschaften des Künst-
lers. Nur die eine (Bes. Herr J. Simon) bietet in-
sofern etwas Aussergewöhnliches, als sie, ausser mit
dem bekannten verschlungenen Monogramm, auf der
Rückseite noch mit der Jahreszahl 1647 und zwei
grossen aus J und M, bezw. aus A und L gebilde-
ten Monogrammen bezeichnet ist. Ob diese Mono-
gramme auf das Bild selbst oder vielleicht nur auf
spätere Besitzer Bezug haben, wissen wir nicht.
Immerhin sei es gestattet, einmal die Frage aufzu-
werfen, ob nicht die zahlreichen, äusserst lebendig,
geistvoll und sicher gezeichneten Figuren, nicht
bloss hier, sondern auch auf vielen anderen Bildern
des Meisters, von anderer Hand herrühren. — Zu
den holländischen Landschaftsmalern, die erst in
neuerer Zeit zu einer entsprechenden Würdigung
ihrer Bedeutung gelangt sind, gehört der Amster-
damer Philips de Koninck (1619—1688), und die mit
seinem Namen und der Jahreszahl 1655 bezeichnete
Flachlandschaft, die einen äusserst weit ausgedehnten
Blick über eine von Baumreihen und Wasserläufen
durchzogene Ebene mit einer Stadt im Mittelgrunde
und hellbeleuchteten Dünen am fernen Horizonte er-
öffnet (Bes. Herr J. Simon), ist dazu geeignet, die
Wertschätzung des Künstlers noch zu steigern. Es
ist ein Meisterwerk in der Behandlung der Perspek-
tive wie in der feinen, aber durchaus nicht klein-
lichen Detaillirung und in der wechselnden Be-
leuchtung, die im Vordergrunde von einem leicht
bewölkten Himmel ausgeht, in der Mitte dunkle
Schatten wirft und gegen den Hintergrund zu vollem
Sonnenglanze wächst. — In gleich hohem Range
steht die koloristisch noch wirksamere, mit äusserst
flüssigem Pinsel gemalte, voll bezeichnete „Helle
Mondnacht" von Äelbert Oiiyp (Bes. Herr A. v. Car-
stanjen): ein breiter Wasserlauf mit einer Mühle am
Ufer oberhalb einer Landungsbrücke, vor welcher
Segelboote liegen, auf die einige Männer zuschreiten.
Neben der Mühle ist der Mond sichtbar, dessen Licht
sich mit wunderbarem Schmelze auf der ruhigen
Wasserfläche spiegelt und die dunstige Atmosphäre

wie geschmolzenes Silber durchdringt. Hier sind
die stärksten poetischen Wirkungen erreicht worden
ohne den leisesten Zug moderner Empfindsamkeit
und absichtlicher Effekthascherei. — Die neun Land-
schaften von Jakob van Ruisdael vertreten alle Rich-
tungen seiner Kunst mit Ausnahme der seltenen
Marinen und Städteansichten. Wir haben zwei
Wasserfälle, einen im Charakter der norwegischen
Gebirgsnatur (Bes. Herr J. Simon) und einen aus
niederrheinischen Motiven komponirten, wir haben
eine kleine Winterlandschaft (Bes. Herr M. Stein-
thal), ein Flussufer mit steil ansteigendem Rande und
einem Wege daneben von 1647 (Bes. Herr C. Hol-
litscher) und eine etwa derselben Zeit angehörige
„Bauernhütte am Bergabhange" (Bes. Herr 0. Wesen-
donck), beide wohl nach Motiven aus der Umgebung
Haarlems, und drei jener Bilder, die bei der gegen-
wärtigen Herrschaft des „Wirklichkeitsdranges" von
den Sammlern höher geschätzt werden, als diejenigen
Bilder des Meisters, in denen die landschaftliche
Komposition zum Träger einer lyrischen Stimmung
gemacht worden ist. Es sind eine Partie an einem
Waldesrande mit einem Jäger (Bes. Herr F. Brodt-
mann) und zwei von Bäumen umgebene und beschat-
tete Gewässer bei Abendstimmung (Bes. Herr A. Thiem
und L. L.). An Bildern dieser Gattung, welche ein-
fache Naturausschnitte eben so schlicht und einfach
widerspiegeln, so dass man wirkliche Naturporträts
ohne kompositionelle Zuthaten vor sich zu haben
glaubt, hat sich besonders die französische Schule des
Paysage intime gebildet, und auch dieser Umstand
mag dazu beigetragen haben, dass sie jetzt in hoher
Schätzung stehen. Wie sehr aber Woermann recht
hat, wenn er in seiner „Geschichte der Malerei" nicht
in ihnen, sondern in den komponirten und stilisirten
Landschaften, in denen sich Ruisdael als Schöpfer
und Dichter zeigt, den Höhepunkt seiner Kunst er-
blickt, lehrt auch ein Gemälde unserer Ausstellung,
eine Ruine im Walde (Bes. Herr 0. Wesendonck),
der stehengebliebene Chor eines backsteinernen Kirch-
leins, der von Buchen umgeben ist und an dem ein
breites Wasser dem Vordergrunde zufliesst. Vor der
Ruine sitzt ein Künstler und zeichnet, während ein
anderer Mann neben ihm seiner Arbeit zuschaut.
Unter den poetischen Kompositionen Ruisdaels nimmt
diese vortrefflich erhaltene und nur erst wenig nach-
gedunkelte Landschaft eine hohe Stellung ein, und
man darf es wohl wagen, sie den besten Dresdener
Bildern dieser Gattung nahezubringen. — Von den
übrigen Landschaften, Marinen und Architektur-
stücken der holländischen Schule sind noch der
 
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