231
Bücherschau.
232
242 ff.). Der Verfasser führt den Nachweis, dass die
vier kleinen Reliefs aus Ponte allo Spino, jetzt in
der S. Ansanokapelle des Domes zu Siena, die H.
Semper als eine Vorstufe des Niccolö Pisano hin-
gestellt hat (Zeitschr. f. hild. Kunst 1871, S. 187),
als Schulprodukte desselben anzusehen sind (S. 225 ff).
Beachtenswert sind auch einige neue Zeitbestim-
mungen. Die bekannte Kanzel in S. Leonardo bei
Florenz, die nach einer alten Sage schon 1010 als
Siegesbeute aus Fiesole nach Florenz gekommen
sein soll, wird als das Werk eines Steinmosaicisten
des 12. Jahrhunderts bezeichnet (S. 197 ff.), und sehr
wahrscheinlich gemacht, dass die Kanzel im Dom
zu Volterra, die verschiedene Datirungen erfahren
hat, in das Jahrzehnt von 1250 — 60 zu setzen sei
.(S. 223 ff.) u. a.
Wie für die Bildwerke, so liefert das Buch auch
zur Künstlergeschichte wertvolle Beiträge. Die Zu-
sammenstellung und Beurteilung der Werke des
Biduinus (S. 44 ff), wo zu den bisher bekannten
(dem Relief am Hauptportal in S. Casciano bei Pisa
von 1180, einem Sarkophag im Campo Santo zu
Pisa, den beiden Reliefs an S. Salvatore mit der
Darstellung der Hochzeit des Königssohnes und der
Taufe des hl. Nicolaus — als solche erst richtig er-
klärt —) ein neues bezeichnetes Stück (ein Architrav-
relief im Stadtpalast des Marchese Mazzarosa in
Lncca) beigebracht wird, gewährt uns die Möglich-
keit, ein gewisses persönliches Schaffen zu verfolgen.
Ähnliche Einblicke empfangen wir in Kunst und
Herkunft des Bonannus (S. 211—217). Eine eigene
Bedeutung hat das IV. Kapitel über Guido da Como.
Hier hat der Verfasser den einen dieser romanischen
Skulptoren, von denen man meist nur den Namen
und eines oder zwei Werke anführen kann, als eine
bestimmte künstlerische Persönlichkeit klar heraus-
gearbeitet und seine Thätigkeit in den toskanischen
Städten in der Zeit von 1204 — 50 im Zusammen-
hang erwiesen — hauptsächlich dank einer glück-
lichen Kombination, die man bisher zu machen
unterlassen hat: Schmarsow führt den Nachweis,
dass der Verfertiger des Taufbeckens im Baptiste-
rium zu Pisa, der in der Inschrift mit dem Datum
1246 Guido Bigarelli de Cumo genannt wird, mit
dem Guidectus, der um 1204 an der Domfassade in
Lucca und 1211 kontraktlich in Prato arbeitete, zu
identifiziren ist, ebenso der an der Kanzel in S. Bar-
tolommeo in Pantano zu Pistoja (von 1250) genannte
Guido da Como. Auf diese Weise ist ein festerer
Begriff der Kunst dieses Meisters gewonnen, und
der Verfasser kann noch einige andere, unbezeich-
nete Werke für ihn in Anspruch nehmen; so be-
sonders die Figur des S. Michael am Oratorium von
S. Giuseppe in Pistoja und in Lucca die Thürsturz-
und Tympanonskulpturen des Mittelportals von S.
Martin: Maria mit den Aposteln und Christus in
Glorie von zwei Engeln umgeben — zwei Bestand-
teile, die wir wohl als zusammengehörend, d. h. als
Darstellung der Himmelfahrt Christi auffassen dür-
fen. Die Zeit nach Guido's Thätigkeit in Lucca
wird in dem V. Kapitel besprochen und besonders
werden die unter den Operavorstehern ßelenat und
Aldibrand entstandenen Arbeiten gründlich behan-
delt. Wir gewinnen auf diesem Wege eine anschau-
liche Darstellung der bildnerischen Thätigkeit in
Lucca bis zum Auftreten Niccolö's von Pisa.
Auch der Kunst des letzteren weiss der Ver-
fasser einige neue Seiten abzugewinnen. Insbeson-
dere wird seine Autorschaft für die grossartige
Kreuzabnahme und die Anbetungsscene an der Porta
del Volto Santo von S. Martino befestigt und die-
selben mit annähernder Sicherheit der Zeit zwischen
der Pisaner und der Pistojeser Kanzel (1260—63)
zugewiesen. Auch die Charakteristik des Niccolö
(S. 131 ff.), seines so anders gearteten Sohnes Gio-
vanni (S. 146 ff), wie des Andrea Pisano (S. 151)
und des Orcagna (S. 157 ff.) sucht das Wesen ihrer
Individualitäten scharf zu erfassen.
Der Schlussteil des Buches ist einer allgemeinen
zusammenfassenden Betrachtung gewidmet. Es wird
gezeigt, wie die comaskisch-lombardische Kunst von
Norditalien her in den nächsten an den Gebirgs-
strassen gelegenen Orten, wie Pistoja und Lucca,
Eingang sucht, von da durch Toskana sich weiter
verbreitet, wie sie hier eine eigene Ausbildung von
schlichter Steinmetzenarbeit und Anlehnung an byzan-
tinische Muster zu freierem Relief und zur Frei-
skulptur erlebt, als deren höchste Leistungen auf
der einen Seite das steinerne S. Martinsbild und die
Reliefs der Vorhalle des Domes zu Lucca, auf der
anderen Seite die Werke Niccolö Pisano's anzusehen
sind, der sich auf kleinere Aufgaben beschränkt;
ganz ähnlich nimmt auch die Skulptur in Oberitalieu
ihre Entwickelung, wie verwandte Skulpturen am
Baptisterium in Parma, an der Vorhalle des Domes
in Ferrara etc. bekunden, auf welche das Buch aus-
führlich hinweist (S. 235 ff.). ')
1) Wir verweisen auch auf die Beiträge, die das Buch
an zahlreichen Stellen für die christlichen Darstellungskreiso
giebt; z. B. für das Abendmahl S. 12, 36, 213, 215, 222 ff.;
für die Taufe S. 47, 180, 194, 198, 201 f., 207 f., 219; für die
Monatsbilder S. 92 ff., 171 f., 191 f., 220 f., 232, 235, 238 ff.
u. a, m.
Bücherschau.
232
242 ff.). Der Verfasser führt den Nachweis, dass die
vier kleinen Reliefs aus Ponte allo Spino, jetzt in
der S. Ansanokapelle des Domes zu Siena, die H.
Semper als eine Vorstufe des Niccolö Pisano hin-
gestellt hat (Zeitschr. f. hild. Kunst 1871, S. 187),
als Schulprodukte desselben anzusehen sind (S. 225 ff).
Beachtenswert sind auch einige neue Zeitbestim-
mungen. Die bekannte Kanzel in S. Leonardo bei
Florenz, die nach einer alten Sage schon 1010 als
Siegesbeute aus Fiesole nach Florenz gekommen
sein soll, wird als das Werk eines Steinmosaicisten
des 12. Jahrhunderts bezeichnet (S. 197 ff.), und sehr
wahrscheinlich gemacht, dass die Kanzel im Dom
zu Volterra, die verschiedene Datirungen erfahren
hat, in das Jahrzehnt von 1250 — 60 zu setzen sei
.(S. 223 ff.) u. a.
Wie für die Bildwerke, so liefert das Buch auch
zur Künstlergeschichte wertvolle Beiträge. Die Zu-
sammenstellung und Beurteilung der Werke des
Biduinus (S. 44 ff), wo zu den bisher bekannten
(dem Relief am Hauptportal in S. Casciano bei Pisa
von 1180, einem Sarkophag im Campo Santo zu
Pisa, den beiden Reliefs an S. Salvatore mit der
Darstellung der Hochzeit des Königssohnes und der
Taufe des hl. Nicolaus — als solche erst richtig er-
klärt —) ein neues bezeichnetes Stück (ein Architrav-
relief im Stadtpalast des Marchese Mazzarosa in
Lncca) beigebracht wird, gewährt uns die Möglich-
keit, ein gewisses persönliches Schaffen zu verfolgen.
Ähnliche Einblicke empfangen wir in Kunst und
Herkunft des Bonannus (S. 211—217). Eine eigene
Bedeutung hat das IV. Kapitel über Guido da Como.
Hier hat der Verfasser den einen dieser romanischen
Skulptoren, von denen man meist nur den Namen
und eines oder zwei Werke anführen kann, als eine
bestimmte künstlerische Persönlichkeit klar heraus-
gearbeitet und seine Thätigkeit in den toskanischen
Städten in der Zeit von 1204 — 50 im Zusammen-
hang erwiesen — hauptsächlich dank einer glück-
lichen Kombination, die man bisher zu machen
unterlassen hat: Schmarsow führt den Nachweis,
dass der Verfertiger des Taufbeckens im Baptiste-
rium zu Pisa, der in der Inschrift mit dem Datum
1246 Guido Bigarelli de Cumo genannt wird, mit
dem Guidectus, der um 1204 an der Domfassade in
Lucca und 1211 kontraktlich in Prato arbeitete, zu
identifiziren ist, ebenso der an der Kanzel in S. Bar-
tolommeo in Pantano zu Pistoja (von 1250) genannte
Guido da Como. Auf diese Weise ist ein festerer
Begriff der Kunst dieses Meisters gewonnen, und
der Verfasser kann noch einige andere, unbezeich-
nete Werke für ihn in Anspruch nehmen; so be-
sonders die Figur des S. Michael am Oratorium von
S. Giuseppe in Pistoja und in Lucca die Thürsturz-
und Tympanonskulpturen des Mittelportals von S.
Martin: Maria mit den Aposteln und Christus in
Glorie von zwei Engeln umgeben — zwei Bestand-
teile, die wir wohl als zusammengehörend, d. h. als
Darstellung der Himmelfahrt Christi auffassen dür-
fen. Die Zeit nach Guido's Thätigkeit in Lucca
wird in dem V. Kapitel besprochen und besonders
werden die unter den Operavorstehern ßelenat und
Aldibrand entstandenen Arbeiten gründlich behan-
delt. Wir gewinnen auf diesem Wege eine anschau-
liche Darstellung der bildnerischen Thätigkeit in
Lucca bis zum Auftreten Niccolö's von Pisa.
Auch der Kunst des letzteren weiss der Ver-
fasser einige neue Seiten abzugewinnen. Insbeson-
dere wird seine Autorschaft für die grossartige
Kreuzabnahme und die Anbetungsscene an der Porta
del Volto Santo von S. Martino befestigt und die-
selben mit annähernder Sicherheit der Zeit zwischen
der Pisaner und der Pistojeser Kanzel (1260—63)
zugewiesen. Auch die Charakteristik des Niccolö
(S. 131 ff.), seines so anders gearteten Sohnes Gio-
vanni (S. 146 ff), wie des Andrea Pisano (S. 151)
und des Orcagna (S. 157 ff.) sucht das Wesen ihrer
Individualitäten scharf zu erfassen.
Der Schlussteil des Buches ist einer allgemeinen
zusammenfassenden Betrachtung gewidmet. Es wird
gezeigt, wie die comaskisch-lombardische Kunst von
Norditalien her in den nächsten an den Gebirgs-
strassen gelegenen Orten, wie Pistoja und Lucca,
Eingang sucht, von da durch Toskana sich weiter
verbreitet, wie sie hier eine eigene Ausbildung von
schlichter Steinmetzenarbeit und Anlehnung an byzan-
tinische Muster zu freierem Relief und zur Frei-
skulptur erlebt, als deren höchste Leistungen auf
der einen Seite das steinerne S. Martinsbild und die
Reliefs der Vorhalle des Domes zu Lucca, auf der
anderen Seite die Werke Niccolö Pisano's anzusehen
sind, der sich auf kleinere Aufgaben beschränkt;
ganz ähnlich nimmt auch die Skulptur in Oberitalieu
ihre Entwickelung, wie verwandte Skulpturen am
Baptisterium in Parma, an der Vorhalle des Domes
in Ferrara etc. bekunden, auf welche das Buch aus-
führlich hinweist (S. 235 ff.). ')
1) Wir verweisen auch auf die Beiträge, die das Buch
an zahlreichen Stellen für die christlichen Darstellungskreiso
giebt; z. B. für das Abendmahl S. 12, 36, 213, 215, 222 ff.;
für die Taufe S. 47, 180, 194, 198, 201 f., 207 f., 219; für die
Monatsbilder S. 92 ff., 171 f., 191 f., 220 f., 232, 235, 238 ff.
u. a, m.