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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [5]
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Die Sammlungen alter Kunst Italiens in ihrer jüngsten Entwickelung
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0260

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503

Neues aus Paris — Die Sammlungen alter Kunst Italiens — Nekrologe

504

Corado Ricci hat in den gelesensten italienischen
Zeitungen in scharfer Sprache auf die Verunstaltungen
hingewiesen, welche Venedig und seine Lagune erfahren
hat durch Überführung der Leitungsdrähte des elektrischen
Lichtes vom Festland nach der Stadt, durch die ekelhaften
Reklametafeln, in langer Reihe in der Lagune aufgestellt,
welche Kakao und Pilsner Bier anpreisen. Er beklagt,
daß auf der Riva degli Schiavoni, dicht neben dem Ge-
fängnisse und Dogenpalast ein großes Hotel von dreißig
Meter Höhe errichtet werden soll, desgleichen neben der
Salute. Er zeiht die Venezianer der Gleichgültigkeit. Darob
großes Geschrei in den Lokalblättern. Jeder Kunstfreund
muß es Ricci danken, daß er durch seine energische Sprache
eine Bewegung durch die ganze italienische Presse hervor-
gerufen hat zugunsten der Erhaltung der Physiognomie
Venedigs und gegen herzlose Spekulation. Man hofft,
einen Gesetzesparagraphen dem gegenüber benutzen zu
können, welcher bestimmt, in welcher Weise neu zu er-
richtende Gebäude, welche in nächster Nähe eines bedeu-
tenden monumentalen Baues sich erheben sollen, in ihren
Dimensionen beschränkt werden müssen. a. Wolf.

NEUES AUS PARIS

Mme. Fantin-Latour hat der Gemeinde von Paris
die ganze Serie der Lithographien ihres Gatten ge-
stiftet. — Die Pariser Stadtväter haben jüngst beschlossen,
das ganze Studio des im Jahre 1902 verstorbenen Bild-
hauers Jules Dalou anzukaufen. — Mme. Corroyer hat dem
Louvremuseum ihre berühmte Sammlung mittelalterlicher
Silberarbeiten nach dem Willen ihres verstorbenen Gatten
testamentarisch vermacht, sich aber den Besitz bei ihren
Lebzeiten vorbehalten.

In Paris hat sich nach dem Muster des dortigen Schrift-
stellerverbandes gleichfalls ein Maler- und Bildhauer-
verband gebildet, von dessen Tätigkeit man für die Zu-
kunft wichtiges erwarten darf.

Die Pariser Akademie des beaux Arts wählte den
Bildhauer Saint-Marceaux zum Nachfolger des verstorbenen
Paul Dubois. Er ist namentlich bekannt geworden durch
seine im Luxembourg-Museum befindliche Statue »Genius
des Schweigens«. Gleichzeitig wurde für den durch den
Tod Rothschilds frei gewordenen Sitz eines Mitgliedes der
berühmte Anatom Richer, der gleichzeitig als Zeichner und
Bildhauer geschätzt wird und in der Kunstschule Unter-
richt erteilt, gewählt.

Im »Petit-Palais« wurden drei neue Säle eröffnet, die
eine Ausstellung von kostbarem Sevresporzellan, von Werken
des Bildhauers Dalou und des Malers Ziem enthalten.

Das Louvremuseum erhielt aus dem Nachlaß des
verstorbenen Barons Rothschild wertvolle Geschenke, dar-
unter zwei Teniers, vier Greuze, ein Ruysdael, ein Hobbema
und ein Wouwerman.

DIE SAMMLUNGEN ALTER KUNST ITALIENS

IN IHRER JÜNGSTEN ENTWICKELUNG

Wer nur aus den Zeitungen über die Kunstsamm-
lungen Italiens sich ein Urteil bilden kann, muß an-
nehmen, daß der Kunstbesitz Italiens mehr und mehr
zusammenschmilzt, daß immer neue Schätze daraus in
das Ausland wandern: soviel ist die Rede von den
Verkäufen unschätzbarer Kunstwerke aus Privatbesitz, von
den Entwendungen aus Klöstern und Kirchen. Wer aber
Italien seit Jahrzehnten kennt und es von Zeit zu Zeit
wiedergesehen hat, wird über die Entwickelung des italie-
nischen Kunstbesitzes zu ganz anderen, sehr viel günsti-
geren Ansichten gelangt sein. Die Sammlungen haben
nicht nur in der Aufstellung wesentliche Verbesserungen

erlebt, sie haben sich im Laufe des letzten Menschenalters
verdoppelt und verdreifacht, haben sich nach vielen Rich-
tungen vertieft, und für die Erhaltung der Monumente ist
seither außerordentlich viel geschehen — ob stets in rich-
tiger und wirkungsvoller Weise, ist freilich eine andere
Frage. Wenn bei jedem völlig ordnungsmäßigen Verkauf
eines oft herzlich unbedeutenden Kunstwerks an das Aus-
land über »Diebstahl« und »Raub« geschrien wird, wenn
sogar die Regierungsorgane selbst bei Verkäufen an aus-
ländische Museen sich solcher maßlosen, ganz ungerecht-
fertigten Ausdrücke bedienen, so übersieht man in Italien
vollständig, daß gleichzeitig mit der Ausfuhr auch eine Ein-
fuhr von alten Kunstwerken nach Italien stattgefunden hat;
ja über jenem Geschrei hat man selbst im Ausland das
Bewußtsein verloren, wie bedeutend das ist, was wir »Bar-
baren« in den letzten Jahrzehnten an Italien an Werken
der älteren Kunst abgegeben haben. Es ist gewiß nicht
zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß Italien in dieser
Zeit an wirklichen Kunstwerken nahezu ebensoviel einge-
führt wie ausgeführt hat; und obenein hat es alle jene
Sachen geschenkt bekommen, während durch die Verkäufe
zu meist außerordentlichen Preisen das Nationalvermögen
um ein Erkleckliches vermehrt worden ist. Ein solches, fast
unschätzbares Geschenk war die ganz in Frankreich durch
Generationen zusammengestellte Sammlung des Franzosen
Carrand, durch welche das Museo Nazionale in Florenz
auch für die Kleinkunst eine Sammlung ersten Ranges ge-
worden ist. Dasselbe Museum hat in der Sammlung Reß-
mann eine ganz gewählte, fast ausschließlich in Paris zu-
sammengebrachte Waffensammlung als Vermächtnis erhal-
ten. Die Sammlungen des Marchese d'Azeglio, die heute
den Hauptbestandteil des Museo Civico in Turin ausmachen,
stammen vorwiegend aus Erwerbungen, die er als italie-
nischer Gesandter in London machte. Auch manche der
Antiken der eben der Stadt geschenkten Sammlung Bar-
racco in Rom und manche Schätze verschiedener Privat-
sammlungen, wie der Galerie Crespi in Mailand und an-
dere mehr, stammen aus dem Auslande. w. B.

NEKROLOGE

Eine schmerzliche Kunde kommt uns aus Paris. Dort
ist am 23. Juli im Alter von nur 36 Jahren unser Mitarbeiter
Georges Riat infolge eines Herzleidens, das er sich vor
Jahresfrist zugezogen hatte, gestorben. Riat war seit einer
Reihe von Jahren Assistent an der Kupferstichabteilung
der Bibliotheque Nationale. Literarisch hat er sich in
Deutschland besonders durch sein weit verbreitetes Buch
über Paris in der Sammlung »Berühmte Kunststätten« be-
kannt gemacht. In letzter Zeit arbeitete er an zwei
größeren Werken, einem über Ruisdael und einem über
Courbet. Dieses letztgenannte sollte gerade jetzt er-
scheinen. Riat war ein Mensch von seltener Bescheiden-
heit und Hilfsbereitschaft. Er war der Typus des soliden
Arbeiters, für den das Studium alles ist. Seine zahlreichen
Freunde werden seinen frühen Tod schmerzlich beklagen.

Jean Jacques Henner, der Liebling der amerikanischen
Bilderkäufer, der fast am häufigsten in den Läden der
Pariser Kunsthändler gezeigte Meister, ist am 23. Juli in
Paris gestorben. Henner stammte aus dem Elsaß, wo er
am 5. Mai 1829 in Bernwiller als Sohn bescheidener Bauers-
leute geboren war. 1858 wurde er Prix de Rome und 1865
begann er, angestachelt durch den Erfolg, den er damals
mit der Darstellung eines nackten weiblichen Wesens in
einsam heimlicher, freier Natur gewann, eine unabsehbare
Reihe von Variationen dieses Themas zu schaffen, das er
mit »Hennerschen« Frauenköpfen, meist rotblonden Typen,
wechseln ließ. Die Produktion konnte kaum der Nach-
frage genügen. Henner verstand sein Metier aus dem
 
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