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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0104

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Bücherschau.

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ten Hälfte des 13. Jahrhunderts abgebrochen. Von
besonderem Interesse ist der Schatz der Kirche; wir
nennen vor allem den sog. Mantel Karls des Grossen,
der übrigens nicht über das 12. Jahrhundert zurück
zu datiren ist; ferner einen Tragaltar aus Achat, mit
Niellen, ein vorzügliches Werk aus dem 12. Jahr-
hundert; dann zwei Bischofsstäbe aus Elfenbein. Die
übrigen reichen Schätze sind seit der Eevolution
verschwunden, doch haben sich einige derselben in
Paris wieder gefunden und zwar in der dortigen
Nationalbibliothek. Hierher gehören die berühmten
Handschriften: die Bibel und der Psalter Karls des
Kahlen; dann ein Evangeliar aus dem 6. Jahrhun-
dert auf Purpurvelin mit Goldschrift geschrieben,
ohne Miniaturen, aber mit ikonographisch höchst in-
teressantem Elfenbeindeckel, der wohl der karolingi-
schen Zeit angehört. Ferner zwei Evangeliarien aus
dem 10. Jahrhundert, ebenfalls mit Elfenbeindeckeln,
und mehrere andere aus dem 11. Jahrhundert. Ganz
besonders merkwürdig ist das Sakramentar des Bi-
schofs Drogo (826—855), unter dessen Episkopat es
nach gemeiner Annahme ausgearbeitet wurde. Es
ist eine Handschrift mit Miniaturen und höchst in-
teressantem Elfenbeindeckel mit Darstellungen aus
der christlichen Liturgie, eine hochwichtige Quelle
für die Kenntnis der mittelalterlichen Liturgie dieser
frühen Zeit. In dem Schatze befanden sich ferner
zwei Reiterstatuetten Karls des Grossen, die eine von
Silber ist längst verschwunden, die andere, welche
nach Paris gekommen war, von Bronze, ist neuer-
dings erst durch ihre Wiederauffindung unter dem
Schutte des Pariser Stadthauses bekannt geworden.
Von den vielen andern Kirchen sei nur noch
St. Arnulf genannt, wo einst die Reste Ludwigs des
Frommen begraben waren; die Kirche wurde schon
1552 vernichtet, das Mausoleum Ludwigs des From-
men bestand noch bis zur Revolution, in der es zer-
schlagen wurde. Von dem altchristlichen Sarkophag,
worin die Gebeine des Kaisers lagen, sind noch
Reste im Museum der Stadt Metz erhalten. Der
Raum verbietet uns, noch weiter auf den Inhalt des
Buches einzugehen; jedem Altertums- und Kunst-
forscher, der Lothringen bereist, wird das Buch un-
entbehrlich sein. B.

Max Lehrs, Wenzel von Olmütz. Mit 11 Tafeln
in Lichtdruck. 113 S. 8. Dresden 1889, Wilhelm
Hoffmann.

Der Meister W — beim blossen Aussprechen
dieses Namens bemächtigte sich seit Jahren der
Phantasie eines jeden deutschen Kunsthistorikers eine

geheimnisvolle Angst, als würde ein ruheloser Geist
heraufbeschworen, den zu bannen bisher kein Zauber-
wort sich mächtig genug erwies. In mannigfacher
Weise trieb derselbe sein Spiel, erschien in den ver-
schiedensten Gestalten und hatte auf dieselbe,, immer
von neuem an ihn gestellte Frage stets eine neue und
andere Antwort. Das eine Mal zeigte er sich als
ein welscher Künstler, der Gastfreundschaft in Nürn-
berg genoss, ein anderes Mal borgte er sich Gestalt
und Wesen von Albrecht Dürer, am dauerndsten aber
gab er sich als dessen Lehrer Michel Wolgemut zu
erkennen. Darüber war es denn fast in Vergessen-
heit gekommen, dass er anfänglich in viel beschei-
dener Art, nämlich als der Kupferstecher Wenzel
von Olmütz aufgetreten war. Wer war der rätsel-
volle Mann?

Von neuem ist die Frage an ihn gestellt worden
von zwei verschiedenen Wissbegierigen, und beider
Zeugnis lautet, dass sie wahre Kunde erfahren haben,
dass jene älteste Erscheinung die Wahrheit offen-
barte, alle späteren nur neckisches Spiel gewesen
seien. Was zuerst Wilhelm Schmidt mitgeteilt, hat
eine erneute Bestätigung in den ausführlichen Unter-
suchungen von Max Lehrs gefunden: alle die mit
einem einfachen W bezeichneten Stiche sind Arbeiten
eines und desselben Künstlers, dessen Name: Wenzel
von Olmütz, auf zwei Stichen zu lesen ist.

In seiner Schrift über Wenzel weist Lehrs zu-
nächst nach, dass die angeblich alte Tradition, jener
Künstler W, von dem wir eine Anzahl gleicher
Stiche wie von Dürer besitzen, sei Wohlgemut, in
der That durchaus unglaubwürdig ist. Die älteren
Schriftsteller, wie Quadt von Kinkelbach und
Sandrart, zählen den Künstler, ohne seinen Namen
zu kennen, zu den ältesten deutschen Stechern und
nehmen dementsprechend an, dass Dürer ihn kopirt
habe. Daraus entsteht dann bei zwei anderen For-
schern, bei Johann Friedrich Christ und dem Ver-
fasser der Schrift: „Von kunstlichen Handwerken
in Nürnberg" die sehr natürliche Annahme, der Buch-
stabe W bezeichne den ja sonst als Lehrer Dürers
bekannten Wolgemut. Diese blosse Vermutung wird
von Knorr, Heinecken und von Meier einfach zum
Range einer Thatsache erhoben und findet eine
scheinbare Bestätigung durch die von Lehrs als
durchaus unzuverlässig nachgewiesenen Angaben
im Katalog Derschau. Dieser Tradition gegenüber
stellte nun zwar Bartsch die Behauptung auf, jene
mit W bezeichneten Stiche seien Arbeiten des Wenzel
von Olmütz, doch sollte die unbegründete frühere
Ansicht durch Thausing wieder zur Herrschaft ge-
 
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