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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0126

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Personalien — Ausgrabungen und Funde

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sehen Landschaften waren auch auf deutschen Ausstellungen
öfters zu sehen.

PERSONALIEN
Der Verein Berliner Künstler hat auf das Jahr igc-5
seine beiden Vorsitzenden Baurat Kayser und Maler O. H.
Engel wieder gewählt: der Verein für deutsches Kunst-
gewerbe in Berlin wählte zu Vorsitzenden den Regie-
rungsrat Muthesius und Direktor P. Jessen.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Der große Statuenfund in Karnak. Zwei offizielle
Berichte über den großartigen, von Legrain in den Tempel-
ruinen von Karnak gemachten Statuenfund, von dem schon
früher kurz hier die Rede war, liegen jetzt vor. Im eben
erschienenen »Archaeological Report des Egypt Exploration
Fund (1903—1904)«, der im Oktober 1904 abgeschlossen
ist, zählt der glückliche Finder seine Entdeckungen im
einzelnen auf, von denen Maspero sagte, daß, seitdem
Mariette das Serapeum und seine Monumente an das Tages-
licht gebracht hat, keine gleich wichtige Ausgrabung in
Ägypten sich ereignet hat. Zu gleicher Zeit liegt uns ein
von Legrain am 7. November im Egyptian Institute dar-
über gehaltener Vortrag in dem Bericht der amerikanischen
archäologischen Monatsschrift »Biblia« vom Januar 1905
vor. Die Möglichkeit, daß der Grund und Boden des
Tempels von Karnak an gleicher Stelle des südlichen
Ruinenfeldes noch weitere Schätze enthält, ist nicht aus-
geschlossen, und eine mächtige Dampfpumpe, an deren
Aufstellung man denkt, kann möglicherweise in dieser
Saison noch eine Fortsetzung ähnlicher Funde aus dem
jetzt mit Wasser gefüllten Schacht ermöglichen, wie sie die
Arbeiten zwischen dem 28. September 1903 und 5. Juli 1904
gebracht hatten.

Es wurden gefunden: 457 Statuetten und Statuen in
Granit, Alabaster, Kalkstein, Basalt, Breccia, Tonschiefer,
Feldspat, Smaragdit, Elfenbein, verkieseltem Holz; 15 Stelen
in rotem und schwarzem Granit, Alabaster, Kalkstein; acht
Osirisstatuetten in Tonschiefer mit Inschriften; sieben
Sphinxe (Granit, Alabaster, Kalkstein); sechs Alabaster-
vasen; fünf Tonschieferfragmente von Vorderarmen; fünf
Kynokephalen in rosa und schwarzem Granit sowie Kalk-
stein; drei Granitaltärchen; drei Fragmente kleiner Ton-
schiefer- und Granitobelisken; ein Fragment eines auf 450
stehenden Winkelmaßes aus poliertem Silex; ein Türsturz
der XI. Dynastie aus Sandstein; ein Fayencefläschchen aus
der Zeit des Darius; eine Kuh in grauem Granit; ein
Ushabtin (Figur in Mumienform als Grabbeigabe) des
Amenöphis III. in rosa Granit; zwei Widderköpfe in Ala-
baster und Kalkstein; zahlreiche Fragmente von Tonstatuen
in natürjicher Größe mit lebhafter roter Farbe bemalt;
Teile von Elfenbeinstatuetten; Schriftzeichen in vielfarbiger
Fayence; Fragmente von Kopfbedeckungen in Fayence
mit vergoldeten Nägeln; Zahlreiche Teile eines Smaragdit-
Bodenbelags; Stücke eines grünen Minerals (Mafek); eine
größere Anzahl von 10—30 cm hohen Osirisstatuetten in
Tonschiefer oder Kalkstein; Fragmente von Statuetten in
ultramarinblauer Pasta.

Es folgen Metallgegenstände: ein Goldring der Königin
Nefertiti, der Gemahlin Amenöphis IV. (1383—1365 v. Chr.);
zahlreiche Goldblättchen und Klümpchen; fünf Augen von
Kolossalstatuen (Augenlider in Bronze, dasWeiße in Elfenbein,
die Pupille in Obsidian; das Weiße im Auge mißt zwischen
20 und 30 cm in der Breite); eine Statuette des Taharqa
(Tirhakah, 2. Könige XIX, 9; 693 vor Chr.) in vergoldeter
Bronze; drei Bronzereliefs, davon zwei gegossen, eines
getrieben; ein Osiris in Bronze, 1,30 m hoch; vier Osiris
in vergoldeter Bronze, 0,50 m hoch; 7800 (sage: sieben-

tausendachthundert) teilweise vergoldete Bronzeosiris ver-
schiedener Größe; Statuetten des Ammon, der Malt, des
Khonsu, Mentu, des Min (Amsu) und anderer mehr; große
0,39 cm hohe inkrustierte und vergoldete Bronzefedern
vom Kopfschmuck des Osiris; geflochtene Osirisbärte der
gleichen Art; große Hieroglyphen in Bronze für Inkrusta-
tionen; Bronzeblätter vom Belag einer Truhe.

Nachdem nunmehr der glückliche Finder die hervor-
ragendsten Stücke im Laufe des Sommers in dem Kairener
Museum gesichtet und geordnet hat, gibt er folgende
Übersicht über die merkwürdigsten Statuen und Statuetten
aus dem Versteck des Tempels von Karnak. Ganz uner-
wartet sind die Funde von Königsstatuen des alten Reiches;
sie zeugen zugleich das große Alter der Thebanischen
Tempel. Eine Statue des Khasakemui ist in die zweite
Dynastie zu setzen; es folgen solche des Sahurä (zweiter
König der V. Dynastie) und des Usernra (Userkaf). Die
XI. Dynastie ist durch Mentuhotep repräsentiert; eine kopf-
lose sitzende Statue eines Antef wird von Usertesen I.
(XII. Dynastie) als die seines Vorfahren bezeichnet. Unter
den Bildnissen der XII. und XIII. Dynastie sind solche bisher
unbekannter Pharaonen, des Nofirhotpu III. und des Sebe-
khotpu VIII. (Über diese beiden vergl. auch Legrain im letzten
»Recueil des travaux etc.« — Zahlreich sind die Könige und
Königinnen der XVIII. Dynastie, darunter als das Meister-
werk der ganzen Sammlung Tutmosis III. Diese Statue
ist überhaupt als eines der schönsten uns aus dem Alter-
tum überkommenen Kunstwerke anzusehen; der Kopf hat
absolut nichts Ägyptisches, das Profil ist ganz griechisch.
Der häretische König Amenöphis IV. wurde in fossilem
Holz ans Licht gezogen: träumerisch sieht er in die Ferne
und ist gar nicht so häßlich und abstoßend, wie er sonst
dargestellt wurde. Neben der Porträtstatue Tutmosis III.
rangiert in erster Linie eine Khonsustatue mit den Zügen
des Tutankh-Amon, in der Zeit des Hozemheb ca. 1330
geschaffen. — Aus der XIX. Dynastie sind eine Stele Seti I.,
Kolosse~und Statuen Ramses IL, darunter eine vorzüglich
ausgeführte nicht strengen Stils, ferner solche der Ammons-
propheten und der hohen Beamten aus der Zeit des Ramses
zu nennen. Aus den folgenden Dynastien sind zahlreiche
Priesterstatuen zu erwähnen. Einige dieser Priesterstatuen
haben ^historische Informationen abgeben können: eine in
16 Generationen zurückgehende Genealogie macht den
zehnten Nachkommen eines gewissen Sheben zu einem
Zeitgenossen des Shishak, des Gründers der XXII. Dynastie
(1. Könige XI, 26—40), und lehrt uns einen neuen König
kennen, Horsiesi, der mit Osorkon II. gleichzeitig gelebt
haben muß. Diese Genealogien sind die besten Hilfs-
mittel zur Kontrolle der ägyptischen Chronologie. Ein
Denkmal stellt den von Psammetich (?) zu den revoltie-
renden Truppen ausgesandten General dar, wie Herodot
erzählen soll (so Biblia; es handelt sich aber wohl um
den von Apries, dem Enkel Psammetichs, ausgesandten
Patarbemis, Herodot II, 162). Aus der XXII. bis XXVI.
Dynastie sind die Bildnisse des Shabaka (2. Könige XXVII, 4),
des Montuemhat und seiner Familie und vieler anderer
bis in die Ptolemäerzeit hinein zu erwähnen.

Eines der wichtigsten Resultate von Legrains Ent-
deckung ist der sichere Beweis, daß bis in die griechische
Zeit hinein die ägyptischen Tempel alles Material ent-
hielten, um die vergangene Geschichte des Reiches auf-
zubauen. Sie waren mit inschriftenreichen Statuen und
anderen Denkmälern geschmückt, die eine lange und fort-
gesetzte Reihe von gleichzeitigen Dokumenten von den
frühesten iPerioden^ des Landes an bildeten. Der Vater
der Geschichte hat "also die Wahrheit gesagt, als er von
Hecataios erzählte, daß dieser zu Theben die Statuen von
dreihundertfünfundvierzig aufeinander folgenden Hohe-
 
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