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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Praktische Fragen: Sprechsaal für die Leser
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Breuer, Robert: Farbenspiele (zu den dekorativen Textilien von Bremer & Dornbrach)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0033

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PRAKTISCHE FRAGEN ° SPRECHSAAL FÜR DIE LESER

DIE Schriftleitung des Kunstgewerbeblattes hat sich entschlossen, Anfragen aus dem Leserkreis nicht nur
auf direktem Wege zu beantworten, sondern sie, wenn ein allgemeines Interesse vorliegt, hier der
öffentlichen Beantwortung und Besprechung zu unterstellen. Es wird zu diesem Zwecke im Kunst-
gewerbeblatt eine neue Rubrik »Praktische Fragen« eingerichtet, in der jeder Leser das freie Wort erhält,
wenn er etwas für seine Berufskollegen oder die Allgemeinheit Wichtiges zu sagen hat. Wie schon aus der
Überschrift dieser Rubrik hervorgeht, soll es sich weniger um ästhetische als um praktische Fragen handeln,
die z. B. zwischen den Künstlern und Ausführenden zu klären sind. Die Leser des Kunstgewerbeblattes
werden hiermit eingeladen, sich zur Schriftleitung über Vorschläge und Anregungen ganz freimütig zu äußern;
es wird an den Einsendungen inhaltlich möglichst wenig geändert, während das Streichen und Zusammen-
ziehen einzelner Teile, die in ähnlicher oder gleicher Weise bereits behandelt wurden, Vorbehalten bleiben muß.

□ Als Praktiker, der die beiden Ausstellungen in Ham-
burg, bemalte Wohnräume und Tapetenausstellung, gesehen
hat, las ich mit großem Interesse, was Hugo Hillig im Heft 9
des vorigen Jahrgangs des Kunstgewerbeblattes über die
beiden Veranstaltungen sagt. o
□ Die Ausstellung bemalter Wohnräume zeigt, was mir
natürlich erscheint, neben Gutem, das ja auch Herr Hillig
anerkennt, auch ganz unzulängliches, gewiß, aber man muß
doch bedenken, daß das Malergewerbe seit etwa zehn
Jahren sozusagen kunstgewerblich ausgeschaltet war, daß
es in dieser Zeit fast vollständig an jeder Gelegenheit, sich
zu betätigen in Farbe und Form, fehlte. Kann man es nun
einzelnen verübeln, wenn sie sich jetzt etwas blindlings auf
das Objekt stürzen? Ist es nicht vielmehr ein Beweis für
eine unverwüstliche Kraft, wenn sie nach langer Wande-
rung durch die farblose Wüste noch oft genug ein nam-
haftes Können, gepaart mit gutem Geschmack, zeigt? Man
muß auch anerkennen, daß in vielen Räumen der Ge-
danke der Zusammengehörigkeit glücklich erfaßt ist. Nicht
mehr wie in München glaubt man ohne den Architekten,
ohne den Künstler auskommen zu können. Leider bemühen
sich Architekt und Künstler keineswegs ebenso um das
Flandwerk. Nicht mehr versucht man aus Holz Marmor,
aus Putzflächen Holz oder Marmor zu machen. Mit Aus-
nahme des Raumes, in welchem sich die Materialien be-
finden, wo auch gemaltes Holz und Marmor zur Ansicht
gebracht wird, ist jede Imitation vermieden. Was ich recht
vermißt habe, waren über das Gewöhnliche hinausgehende
Anstrichtechniken. Ich glaubte Hamburg, das fast zuerst
Kammzugtechnik brachte, würde hierin Großartiges leisten.

Die Schriftleitung des Kunstgewerbeblattes.
Das war nicht der Fall. Dagegen hatte man einige Räume
so angestrichen, daß sie aussahen wie tapeziert. Das ist
nach meiner Auffassung, bei den reichen Ausdrucksmitteln,
die uns zur Verfügung stehen, zu vermeiden. Im großen
ganzen habe ich den Eindruck, daß zwar vieles verbesserungs-
fähig ist, daß aber die Dekorationsmalerei auf der Aus-
stellung trotzdem einen Fortschritt nach der Richtung der
Anpassungsfähigkeit erkennen läßt. □
□ Was nun die Tapetenausstellung betrifft, so findet sich
zwar auch dort manches Gute, z. B. die ausgestellten Ent-
würfe für Tapeten, auch manches gefällige Muster, das gar
nichts anderes sein will als ein Stück auf Vorrat gedruckter
Wandanstrich, aber das sind Ausnahmen. Sonst sind Decken
und Wände gefüllt mit Imitationen. Hier glaubt man einen
echten Gobelinstoff, dort Kachelung, Rohrgeflecht, eine
Ledertapete oder einen gemalten Blumenfries vor sich zu
haben. Hier beklebt man die Fenster mit geöltem Papier,
dort kann man sogar eine Leiste sehen, die keine Leiste
ist, sondern nur eine gemalte d. h. gedruckte Borte auf
Papier. □
□ Es ist manche, wenn auch bittere Wahrheit in dem, was
Herr Hillig den Hamburgern im besondern, uns aber im
allgemeinen sagt. Ich kann dem gegenüber aber wohl
sagen, es gibt heute schon unter den Malermeistern eine
Menge tüchtige und intelligente Leute, die sehr wohl die
Schäden erkennen, unter denen das Malergewerbe leidet,
die dabei und an der Arbeit sind, diese Schäden zu
beseitigen und ihrem schönen Gewerbe zu dem Platze an
der Sonne zu verhelfen, der ihm wie jedem anderen zu-
kommt. //. Bernhardt.

FARBENSPIELE
(ZU DEN DEKORATIVEN TEXTILIEN VON BREMER & DORNBRACH)

NACHDEM es gelungen ist, dem Wohnraum
das hygienische Quantum an Licht zu sichern,
darf auch die Farbe wieder in die Zimmer
eingelassen werden. In den Jahren der Dunkelheit,
da die Fenster beinahe zugehangen waren und jeder-
mann sein Vergnügen an geheimnisvollen Winkeln
hatte, gab es zwar auch Farbigkeit im Wohnraum;
nur entbehrten die tiefen Sammetrote der Portieren,
die Blau und Grün der Plüschgarnituren der Durch-
lichtung. Die Farben ertranken im Halbdunkel; sie
hatten alle eine Tendenz zur braunen Neutralität.
Zuweilen löschten sie sich gegenseitig; selbst türkische
Buntheit wirkte schwarz. Es gibt eben keine Farbe
ohne Licht, noch eine Leuchten ohne Luft. Die

Farbe bedarf des Raumes, um sich zu entwickeln,
um ausstrahlen zu können. Farbe ist eine Illusion.
Man spürt sie erst, wenn sie die Schwingen breitet;
man muß fühlen, wie sie einem entgegenschwebt.
Dahin gehen die Absichten aller, die der Farbe eine
Funktion in der Rechnung der modernen Architektur
bewilligen. a
n Das ist es, was die Textilien, die hier schwarz-
weiß angedeutet werden, sonderlich amüsant macht:
das Farbenmotorische, die Leichtigkeit des Farben-
spieles. Wir sind beim Anschauen dieser Vorhänge,
Decken und Kissen zuversichtlich, von keiner kom-
pakten Buntheit bedräut zu werden. Diese Farben
wollen nicht sein, sie wollen klingen. (Das ist zwar,
 
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