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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schleinitz, Otto von: Die Whistler-Ausstellung in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0185

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 23. 28. April

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petiizeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE WHISTLER-AUSSTELLUNG IN LONDON

In Anbetracht der obwaltenden großen Schwierig-
keiten eine Leihausstellung von Whistlers Werken ins
Leben zu rufen, verdient das Komitee der internatio-
nalen Künstlervereinigung und namentlich deren
Sekretär Dr. C. Barker entschieden Anerkennung.
Jedenfalls erhalten wir durch diese Sonderausstellung
in der »New Gallery« eine sehr gute Übersicht der
Kunstentfaltung Whistlers in seiner Eigentümlichkeit
als Maler, und hinsichtlich seiner graphischen Tätig-
keit wird eine so vollständige Sammlung seiner Werke
vorgeführt, wie sie bisher noch niemals vereint wor-
den war.

A. Rodin, der Nachfolger Whistlers als Präsident
der internationalen Oesellschaft, eröffnete am 22. Fe-
bruar d. J. im Verein mit vielen hiesigen und aus-
wärtigen künstlerischen Notabilitäten die zur Erinne-
rung des Verstorbenen veranstaltete Ausstellung, welche
ebenso vom großen kunstliebenden Publikum wie in
Fachkreisen als eine äußerst gelungene bezeichnet
wird. Whistler, der wie bekannt eine Kampfnatur
ersten Ranges besaß und bei Lebzeiten viele und
einflußreiche Gegner zu befehden hatte, scheint nun
auch im Tode selbst noch nicht Ruhe finden zu
sollen. Seine Testamentsvollstreckerin Miß Birnie
Philip protestiert nämlich dagegen (und behauptet
dies im Sinne des Meisters zu tun), daß im Ausstel-
lungskatalog Whistlers Signatur, der »Schmetterling«,
benutzt wird. Gewisse Variationen des letzteren hatte
der Künstler entworfen für »The gentle art of making
enemies« und somit fehlt selbst in dieser Gedächtnis-
ausstellung, ganz im echten Stile Whistlers, nicht
diejenige Note der Disharmonie, die er gelegentlich
bei Besichtigungen schon dadurch hervorrief, daß er
die diametral entgegengesetzten Kritiken der Presse
einzelner seiner Werke unter denselben in natura an-
bringen ließ. Im tief innersten Herzen haßte Whistler
London. Umgekehrt war es schwer, selbst beim besten
Willen den Meister zu befriedigen, denn er verlangte,
man solle alles von ihm gut finden und vergaß hier-
bei, daß seine Kunst nicht eine solche ist, die von
jedermann weder auf den ersten Blick verstanden
wird, noch Gefallen hervorruft. An Interesse fehlte
es ihm niemals. Um aber seine Auffassung, die
seltsamen Widersprüche, das gewollt Einfache und
dann wieder Affektierte und an die Karikatur

Streifende, das Mysteriöse in dem Zwielicht seiner
Morgen- und Abenddämmerungen, voll in der bisher
ungekannten Eigenart zu würdigen, bedurfte es selbst
für sonst objektive Kenner der Zeit. Andererseits hat
niemand schon während des Schaffens des Künstlers
geleugnet, daß sich seine Radierungen an der Spitze
der Epoche bewegen.

Nichts verdroß den Künstler indessen mehr, wie
das anfänglich abfällige Urteil seiner eigenen Lands-
leute. Wenngleich er in England zahlreiche Gegner
besaß, so erwarb er sich doch unmittelbar nach Kennt-
nis seiner ersten Leistungen Freunde wie Palgrave,
William Rossetti, Swineburne, die »Saturday Review«,
das »Art Journal« und andere. Sehr vermögende
Privatpersonen gaben ihm Aufträge, das British Museum
kaufte fast alle seine Radierungen und die Korporation
von Glasgow zahlte ihm für damalige Verhältnisse
den hohen Preis von 20000 Mark für seinen
»Carlyle«.

In der Ausstellung erhielten die beiden Ehren-
plätze »Carlyle« und »Des Künstlers Mutter«, ein
Werk das durch besondere Verfügung des Präsidenten
Loubet vom Luxembourg-Museum geliehen wurde.
Wie bereits bemerkt, sandte die Stadt Glasgow
»Carlyle« und wird der Urheber des Porträts auf
dem Rahmen des Bildes durch eine Inschrift als zur
englischen Schule gehörig bezeichnet, eine Ansicht,
die Whistler bei Lebzeiten sicherlich stark bekämpft
haben würde! Von anderen in demselben Saale auf-
gehängten Gemälden erwähne ich: »Die Witwe«, ein
Seestück, »Mädchen mit roter Feder« und »Mädchen
in Schwarz«, dieses aller Wahrscheinlichkeit nach
das letzte von ihm gemalte Bild.

Wir kommen dann zu der interessanten Serie der
»Nocturnes«, unter denen sich besonders das hoch-
poetische Bildchen »St. Markus mit der Piazza« aus-
zeichnet. Ferner das von dem Chicago-Kunstinstitut
dargeliehene Nocturne »Southampton«, demnächst
»Blau und Silber«, die alte Brücke in Battersea dar-
stellend, »Valparaiso«, Blau und grün«, in welchem
Chelsea und die Themse wiedergegeben wurde und
endlich eine Reihe höchst charakteristischer, das nächt-
liche Leben in dem illuminierten Garten »Cremorne«
zur Anschauung bringende Bilder. Nirgends ge-
eigneter wie hier konnte der Ausdruck »Nocturne«
gewählt werden! »Cremorne«, seines regen Nacht-
lebens wegen ehemals berühmt und berüchtigt, war
 
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