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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Daun, Berthold: Wittenberg die Geburtsstätte der deutschen Renaissance?, [1]
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0086

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155

Neues aus Venedig

156

weiter nichts als eine von vielen nacherzählte Fabel,
die hoffentlich endlich ausgemerzt sein wird!1)

Wenn Dürer 1494 in Italien geweilt und die Fülle
der oberitalienischen Renaissancewerke auf ihn ein-
gewirkt hätte, so glaube ich fest, daß die Einwirkung
der reizbaren neuen Kunst auf das jugendliche, für
neue Eindrücke offen empfängliche Gemüt dieses
rezeptiven Künstlers bei weitem prägnanter gewesen
wäre. Welche überraschenden Wandlungen erfährt er
aber während seines venezianischen Aufenthalts 1505!
Wie saugt er förmlich das italienische Formengefühl
ein, und mit welchem gründlichen Verständnis weiß
er italienisch zu zeichnen und zu komponieren! Dem
gegenüber ist der italienische Einfluß in den Werken
der neunziger Jahre gering; schon damals würde er
sich mit einer unvergleichbaren Intensivität geäußert
haben, wenn Dürer eben die Renaissance in Italien ge-
sehen hätte. Auf eins nur sei hier erlaubt hinzu-
weisen: Ein Meister, auf den die dramatische Be-
lebung und die eindringliche Händesprache der
Lionardogestalten einen so tiefgehenden Einfluß aus-
übten, wie dies in dem Bilde des Jesusknaben unter
den Schriftgelehrten hervorspringt, kann nicht taub
für diesen Charakterzug der italienischen Malerei bei
einem früheren Aufenthalte in Italien geblieben sein.
In welch frappanter Weise äußert sich z. B. das
Renaissancegefühl in den Vischerschen Werken, als
Peter der jüngere aus Italien in seine Heimat zurück-
gekehrt war und der Altmeister und der Sohn die Re-
naissancebahn beschritten! Zwar finden sich in Dürers
Erzeugnissen nach der Wanderschaft Reminiszenzen an
Renaissance, auch zeigt sich zugleich ein Zug ins Große,
mit einer mächtigen Wucht in der herben dramatischen
Auffassung verbunden; allein alles dies erscheint im
Verhältnis zur späteren Zeit gering. Vieles läßt sich
direkt auf die Kupferstiche Mantegnas, die er in Nürn-
berg sehen konnte, zurückführen. Später wirken Dürers
Figuren lebendig und monumental, und diese Wirkung
beruht darauf, daß er in Venedig gelernt hat, auf
Kontraste hin zu komponieren und diese Gegensätze
auch in der lebendigen Charakteristik auszudrücken.
Hätte man nicht, da man eine erste Italienfahrt Dürers
für unumgänglich hielt, aus Konsequenz auch eine für
den Altmeister Peter Vischer annehmen müssen? Die
von ihm um 1504 nach Krakau gelieferten Grabplattens)
zeigen bereits ein feines Verständnis für die italienischen
Ornamentformen, und damals hatte doch noch keiner
seiner Söhne Italien gesehen. Einzig und allein ging
diese Stiländerung des Altmeisters Vischer in Nürn-

1) Die Ansicht von Trient von 1495 beweist noch
längst nicht den frühen Aufenthalt in Venedig. Wie viele
kommen heute nach Südtirol, ohne Italien gesehen zu
haben! — Als dieser Aufsatz bereits der Redaktion über-
sandt war, entschied sich Jaro Springer in einem in der
kunstgeschichtlichen Gesellschaft zu Berlin gehaltenen Vor-
trag über Dürers frühe Holzschnitte dafür, daß Dürer
während der Wanderschaft nicht in Venedig war.

2) In meiner binnen kurzem bei Velhagen & Klasing
erscheinenden Vischer-Monographie werden diese teils
noch unbekannten Tafeln abgebildet sein. Einige befinden
sich schon in meinem Veit Stoß.

berg vor sich, und sie ist auf dorthin vermittelte ita-
lienische Vorlagen zurückzuführen. Vermutlich gewann
auch schon in dieser Zeit Jacopo de' Barbari für
Vischer Bedeutung, der mit diesem bei Gelegenheit
des Torgauer Gusses in geschäftlicher Verbindung
stand. Daß in der Vischerschen Gießhütte Barbari-
stiche noch in späterer Zeit bekannt waren, beweisen
einige Vischerwerke.

Dürer war also keineswegs der einzige Meister,
der sich früh der Renaissance zuwandte. Deshalb
durfte Bruck, wenn er auch den Irrtum beging, das
Erscheinen des Stiches Adams und Evas nach Witten-
berg zu verlegen, nicht unvorsichtig folgern, das da-
mals im Vergleich zu Nürnberg unbedeutende sächsische
Städtchen sei die Geburtsstätte der deutschen Re-
naissance. Wie Dürer als erster den Akt im antiken
Sinne der deutschen Kunst schenkte, — Cranachs ab-
stoßende und fast durchweg anormale Figuren kommen
gar nicht in Betracht — so führte Vischer als erster
die Renaissanceornamentik der Nürnberger Plastik zu.
Dies geschah bald nach 1504!

(Schluß folgt.)

NEUES AUS VENEDIG

Vor geraumer Zeit schon beschloß man die Loslösung
der großen Freske des Quariento im großen Konsilium-
saale des Dogenpalastes. Stefanoni, durch seine derartigen
Leistungen durch ganz Italien rühmlich bekannt, wurde zu
dieser Arbeit von Bergamo berufen und hat zunächst als
Probe drei Quadratmeter unten zur rechten Seite des
Bildes gelöst und auf Rahmen gebracht. Nachdem so die
Gewährleistung der völlig sicheren Hand von neuem ge-
geben war, wurde genanntem Herrn der Auftrag erteilt
das ganze riesige Gemälde zu lösen. Wenn erst die im
bösestem Zustande befindliche Mauer selbst restauriert sein
wird, wird die Freske für immer sichtbar an einer anderen
Stelle des Palastes angebracht werden. Man beschloß, der-
selben den Platz im früheren Bessarionsaale, dem Vorzimmer
der einst dort befindlichen Marciana, anzuweisen. Sie wird
demnach die entgegengesetzte Seite derselben Mauer be-
decken, so daß das große Paradies des Tintoretto, welches
so lange die Freske bedeckte, dieser von da ab den Rücken
kehren wird. Wie zugegeben werden muß, ist dies die
beste Lösung der schwierigen Frage. Zahlreiche gute
Photographien, sowohl der ganzen Freske als der Einzel-
heiten sind, mittlerweile angefertigt worden und käuflich
zu haben.

Die beiden Erzfiguren auf der Terasse des Uhrturmes,
kürzere Zeit unter Gerüst, sind nun vollkommen restauriert.
Man fürchtete schon, daß sich die Arbeiten so ins Unend-
liche ziehen würden, wie die Eröffnung der Markusbiblio-
thek, welche nun endlich in ihrem neuen schönen Lokale,
dem ehemaligen Münzgebäude am 19. Dezember erfolgt
ist. — Nur schade, daß der prachtvolle monumentale
Brunnen (von Danese Cataneo), welcher dem ehemaligen
jetzt zum Lesesaal umgestalteten Hof schmückte, wer weiß
auf wie lange, verschwunden ist. Er wurde in seine
Teile zerlegt »magaziniert«. Ihn in ein Museum zu bringen
würde nichts besseres bedeuten. Nur auf einem der
hiesigen nicht allzugroßen »Campielli« aufgestellt, würde
er seine Auferstehung feiern können. Nach des Galerie-
direktors Cantalamessa Vorschlag würde er sich am besten
in das Architekturbild, vor dem Palazzo Pisani (St. Stefano)
aufgestellt, einfügen.
 
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