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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schumann, Paul: Fünfter Tag für Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0029

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Fünfter Tag für Denkmalpflege

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anderseits aber, wenn der Schutz eines Denkmals ein-
mal als notwendig erkannt ist, die Schutzbestimmungen
auch sachgemäß durchgeführt werden. Frentzen hielt
— und sicherlich mit Recht — dafür, daß diese Auf-
gaben nicht einer einzelnen Person anvertraut werden
könnten, sondern dazu den maßgebenden Behörden
ein mehrköpfiger Beirat beigegeben werde, der, mit
den örtlichen Verhältnissen vertraut, das Schwer-
gewicht unbefangener künstlerischer Anschauung eines
vorurteilsfreien kunsthistorischen Wissens in die Wag-
schale der Entscheidungen legen kann.

Geh. Baurat Dr. ing. Stubben konnte in seinem
Vortrag einleitend darauf hinweisen, daß er schon in
seinem (grundlegenden) Werke über den Städtebau die
Notwendigkeit des Denkmalschutzes in den Städten
und entsprechender baupolizeilicher Bestimmungen
betont habe. Weiter legte er der Versammlung die
m Deutschland schon vorhandenen gesetzlichen Be-
stimmungen zum Schutze der Baudenkmale, der Stadt-
ansichten, der heimischen Bauweise usw. vor. Es
waren dies Bestimmungen aus Sachsen und Bayern,
terner aus den Städten München, Nürnberg, Bamberg,
Kothenburg, Bremen, Lübeck, Hildesheim, Köln, Aachen,
Mainz und Darmstadt.

Wir wollen hier wenigstens die sächsischen und
bayrischen Bestimmungen anführen.

Das Kgl. sächsische Ministerium des Innnern hat
in bezug auf den Denkmalschutz verordnet: Eine ört-
liche Regelung sei erwünscht, wozu das Ministerium
von Fall zu Fall Stellung nehmen will. Auf die Er-
haltung der alten Bauten von geschichtlicher oder
künstlerischer Bedeutung wird hingewiesen, und be-
sonders wird die Rücksicht auf diese Bauwerke bei
Aufführung benachbarter Neubauten anempfohlen. In
8 90 des allgemeinen Baugesetzes seien schon alle
baulichen Herstellungen verboten, die dem Orte zur
offenbaren Unzierde gereichen würden; auch können,
wie es dort heißt, für einzelne Straßen höhere archi-
tektonische Anforderungen an die zu errichtenden
Gebäude gestellt werden. Aber ein Zwang in künst-
lerischer Beziehung, eine eigentliche Kunstpolizei, sei
nicht zu billigen. Keinem Privaten könne ohne Ent-
schädigung zur Erhaltung oder Berücksichtigung alter
Bauwerke etwas auferlegt werden, was für ihn ein
empfindliches Vermögensopfer darstellt. Mehr werde
durch sachverständige Beratung und persönliche Ein-
wirkung als durch polizeilichen Zwang erreicht werden;
auch seien geldliche Beihilfen in geeigneten Fällen
rfu'1 dem Vorbilde von Rothenburg zu empfehlen.
Uber Veränderungen an historisch oder architektonisch
beachtenswerten Bauwerken soll vor Erteilung der
baupolizeilichen Genehmigung an die Kommission für
-fhaltunjj der Kunstdenkmäler berichtet werden, damit

uher Veränderungen an historisch oder architektonisch
beachtenswerten Bauwerken soll vor Erteilung der
baupolizeilichen Genehmigung an die Kommission für
Erhaltung der Kunstdenkmäler berichtet werden, damit
diese beratend und belehrend eintrete.

Die allgemeine Bauordnung für das Königreich
Bayern vom 17. Februar 1901 untersagt in § 53 die
Anwendung greller Farben einschließlich der reinen
Kalkweiße für den Gebäudeanstrich und verlangt, daß
in Städten von mehr als 20000 Einwohnern (eine
sonderbare Beschränkung) alle Neu- und Umbauten
an den Straßenseiten »den Anforderungen der Ästhetik

genügen«. Bei Bauten in der Nähe von monumen-
talen Bauwerken sind von der Baupolizeiverwaltung
die zuständigen Behörden mit ihren Erinnerungen zu
hören.

Das königlich bayrische Ministerium des Innern
hat jedoch am 1. Januar und 22. April des gegen-
wärtigen Jahres zwei weitere Verfügungen erlassen,
deren Inhalt kurz dahin geht, daß sowohl bei Fest-
setzung der Baulinien und Höhenlagen als bei bau-
polizeilichen Prüfungen auf die Erhaltung und den
Schutz der künstlerisch und geschichtlich wertvollen
Gebäude sowie schöner Straßen- und Platzbilder
Bedacht zu nehmen ist. Auch soll der heimische
Baustil, besonders im Bayrischen Gebirge, möglichst
wieder angewandt, dem Eindringen sogenannter groß-
städtischer Neubauten aber gewehrt werden. Die
Distriktsverwaltungsbehörden sollen mit Unterstützung
der Bauämter ein Verzeichnis der Denkmalbauten,
auch der bescheideneren und kleineren Baulichkeiten
dieser Art, mit Abbildungen und kurzen Beschreibungen
versehen, anlegen; ein treffliches Musterverzeichnis
wird beigefügt. Sobald ein Bauwerk gefährdet ist,
soll gleichzeitig an die Regierung und an das General-
konservatorium der Kunstdenkmale berichtet werden.
Das Verständnis für den Denkmalschutz soll möglichst
verbreitet, kleinere Gemeinden sollen an die Archi-
tektenvereine und an den Münchner Verein für Volks-
kunst und Volkskunde verwiesen werden, um von
diesem Rat und Anregung zu empfangen. Die wesent-
lichen Merkmale der zu schützenden Ortsbauweisen
sollen festgestellt werden und, unter Erfüllung neu-
zeitlicher Anforderungen in bezug auf Feuersicherheit
und Gesundheit, möglichst zur Wiederverwendung
gebracht werden. Auch bei Errichtung neuer patrio-
tischer Denkmäler sollen tüchtige Bildhauer und
Architekten zu Rate gezogen werden, um die Wieder-
holung der oft wenig befriedigenden modernen
Leistungen zu verhüten. Schließlich werden fünf
Richtpunkte für den Erlaß ortspolizeilicher Vorschriften
(auf grund des Art. 101 Abs. 3 des Polizeistrafgesetz-
buches) aufgezählt, nämlich 1) Erhaltung alter Befesti-
gungswerke, deren Abänderung nur mit baupolizeilicher
Genehmigung statthaft ist; 2) die Veränderung kunst-
geschichtlicher Gebäude soll nur mit Genehmigung
zulässig sein, wobei dem Stil und Charakter derselben
»Rechnung zu tragen« ist; 3) in der Nähe von Be-
festigungswerken und kunstgeschichtlichen Gebäuden
soll bei allen Neubauten ebenfalls dem Charakter dieser
Werke »Rechnung getragen« werden; sowohl die Maß-
verhältnisse als die Einzelformen sollen sich dem Ge-
samtbilde einfügen, was namentlich von der Form und
der Eindeckung der Dächer gilt. Die heimische Bau-
weise ist zu pflegen; 4) bei Ziehung der Baulinien
ist auf die Erhaltung schöner Orts- und Straßenbilder
Rücksicht zu nehmen — im Sinne unserer vorjährigen
Verhandlungen; 5) für sonstige Neubauten werden
genügen der Hinweis auf die allgemeinen Forderungen
der Ästhetik, sowie Vorschriften über den Verputz des
Mauerwerks und die zulässige Steilheit der Mansarden-
dächer.

Als sein persönliches Urteil sprach Stübben im An-
 
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