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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0164

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Das Vermächtnis König Ludwigs I. von Baiern.

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einige andere Herren, Dr. Geiger und Dr. Orterer,
eine Kenntnis der modernen Kunstbestrebungen ge-
offenbart, die es jedem Künstler als sehr wünschbar
erscheinen lässt, die Künstlerschaft möchte diese
fortan als Vorsitzende der Jury bei kommenden
Ausstellungen erwählen. Sich solche Perlen ent-
gehen zu lassen, das bringen nur ganz unwissende,
bockbeinige, ganz falschen Zielen zustrebende Men-
schen wie die Künstler fertig; der Wunsch des einen
Herrn, die Ansichten der Landesvertretung (d. h. also
in diesem Falle eines Teiles der bayerischen Geist-
lichkeit und einiger weniger Männer, die mit der
letzteren in keinem Zusammenhange stehen) möch-
ten bei künftigen Ausstellungen Berücksichtigung
finden, ist ebenfalls ein so bescheidener, den tiefen
Kenntnissen, welche die Herren entwickelten, ent-
sprechender, dass es der krasseste Undank wäre,
wollte man ihn nicht berücksichtigen. Natürlich
wurde zunächst die religiöse Malerei in den Vorder-
grund gezogen. Die Künstler „sollen" sich damit
mehr beschäftigen. Ja, wahrscheinlich, weil gar so
zahlreiche Bestellungen vorliegen, weil Kirchen und
Klöster wetteifern im Anschaffen von solchen Dingen,
die unsere heutige religiöse Kunst vertreten und nach
bekannter Schablone in den grossen „Fabriken für
Stillung religiösen Kunstsinnes" hergestellt werden.
Wo ist denn der Käufer, der wirklich gute Bilder
und Statuen für kirchliche Zwecke bestellt? Wollen
sich die Herren dabei vielleicht auf die pompösen
Bestellungen des Negus von Abyssinien stützen, der
in Rom kolossale Heiligenbilder mit Hunderten von
Personen malen lässt? Vielleicht gilt ihnen das als
kirchliche Kunst! Was München z. B. an guten
kirchlichen Malereien besitzt, ist, abgesehen von
den älteren Werken, alles auf Geheiss und aus den
Mitteln König Ludwigs I. entstanden. Davon, dass
der Klerus sich mit dem Schutze und der Pflege der
Kunst in jener Zeit befasst habe, müssten höchstens
die Herren selbst etwas wissen; es geschieht viel-
leicht noch bei Ausschmückung der fünf neuen
Kirchen, die München in jüngster Zeit erbaut, ohne
dass indessen die materielle Beihilfe der hohen Geist-
lichkeit dabei eine nennenswerte geheissen werden
kann. Natürlich konnten die drei Hauptkunst-
kenner der Kammermajorität es sich nicht da-
bei versagen, einmal nach Herzenslust nicht Hiebe,
sondern Prügel auszuteilen. Dabei ist ihnen denn
allerdings das Malheur passirt, dass sie nicht einmal
Wort für Wort wiederzugeben wussten, was heute
die Spatzen über das Naturstudium von den Dächern
pfeifen. Es wäre gewiss köstlich, wenn sich z. B. ein-

mal der Vorstand der Künstlergenossenschaft in kirch-
liche Dinge einmischen wollte. Das Gezeter, was
bisher die Luft durchzitterte, würde heute jedenfalls
ganz andern Stimmleistungen Platz machen. Aber
natürlich, als Abgeordneter soll man über eine einiger-
massen universelle Bildung verfügen, und da versteht
es sich denn auch von selbst, dass jedes Urteil, was
von dort kommt, ein durchaus apodiktisches ist.

Fritz von Wide, hatte dabei die Ehre, in erster
Linie bedacht zu werden. Von ruhigem Urteil natür-
lich war dabei nicht die Rede, es war eben die den
Umständen entsprechende und entspringende Art von
Meinungsäusserung gut in der Wolle gefärbter Land-
bewohner, die zu Zeiten gegen staatliche Entschädi-
gung in der Residenz weilen und da über Wohl und
Wehe des Vaterlandes beschliessen, woher sie offen-
bar den Namen der „ Patrioten" führen. Die Ausfälle
nun, denen der Name Uhde ausgesetzt war, wurden
von diesen Kammerkunstkennern im üppigsten Stile
so zu sagen im gleichen Momente betrieben, als Se.
Königl. Hoheit der Prinzregent das letzte Bild
Uhde's aus seinen Privatmitteln angekauft und der
Königl. Pinakothek geschenkt hat, leider ohne vor-
her das Gutachten dieser Herren eingeholt zu haben.
Offenbar muss die höchste Person des Staates sehr
dankbar sein für die Kritik, die von offizieller Stelle
aus bei dieser Gelegenheit sich kundgab, und man
weiss also nun ein für allemal, wo die massgebende
Meinung über irgend ein Kunstwerk zu holen sei,
eben da, wo man „mehr nach der Natur als nach
den Modellen" studiren sollte. Nachdem sich dann
Dr. Orterer noch in Ausdrücken über die Akademie
ergangen hatte, die ihm eine Katzenmusik einbrachte,
wurde die Position für Anschaffung von Kunstwerken
für das Königreich Bayern aus ,politischen" Gründen
von 120000 Mark auf 20000 Mark herabgesetzt und
Dr. Orterer bemerkte dabei grossherzig, der bayerische
Landtag habe jederzeit die Mittel bewilligt (wie gnä-
dig), um München zur Kunstmetropole zu machen.
Wenn die Sache nicht in der That zu ernsthaft wäre,
dann müsste sie wirklich im höchsten Grade komisch
wirken.

Noch sind es keine zwei Jahre her, da knatterte
draussen an der mächtigen Statue der Bavaria ein
Feuerwerk, das mehr, viel mehr kostete, als der Staat
Bayern jetzt für Anschaffung von Kunstwerken aus-
giebt; ein Riesenfestzug mit der bekannten Elefan-
tenjagd bewegte sich durch die Strassen, allerwärts
Festessen und Festtrinken, Gottesdienste, Speisung
der Armen, alles das zu Ehren des grossen Ludwig,
der ans München das gemacht hat, was es ist und
 
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