Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI Artikel:
Winkler, A.: Die neue Hofwaffensammlung in Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0098

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
183

Die neue Hofwaffensammlung in Wien.

184

bald auch die des kunsthistorischen folgen, ist
wenigstens zum Teil vor kurzem in Erfüllung ge-
gangen. Die Waffensammlung des österreichischen
Kaiserhauses wurde in ihrer neuen Organisation dem
Publikum zugänglich gemacht. Nachdem Se. Maj.
der Kaiser am 3. November v. J. die eben fertig
gestellte Abteilung des Hofmuseums besichtigt und
seine Zufriedenheit darüber geäussert hatte, wurde
dieselbe am 9. November dem allgemeinen Besuche
geöffnet. Derselbe findet jedoch vorläufig nur Mitt-
wochs und Sonnabends von 10 — 2 Uhr, und zwar
gegen Karten statt, welche tags vorher in den
Stunden zwischen 10 —12 Uhr im Hofmuseum ab-
zuholen sind.

Die im Hochparterre des Museums gegen die
Ringstrasse zu gelegenen Räume umfassen im ganzen
zwölf grössere und kleinere Säle, welche in der Ge-
samtfolge der Hochparterrelokalitäten des Museums
die Nummern XXV bis XXXVI führen. Die Auf-
stellung ist im wesentlichen eine chronologische,
und zwar der Art, dass in jedem der grossen Säle
eine Hauptepoche des Waffen- und Rüstungswesens
zur abgerundeten Darstellung gelangt: im ersten
Saal (XXV) die Zeit Maximilians I, in dem folgen-
den die Periode der Landsknechte, im dritten das
Zeitalter Karls V., im vierten die Epoche des Erz-
herzogs Ferdinand von Tirol, im fünften die Waffen
und Rüstungen aus der Zeit Maximilians IL, woran
sich dann der Saal des Alessandro Farnese, der Saal
Rudolfs H., die Waffen aus der Periode der Neuzeit,
endlich in speziellen Abteilungen die orientalischen
Rüstungsgegenstände, die Sammlungen der Jagd-
waffen, Jagdgeräte u. a. anreihen.

Der Leser gewinnt eine bestimmtere Vorstel-
lung von dem Umfange und der Kostbarkeit der
hier aufgespeicherten Gegenstände, wenn er erfährt,
dass nicht bloss die Schätze der früheren Ambraser
Sammlung aus dem unteren Belvedere und des zu-
letzt im Arsenal vor der JBelvederelinie aufgestellt
gewesenen Hofwaffenmuseums, sondern auch eine be-
trächtliche Zahl von Stücken aus den andern k. k.
Hofsammlungen, ältere Kriegs- und Jagdwaffen,
Sattelzeug u. dergl. hierher übertragen worden sind,
so dass die neue Waffensammlung des kunsthisto-
rischen Hofmuseums die erste vereinigte Sammlung
aller in dieses Gebiet einschlägigen Besitztümer des
österreichischen Kaiserhauses darstellt. Erinnern
wir uns vollends an die Hauptmomente der Ent-
stehung ihrer einzelnen Teile, so gewinnt diese Ver-
einigung erst ihr historisches Gepräge.

Die ersten Anfänge der habsburgischen Waffen-

kammer führen uns bis zu den Tagen Friedrichs III.
zurück. Beträchtliche Teile stammen aus dem Nach-
lasse Kaiser Maximilians I. und des Erzherzogs Sig-
mund von Tirol. Nach dem Ableben Ferdinands I.,
welcher das kaiserliche Zeughaus in die Stallburg
verlegt hatte, wurde eine Teilung der Harnisch-
kammer vorgenommen. Die eine Hälfte kam in den
Besitz Maximilians IL, die andere als Erbteil an den
Erzherzog Ferdinand von Tirol, welcher sie gegen
Ende seines Lebens, reich vermehrt, in seinem Schlosse
zu Ambras zur Aufstellung brachte. Erst 1806 ist
dieser Teil nach Wien zurückgelangt und hat jetzt
in der neuen Waffensammlung mit dem andern Teile
seine dauernde Wiedervereinigung gefunden.

Die neue Aufstellung des kaiserlichen Waffen-
museums wurde von dem Kustos der Sammlung,
Herrn Wendelin Boeheim, einer anerkannten Autori-
tät auf dem Gebiete der Waffenkunde'), in muster-
hafter Weise durchgeführt. Die Übertragung in die
neuen Räume und die definitive Aufstellung sämt-
licher Gegenstände, nebst Anfertigung des trefflichen,
von Boeheim abgefassten Führers, hat etwa ein Jahr
in Anspruch genommen. Bei der Aufstellung war
der Gesichtspunkt massgebend, das dekorative Mo-
ment stets dem wissenschaftlichen Grundgedanken
unterzuordnen. Von jedem theatralischen Aufputz
der Gegenstände, wie er in manchen älteren Samm-
lungen sich findet, wurde prinzipiell abgesehen, die
Beigabe von naturalistisch gestalteten Menschen-
und Pferdefiguren zu den Rüstungen durchweg aus-
geschlossen, dafür aber durch zweckentsprechend
konstruirte, geschmackvolle Glaskästen jedes Objekt
von selbständiger Bedeutung oder eine zusammen-
gehörige Gruppe von Gegenständen zu ebenso leicht
übersichtlicher wie gefälliger Anschauung gebracht.
Es ist ein Anblick von unvergleichlich ernster Schön-
heit, zwischen diesen Prunkharnischen Karls V. und
Rudolfs IL, den Meisterwerken altdeutscher Platt-
nerei, zwischen diesen Gruppen kostbarer Turnier-
und Kriegswaffen, an den langen Reihen der Ge-
wehre und Büchsen, der altorientalischen Waffen,
der Jagdarmrüste und sonstigen Jagdgeräte jeder
Art, an der Hand des orientirenden Führers hinzu-
wandeln/ welcher über Form und Zweck eines jeden
Gegenstandes uns in kurzer Form Aufklärung und
Belehrung bietet.

1) Von Boeheim rührt u. a. das reich illustrirte „Hand-
buch des Waffemoesens" her, welches als Teil der bekannten
Folge der Kunsthandbücher soeben im Verlage von E. A. See-
mann in Leipzig erscheint. Wir werden auf diese treffliche
Arbeit nach ihrer Vollendung zurückkommen.
 
Annotationen