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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Hermanin, Federico: Die Herkulanumsfrage
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0130

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243

Bücherschau

244

grabung Herkulanums gegenüber verhalten würde,
daß er bis jetzt wohl mit Herrn Waldstein über die
Ausgrabungssache eine Unterredung gehabt und ihm
mündlich wie schriftlich seinen Beifall ausgesprochen
habe, aber daß er durchaus keine Entscheidung ge-
troffen, da ihm ja kein konkretes Projekt vorgelegt
worden sei.

Herrn Waldstein schienen aber die Worte, die
der Minister in dem Gespräch über den internatio-
nalen Charakter des Unternehmens an ihn gerichtet
hatte, und der darauffolgende Brief, ein Zeichen
sicheren Zugeständnisses, und nun wundert er sich
über die Beschuldigung, welche viele italienische
Zeitungen an ihn richten, er habe sich erdreistet, von
internationalen Ausgrabungen in Italien zu sprechen,
ohne erst um die Genehmigung der Regierung ein-
gekommen zu sein. Nun steht die Sache aber so,
daß der Minister sich wohl persönlich dem Projekt
geneigt gezeigt hat, aber in so wichtiger Sache erst
die öffentliche Meinung, wohl auch das Parlament
befragen will, besonders jetzt, wo so viele gegen das
fremde Unternehmen eifern.

Die neapolitaner Archäologen, De Petra, der ehe-
malige Direktor des Museums, und Sogliano, der
Pompejiforscher, meinen, daß die Hilfe fremder Gelder
unnötig sei, weil die Ausgrabungen nicht besonders
schwer und mühsam. Auf ihren Vorschlag hin hat
die königliche Akademie der Wissenschaften in Neapel
in offizieller Form den Wunsch ausgesprochen, daß
die Regierung, wie schon im Jahre 1875, die Aus-
grabungen wieder aufnehme und regelmäßig fortsetze.
Die beiden Archäologen meinen aber auch, man solle
nicht glauben, daß der Fund an bronzenen Kunst-
werken ebenso reich sein werde wie damals, da es
sich erwiesen hat, daß die kostbaren Funde alle in
einer bestimmten, der Stadt nahegelegenen Villa, die
wohl einem feinen und reichen Kunstliebhaber gehörte,
gemacht worden sind. Von den andern italienischen
Fachleuten, die über die Sache gefragt worden sind,
hat man Antworten bekommen, in welchen die Be-
sorgnis sich zeigt, bei den internationalen Ausgrabungen
beiseite geschoben zu werden.

Luigi Pigolimi, Direktor der italienischen archäo-
logischen Schule, ist Gegner jeder fremden Hilfe und
meint, man könnte, wie schon für die italienischen
Ausgrabungen in Kreta, im Lande selbst die genü-
genden Mittel finden. Giacomo Boni spricht sich
nicht klar aus, aber seinen Worten kann man wohl
entnehmen, daß er den Ausgrabungen, wenn auch
mit fremden Mitteln gemacht, nicht ganz entgegen
wäre, wenn nur das gefundene Material im Lande
bliebe. Paolo Orsi, Direktor des sirakusanischen Mu-
seums, meint, man könne die fremde pekuniäre Hilfe
annehmen, wenn erst das italienische Parlament Mittel
zur Arbeit bewilligt hätte und die Ausgrabungen von
einem italienischen Fachmann geleitet würden. Der
gleichen Meinung ist Lucio Mariani, Professor an der
Universität Pisa, und sind im allgemeinen die jün-
geren Archäologen, welche gerne ihrer Tätigkeit neue
Felder geöffnet sehen möchten.

FEDERICO HERMANIN.

BÜCHERSCHAU

Robert Saitschick, Menschen und Kunst der italienischen
Renaissance. 2 Bände. Berlin, Ernst Hofmann 8t Co.
1904.

Der Verfasser hat in dem Vorwort hervorgehoben,
worauf es ihm ankam, »Menschen und Kunst einer bedeut-
samen Zeit psychologisch darzustellen«. Nicht die allge-
meinen kulturellen Verhältnisse wollte er schildern, vielmehr
indem er Hauptvertreter aller geistigen Bestrebungen in
dieser innerlich erregten Zeit unermüdlichen Vorwärts-
drängens charakterisierte, ein Bild entwerfen von deren
Trachten, Empfinden, Denken. Mehreren Abschnitten aber
hat er allgemeinen Charakter gegeben und darin gesammelt,
was an besonders bezeichnenden Beispielen für Lebensauf-
fassung und Verhältnis zu den ideellen Dingen viel finden
läßt. Dazwischen dann folgen Abschnitte, in denen ein
einzelner Typus als Mensch, und in seiner speziellen Be-
deutung als Schriftsteller oder Humanist oder bildender
Künstler behandelt wird: Petrarca der erste, Giordano
Bruno der letzte einer Reihe, in der man keinen der aller-
größten vermissen wird.

An dieser Stelle ist es Aufgabe des Referenten, davon
zu sprechen, ob und welchen Wert diese Arbeit für den
Kunsthistoriker speziell besitzt; auch fühlt er sich inkom-
petent, über andere Seiten der Renaissancekultur sachgemäß
zu urteilen.

Was den Verfasser auszeichnet, ist, daß er, von seiner
vielseitigen Bildung abgesehen, wovon noch die Rede sein
soll, einen eigenen Standpunkt Kunstwerken gegenüber
gefunden hat. Ich betone ausdrücklich, es ist durchaus
nicht immer mein eigener, im Gegenteil; es sind zu viele
literarische Anschauungen auf bildende Kunst angewandt
und diese nicht immer aus den eigentümlichen Bedingungen
heraus, die sie mit keiner andern Kunstform teilt, behan-
delt. Auf die Bemerkungen über die Meister der venezia-
nischen Schule sei als Beispiel verwiesen; hier ist eine
Anschauungsweise vorgetragen, die sich etwa mit der tra-
ditionellen deckt, und, wie diese, die Besonderheit jener
völlig einzigen Kunsterscheinung nicht zu erfassen ver-
mag. Kann man z. B. ungerechter gegen Tintoretto sein,
als wenn man von seinem Malertemperament sagt, es
komme nie zu sich und kenne keine Sammlung und Stille?

Aber der Verfasser hat selbst solcher Einzelkritik die
Spitze abgebrochen in seinem schönen »Vorwort als Nach-
wort«, mit dem der zweite Band eingeleitet ist. Wer während
der Lektüre des Buches nicht begriffen hat, daß er es mit
einem Gelehrten und einem feinsinnigen Mann in einer
Person zu tun hat, dem wird vielleicht dieses Nachwort
die Augen öffnen. Hier ist eine so schöne offene Absage
an modernen Phrasenschwall, daß es jeden, der sich be-
strebt, von künstlerischen Dingen so zu sprechen, daß er
die Anforderungen der Wissenschaft und des guten Ge-
schmacks zugleich erfüllt, wohltuend berühren muß.

Abgesehen davon aber, daß der Verfasser durch intime
Beschäftigung mit der Kunst einen eigenen und fest be-
gründeten Standpunkt gewonnen hat, hat er sich in seltenem
Maße alle Tatsachen über das Leben der Künstler, die er be-
handelt, zu eigen gemacht. Besonders wo er über ihr Men-
schentum spricht, ist er vielseitig und anregend. Auf solcher
Base reichen Erkennens hat er oft schöne und glückliche
Worte, so wenn es bei Raffael heißt: »die Schönheit ist
eine seltene Gabe des Himmels und eine Gunst der Natur,
nicht ein ergreifendes geistiges Erleben.« Und so meine
ich, manchem unter den Fachgenosssen wird der Verfasser
etwas zu sagen haben, — auch wenn er nicht Spezia-
list ist.

Einen eigenen Wert beansprucht der als Ergänzungs-
 
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