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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Stiassny, Robert: Georg Penz als Italist
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0096

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Georg Penz als Italist.

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litteratur übergegangen war (S. Gesta Romanorum,
hrsg. von H. Oesterley, Berlin 1872, S. 625) und eine
weitere Verbreitung als jene von Pero und Cimon
gefunden hatte, mochte sie dem künstlerischen Ge-
schmacke der Epoche weniger zugesagt haben als
die letztere in ihrer heroisch-derberen Fassung.

Belangreicher als dieses ikonographische Mo-
ment erscheint die in jener Baseler Korrespondenz
aufgeworfene Frage nach der Herkunft der italisiren-
den Elemente im Stile des Penz. Zu ihrer Beant-
wortung muss aber vor allen Dingen das Stecher-
werk des Künstlers herangezogen werden, in welchem
sich seine Entwicklung wenigstens von 1534 bis
1547 verfolgen lässt, während aus seiner Frühzeit
nur die mutmassliche Mitarbeiterschaft an Dürers
„Triumphwagen" von 1522 (S. Hirth, Formenschatz I,
p. VIII, zuNoe. 71—78), sein Anteil an den 1521 bis
1522 ausgeführten Wandmalereien im grösseren Rat-
haussaale zu Nürnberg — den eine bisher übersehene
Kreidezeichnung in der Erlanger Universitätsbiblio-
thek, die „Verleumdung des Apelles" darstellend, be-
legt — und ein Porträt Ferdinands I. von 1531 in
einer Stockholmer Privatsammlung (Ol. Granberg a. a, 0.
S. 169. Nr. 301) bekannt sind. Schon die Folge der
„Sieben Werke der Barmherzigkeit" (B.58—64), deren
erstes Blatt die „Speisung" mit dem Datum 1534
— nicht mit der No. 34, wie Bartsch angiebt — be-
zeichnet ist, verrät in der glücklichen Raumverteilung
der einzelnen Scenen und den anmutig gewendeten
Figuren das Studium von Marcantons Stichen nach
Raffael; die Bilderbibel in den Loggien hat unver-
kennbar auf die 25 Blätter aus dem Leben Jesu
eingewirkt, welche nach der Ähnlichkeit der Stichel-
führung und Typen ungefähr gleichzeitig zu setzen
sind; die vier Darstellungen aus der römischen Ge-
schichte (B. 77—81), deren erste „Martertod des
Regulus" die Jahreszahl 1535 trägt, und die beiden
1539 datirten Stiche „Jason und Medea" (B. 18)
und „Procris und Cephalus" (B. 73), denen sich ein
drittes mythologisches Liebespaar „Paris undOinone"
(B. 72) noch im selben Jahre zugesellt haben dürfte,
leiten mit ihren auffälligen Anklängen an Komposi-
tionsmotive und den archäologischen Apparat Giulio
Romanos zu der gleichfalls 1539 entstandenen „Er-
oberung Carthagenas" (B. 86) über, einer unmittel-
baren Kopie nicht nach einem Fresko Giulios, wie
bisher angenommen wurde, sondern — der Nachweis
bleibe einem anderen Orte vorbehalten —- einem
wahrscheinlich für Franz I. von Frankreich entworfe-
nen Teppichkarton des Meisters, welcher in einer
Brüsseler Arazzeria ausgeführt wurde.

Wo mag Penz dieser gewiss nicht leicht zugäng-
lich gewesenen Vorlage habhaft geworden sein, in
Mantua oder in Flandern ? Für einen Besuch der Stadt
Giulios spräche zunächst die Technik des Blattes in
ihrer unbeholfenen Nachahmung der Weise Giovanni
Battista Scultoris, des Hauptes der Mantuaner Stecher-
schule, dessen datirte Arbeiten sich gerade in den
Jahren 1536—1539 zusammendrängen J); auch ein-
zelne Antwerpener Stecher, wie Com. Bos, die ihre
Thätigkeit aber erst um ein Jahrzehnt beinahe
später aufnehmen, verdanken den Scultori und Ghisi
manche Eigentümlichkeit ihres Vortrags und berühren
sich hiedurch entfernt mit Penz, von dem sie aber
schon ihr breiterer Grabstichel und die manierirte
Zeichnung, namentlich die übertriebene Betonung des
Muskelwerkes unterscheidet. Dass sich der Eintritt
des Penz in die Kunstsphäre Giulios in Italien selbst
und zwar entweder noch im Laufe der zwanziger
Jahre oder zwischen 1532—1538 vollzogen hat,
während welcher Zeit eine ununterbrochene An-
wesenheit des Künstlers in Nürnberg nicht bezeugt
ist, hilft eine weitere Reihe seiner Werke bestätigen.
Die „giorgio penze" bezeichnete. Skizze zu einer
Glocke mit Ornamenten aus dem Polifilo im Berliner

| Kupferstichkabinet, eine völlig venezianisch em-

I pfundene Kreidestudie vielleicht zu einer Susanna
im Dresdener Kabinet (Braun 434), der wieder ganz

I in G. Romanos Art gemalte „Tod der Lucretia" in
Schieissheim (Nr. 180), dem gewiss ein Original des
Penz zu Grunde liegt, seien hier nur beiläufig er-
wähnt. Wichtigere Aufschlüsse über seine italieni-
schen Beziehungen erteilen uns die einem Blatte des
Enea Vico nachgestochene „Judith" Michelangelos
von der Decke der Sixtina (B. 25) und die fraglos
von den Propheten desselben Bilderkreises angeregten
Evangelisten, welche Aldegrever nach Zeichnungen

I des Penz 1539 in Kupfer herausgegeben hat (B.
57—60). Vollends ohne südliche Eindrücke undenk-
bar sind die lebensgrosse, zumal im Kolorit als vor-
trefflich gerühmte Kopie nach Giorgiones „Ritter mit
dem Knappen" von 1545 im Besitze des Grafen
Redern zu Berlin (Waagen, Kunstdkm. in Wien 1,45;
Bode, Jahrb. d. pr. Kunstslg. IV, 151), und jene
erlesene Folge von Bildnissen aus den vierziger Jahren,
deren bald venezianisch anmutendes, bald an Floren-

1) Die Vermutung Mariettes (Abecedario II, 303), Penz
sei der Lehrer Giov. Battistas gewesen, bedarf natürlich kei-
ner ernsten Widerlegung; desgleichen irrt Passavant, wenn
er (P. Gr. IV, 102 und VI, 139), G. Ghisis Stich nach einem
Lunettenmedaillon Giulios im Pal. del Te „DieGefangenen"
(B. 66), die bestehenden Analogien mit der „Eroberung Car-
thagenas" überschätzend, dem Penz zuschreibt.
 
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