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Vermischtes — Anzeigen
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gelegt. Wer wird sein Nachfolger werden? Die Wahl
ist nicht leicht, denn die Kunstkritiker von Metier sind seit
Jahr und Tag in England meist zugleich versteckte Händ-
ler, und zwar zum Teil recht bedenklicher Art; für einen
so angesehenen Posten verlangt aber das Publikum einen
perfect gentleman. Auch ist das Vorurteil, daß ein Maler
an der Spitze einer Gemäldegalerie stehen müsse, in erig-
lischen Kreisen noch immer nicht überwunden; man nimmt
daher auch jetzt an, daß schließlich wieder irgend ein als
Künstler und Mensch geachteter Maler zum Direktor er-
nannt wird. Ist dies doch auch von Anfang der Galerie
an, seit gerade achtzig Jahren, der Fall gewesen. Sechs
oder sieben achtbare Maler haben nacheinander diesen
Posten bekleidet; keiner von ihnen war ein hervorragender
Kenner, und jeder hat manche Ankaufs- und Unterlassungs-
sünden zu verzeichnen. Aber es ging trotzdem auch so;
die National Gallery ist schon seit fast einem halben Jahr-
hundert die erste Galerie der Welt, trotz ihrer Direktoren,
weil sie von der öffentlichen Meinung, von der Nation
getragen wird, die durch Geschenke und Zuwendungen
aller Art diese Sammlung außerordentlich bereichert hat.
In neuerer Zeit freilich, seitdem die Bilder so enorm im
Preise gestiegen, die großen englischen Vermögen aber
nicht unerheblich zurückgegangen sind, sind diese Zuwen-
dungen sehr spärlich geworden; bei dem Ankauf des Ariost-
Porträts von Tizian im vorigen Jahre waren die vier Stifter,
die dazu beitrugen, jeder mit 100000 Mark: Mr. P. Mor-
gan, Mr. Astor, Mr. A. Beit und Lord Iveagh — also nur
ein echter Engländer! Für die Vermehrung der National
Gallery sollte daher eine gründliche Kenntnis des Bestandes
alter Gemälde im Privatbesitz, namentlich in Great Britain
selbst, ein wesentliches Erfordernis des neuen Direktors
sein; die alte Prüderie der bisherigen Direktoren, welche
es gegen den guten Ton fanden, eine Privatsammlung zu
besuchen, ohne vom Besitzer dazu eingeladen zu sein, ist
heute nicht mehr am Platze. Wichtiger noch als die Ver-
mehrung der Galerie würde aber für den neuen Direktor
die Frage der Verminderung der Sammlung sein. Sämt-
liche Räume sind überfüllt; manche Säle enthalten zahl-
reiche mittelmäßige Bilder, so daß wohl der vierte Teil der
Sammlung ausgeschieden werden kann. Die Galerie würde
dadurch an Übersichtlichkeit und Qualität nur gewinnen.
München. Der alte Wunsch der Münchener Künstler,
ein würdiges und praktisches großes Kunstausstellungs-
gebäude zu besitzen, hat sich wieder einmal verdichtet.
Sämtliche Münchener Gruppen haben in diesen Tagen
dem bayrischen Kultusminister ihre Wünsche und Vor-
schläge für solchen Plan unterbreitet und dafür als Bau-
platz den alten botanischen Garten vorgeschlagen, so daß
also der projektierte Bau in einen Park zu stehen käme.
Der Minister soll dem Plane geneigt sein. Wäre es nicht
möglich, so fragt man sich, daß auch in Berlin solche
Einmütigkeit sich betätigen würde, um ein der Menge und
Qualität der Berliner Ausstellungen würdiges Gehäuse zu
schaffen. Etwas nach modernen Begriffen Ungünstigeres
als das Glashaus am Lehrter Bahnhof läßt sich doch schon
gar nicht mehr erdenken. Wenn man jetzt immer die
Dresdener Ausstellungen so herausstreicht, so soll man
nicht vergessen, daß die angenehme und abwechslungs-
reiche Anlage der Baulichkeit hierbei das ihre tut. Auch
die sehr viel festere und regelmäßigere Organisation der
Leitung in Dresden ist zu beachten. Jedenfalls täte ein
der ganzen Berliner Künstlerschaft gemeinsames, auch dem
vorgeschrittensten Geschmack zusagendes Ausstellungs-
gebäude wahrlich not; doch — »das ist ein weites Feld«,
wie Fontane den alten Briest sagen läßt.
Im Kaiserdom zu Speyer sind oberhalb der Grüfte
im Chor zwölf vergoldete Radleuchter, und an dem Bogen
des den Chor abschließenden Gewölbes eine gewaltige
vergoldete Kaiserkrone aufgehängt worden.
w^,> Verlag von E, A. SEEMANN in LEIPZIG «,^-_*
Als Band XXX der Sammlung BEITRÄGE ZUR KUNSTGESCHICHTE
erschien soeben:
DÜRERS DRESDENER ALTAR
— Von LUDWIG JUSTI ———
42 Seiten mit 7 Abbildungen. Mark 1.50.
Diese Abhandlung beansprucht das besondere Interesse der Kunsthistoriker. Professor Wölfflin hatte
kürzlich das stets als echtes und wichtiges Kunstwerk Dürers anerkannte Altarbild in der Dresdener
Galerie dem Meister glatt abgesprochen; gegen diese schon in Ansehung der geringen Zahl Dürerscher
Gemälde schwerwiegende Wegnahme wendet sich Professor Ludwig Justi, der Direktor des Städelschen
Museums in Frankfurt. Seine Beweisführung ruht auf einer ganz genauen Feststellung des Bildbefundes.
Ohne jede Deutelei, nur das Tatsächliche ergreifend, vermag Justi seinen Gegner mit den eigenen Waffen
zu schlagen. Durch eine große Reihe photographischer Detailaufnahmen, die zum erstenmale das Gemälde
deutlich reproduzieren, ist dem Leser ein eigenes Urteil ermöglicht.
Inhalt: Ein Kunstminister für Frankreich. Von Karl Eugen Schmidt. — Hans Makart und Graf Athanasius Raczynski. Von Karl Simon. — Rudolf
Koller. Von Dr. Hermann Kesser. — Oswald Achenbach f- Von W. Schäfer. - Hermann Corrodi f. — Vorstandswahlen. — Der große
Statuenfund in Karnak. — Sitzung des deutschen archäologischen Instituts in Rom. — Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie. —
Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum. — Katalog aller Radierungen von Anders Zorn; Ueber die Direktorfrage des Metropolitan
Museums in New York; Kunstausstellungsgebäude für München ; Ausschmückung des Kaiserdoms zu Speyer. — Anzeigen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
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gelegt. Wer wird sein Nachfolger werden? Die Wahl
ist nicht leicht, denn die Kunstkritiker von Metier sind seit
Jahr und Tag in England meist zugleich versteckte Händ-
ler, und zwar zum Teil recht bedenklicher Art; für einen
so angesehenen Posten verlangt aber das Publikum einen
perfect gentleman. Auch ist das Vorurteil, daß ein Maler
an der Spitze einer Gemäldegalerie stehen müsse, in erig-
lischen Kreisen noch immer nicht überwunden; man nimmt
daher auch jetzt an, daß schließlich wieder irgend ein als
Künstler und Mensch geachteter Maler zum Direktor er-
nannt wird. Ist dies doch auch von Anfang der Galerie
an, seit gerade achtzig Jahren, der Fall gewesen. Sechs
oder sieben achtbare Maler haben nacheinander diesen
Posten bekleidet; keiner von ihnen war ein hervorragender
Kenner, und jeder hat manche Ankaufs- und Unterlassungs-
sünden zu verzeichnen. Aber es ging trotzdem auch so;
die National Gallery ist schon seit fast einem halben Jahr-
hundert die erste Galerie der Welt, trotz ihrer Direktoren,
weil sie von der öffentlichen Meinung, von der Nation
getragen wird, die durch Geschenke und Zuwendungen
aller Art diese Sammlung außerordentlich bereichert hat.
In neuerer Zeit freilich, seitdem die Bilder so enorm im
Preise gestiegen, die großen englischen Vermögen aber
nicht unerheblich zurückgegangen sind, sind diese Zuwen-
dungen sehr spärlich geworden; bei dem Ankauf des Ariost-
Porträts von Tizian im vorigen Jahre waren die vier Stifter,
die dazu beitrugen, jeder mit 100000 Mark: Mr. P. Mor-
gan, Mr. Astor, Mr. A. Beit und Lord Iveagh — also nur
ein echter Engländer! Für die Vermehrung der National
Gallery sollte daher eine gründliche Kenntnis des Bestandes
alter Gemälde im Privatbesitz, namentlich in Great Britain
selbst, ein wesentliches Erfordernis des neuen Direktors
sein; die alte Prüderie der bisherigen Direktoren, welche
es gegen den guten Ton fanden, eine Privatsammlung zu
besuchen, ohne vom Besitzer dazu eingeladen zu sein, ist
heute nicht mehr am Platze. Wichtiger noch als die Ver-
mehrung der Galerie würde aber für den neuen Direktor
die Frage der Verminderung der Sammlung sein. Sämt-
liche Räume sind überfüllt; manche Säle enthalten zahl-
reiche mittelmäßige Bilder, so daß wohl der vierte Teil der
Sammlung ausgeschieden werden kann. Die Galerie würde
dadurch an Übersichtlichkeit und Qualität nur gewinnen.
München. Der alte Wunsch der Münchener Künstler,
ein würdiges und praktisches großes Kunstausstellungs-
gebäude zu besitzen, hat sich wieder einmal verdichtet.
Sämtliche Münchener Gruppen haben in diesen Tagen
dem bayrischen Kultusminister ihre Wünsche und Vor-
schläge für solchen Plan unterbreitet und dafür als Bau-
platz den alten botanischen Garten vorgeschlagen, so daß
also der projektierte Bau in einen Park zu stehen käme.
Der Minister soll dem Plane geneigt sein. Wäre es nicht
möglich, so fragt man sich, daß auch in Berlin solche
Einmütigkeit sich betätigen würde, um ein der Menge und
Qualität der Berliner Ausstellungen würdiges Gehäuse zu
schaffen. Etwas nach modernen Begriffen Ungünstigeres
als das Glashaus am Lehrter Bahnhof läßt sich doch schon
gar nicht mehr erdenken. Wenn man jetzt immer die
Dresdener Ausstellungen so herausstreicht, so soll man
nicht vergessen, daß die angenehme und abwechslungs-
reiche Anlage der Baulichkeit hierbei das ihre tut. Auch
die sehr viel festere und regelmäßigere Organisation der
Leitung in Dresden ist zu beachten. Jedenfalls täte ein
der ganzen Berliner Künstlerschaft gemeinsames, auch dem
vorgeschrittensten Geschmack zusagendes Ausstellungs-
gebäude wahrlich not; doch — »das ist ein weites Feld«,
wie Fontane den alten Briest sagen läßt.
Im Kaiserdom zu Speyer sind oberhalb der Grüfte
im Chor zwölf vergoldete Radleuchter, und an dem Bogen
des den Chor abschließenden Gewölbes eine gewaltige
vergoldete Kaiserkrone aufgehängt worden.
w^,> Verlag von E, A. SEEMANN in LEIPZIG «,^-_*
Als Band XXX der Sammlung BEITRÄGE ZUR KUNSTGESCHICHTE
erschien soeben:
DÜRERS DRESDENER ALTAR
— Von LUDWIG JUSTI ———
42 Seiten mit 7 Abbildungen. Mark 1.50.
Diese Abhandlung beansprucht das besondere Interesse der Kunsthistoriker. Professor Wölfflin hatte
kürzlich das stets als echtes und wichtiges Kunstwerk Dürers anerkannte Altarbild in der Dresdener
Galerie dem Meister glatt abgesprochen; gegen diese schon in Ansehung der geringen Zahl Dürerscher
Gemälde schwerwiegende Wegnahme wendet sich Professor Ludwig Justi, der Direktor des Städelschen
Museums in Frankfurt. Seine Beweisführung ruht auf einer ganz genauen Feststellung des Bildbefundes.
Ohne jede Deutelei, nur das Tatsächliche ergreifend, vermag Justi seinen Gegner mit den eigenen Waffen
zu schlagen. Durch eine große Reihe photographischer Detailaufnahmen, die zum erstenmale das Gemälde
deutlich reproduzieren, ist dem Leser ein eigenes Urteil ermöglicht.
Inhalt: Ein Kunstminister für Frankreich. Von Karl Eugen Schmidt. — Hans Makart und Graf Athanasius Raczynski. Von Karl Simon. — Rudolf
Koller. Von Dr. Hermann Kesser. — Oswald Achenbach f- Von W. Schäfer. - Hermann Corrodi f. — Vorstandswahlen. — Der große
Statuenfund in Karnak. — Sitzung des deutschen archäologischen Instituts in Rom. — Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie. —
Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum. — Katalog aller Radierungen von Anders Zorn; Ueber die Direktorfrage des Metropolitan
Museums in New York; Kunstausstellungsgebäude für München ; Ausschmückung des Kaiserdoms zu Speyer. — Anzeigen.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig