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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0091

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169

Bücherschau.

170

Beobachtung war eine alltägliche und leichte. Aber
auch die scheue Gazelle und der stolze Hirsch, der
Leu und der Adler, die sich seltner beobachten Hessen,
sind mit der gleichen Sicherheit und Treue bald in
behaglicher Ruhe, bald in wilder Bewegung, immer
mit idealer Naturwahrheit dargestellt. Eine vollen-
deteres Bild als die beiden Adler, die einen Hasen
zerfleischen, auf den Tetradrachmen von Akragas
(IV, 29; vgl. dazu XX, 43) ist kaum möglich: die
Gier der Raubvögel, das Hinunterschlingen der
Bissen, die Urkraft der Tiere, alles ist vortrefflich
zur Anschauung gebracht. Und so ist es mehr oder
weniger bei allen Getier der Fall, das dargestellt
wird, und dargestellt wird eben hier alles, was auf
Erden und in der Luft kreucht und fleucht oder im
Wasser hauset und Sinn wie Augen der Hellenen
in irgend einer Weise berührt. Was die Flora be-
trifft, so tritt sie gegen die Fauna zurück, deren
Beweglichkeit sie den Künstlern anziehender machte.
DenBeschluss bilden einige Darstellungen fabelhafter
Tiere und Mischwesen, in deren organischer Mög-
lichkeit und künstlerischer Bildung die Griechen un-
übertroffen geblieben sind (XI, 1 ff; XXV, 28 ff). So
dankenswert diese letzteren Zusammenstellungen für
die Archäologen immerhin sind, so hätten sie doch
vielleicht wegbleiben sollen oder können, da die
erhaltene Fülle den Stoff zu einem besonderen Atlas
bietet und das hier Gegebene, zumal bei den Gemmen
allzu lückenhaft und zufällig ist — man denke nur
an die phantastische Traumwelt der sog. Gryllen,
die hier nur durch zwei Beispiele vertreten ist,
(XXV, 63 und 64; vgl. dazu noch XVII, 13; 14;
XVIII, 49; XIX, 45; XXIV, 38; XXVI, 48).

Die phototypischen Abbildungen der Münzen
sind ganz tadellos; bei den Gemmen stört, dass hier
und da ein mangelhafter Abdruck zur Wiedergabe
benutzt werden musste. Ein wesentlicher Fortschritt
für das Studium ist dagegen bei diesen Gemmen-
abbildungen, dass mit Ausnahme von Tafel XXIV
alle geschnittenen Steine sich in Originalgrösse prä-
sentiren. Zu den knappen gelehrten Texterklärungen
sei mir gestattet, die eine oder die andere Bemerkung
bez. Ausstellung zu machen, die mir zur Förderung
der Altertumskunde und der Wahrheit beizutragen '
scheint. Taf. II, 17. Nach Imhoof-Blumer ist der
Pferdekopf mit Stierhörnern auf den Tetradrachmen
des Seleukos Nikator wahrscheinlich der Bukepha-
los des grossen Makedoners, wie er sich in der Le-
gende gebildet hatte. Mir scheint die wohl von
Visconti zuerst geäusserte Ansicht, dass hier der Kopf
des Bosses dargestellt, welches den Seleukos einst

aus Feindesland rettete und deswegen durch ein
Denkmal geehrt werde (Malalas VIII p. 202 Din-
dorf: aycdfia XEcpaXrjq), richtiger zu sein; die Hörn er
symbolisiren des Tieres Stärke, wie der Verf. richtig
bemerkt. — Taf. IV, 18. Das Zweigbündel auf den
eleusinischen Bronzestücken ist einer der umwun-
denen im dortigen Kultus gebräuchlichen ßäxyor,
vgl. 3. Hall. Winckelmannsprogr. S. 89 Nr. 28. —
Taf VIII, 5. Amphitrites Kopf mit einer Krabbe
als helmartiger Kopfbedeckung bietet ein Gegenstück
zum Nereus auf dem pergamenischen Altar, dessen
Haupt mit einer Fischhaut bedeckt ist. — Taf. X, 10.
Ist der „Zweig mit drei Blättern" nicht vielmehr
sicher eine Narthexstaude (ferula communis Lin.),
wie sie in den Händen des Dionysos auf Vasen-
bildern so häufig vorkommt? Neben dem Schilf
würde diese Wiesen- und Sumpfflanze in der Hand
eines Flussgottes wohl passen. — Taf. XIII, 6. Der
Contorniat zeigt nicht Skylla, die Mannschaft „eines"
Schiffes in die Fluten herabziehend, sondern doch
wohl, wie das Ungeheuer die Mannen „des Schiffes des
Odysseus" vernichtet? — Taf. XIV, 11. Nicht nur die
Künstlerinschrift, sondern auch die Darstellung dieses
Löwen mit dem menschenähnlichen Gesichte ist
modern [ebenso urteilt der Gemmenkatalog des Bri-
tish Museum Nr. 1884]. — Taf. XIV, 20. Doch wohl
ein Hundekopf oder aber ein Wolfskopf? — Taf.
XVI. 30. Hier ist im engsten Sinne des Wortes
von einem „Lagobolon" nicht von einem „pedum"
zu sprechen. — Taf. XVI, 49. Das von unten ge-
sehene Pferd war im Altertum ein viel beliebterer
Gegenstand auf Gemmen, als Kellers Text ahnen
lässt: man vergleiche unter den Selinunter Ab-
drücken Tav. XII No. 264 268 (Notiz, degli Scavi
1883 p. 300). — Taf. XVI, 53. Der Mann bietet ein
weiteres Beispiel des vxoßiß '^eO&ar, vgl. dazu Ar-
chäol. Zeit. 1880 S. 18 ff; ferner den Stern der Samm-
lung Orleans bei Du Chou-Le Blond H 53. — Taf.
XVI, 70. Diese herrliche Darstellung geht auf ein
Bild des Nikomachos zurück: Schuchardt Niko-
machos S. 21) ff. — Taf. XVI, 77. Die „mythologi-
schen" Repliken dieser Genredarstellung sind im 12.
Hall. Progr. S. 67 Nr. 3 behandelt. — Taf. XVII, 7.
Schmutzige Darstellung.— Taf. XVII, 11. Von einem
Andrücken bez. Anpressen der Mänade an den
Schlauch ist nicht die Rede. Der Raummangel nö-
tigte, die Frau so dicht an und hinter den Schlauch
zu stellen. — Taf. XVIII, 53. Die im Text ange-
führte Berliner Gemme mit Polyphemos' Widder
mit Recht vonStephani angezweifelt: sie ist modern. —
Taf. XX, 52. Natürlich nicht antik; Gleiches gilt auch


 
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