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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0047

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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schmackssünden aufweist. Die künstlerische Leitung der
Ausstellung lag in den Händen von Prof. E. Högg-Bremeti;
sie wird sowohl den Stader Handwerkern, als auch dem
Stader Bürgertum gezeigt haben, wie sich das Kleinstadt-
leben veredeln und trotz seiner Enge lebenswert machen
läßt, wenn dafür gesorgt wird, daß die Strömungen der
Zeit auch in kleinen Städten ein Echo finden. Hilg.
□ Darmstadt. Die Großherzogliche Kabinettsdirektion
teilt mit, daß in einer abgehaltenen Besprechung mit Ge-
nehmigung des Großherzogs beschlossen wurde, im Sommer
1913 eine große Ausstellung der Künstlerkolonie in Ver-
bindung mit einer Ausstellung für Kunstindustrie und Kunst-
gewerbe zu veranstalten. Die Ausstellung wird im Aus-
stellungshause auf der Mathildenhöhe stattfinden und in
erster Linie künstlerische Wohnungseinrichtungen für Miets-
wohnungen von Familien mittleren Einkommens zeigen.
Die Regierung wird eine Anzahl Staatsmedaillen zur Prä-
miierung von Firmen zur Verfügung stellen. Die gesamte
Leitung der Ausstellung hat auf Anordnung des Groß-
herzogs die Großherzogliche Kabinettsdirektion selbst über-
nommen. □
n Berlin. Die Abteilung der modernen Wohnräume bei
A. Wertheim, die immer Neues und Schönes zu zeigen hat,
erfreute uns zum Herbstbeginn durch die Vorführung einer
Wiener Fayence. Es war wirklich ein herbstliches Vergnügen:
ein Aufbrennen und Leuchten farbigen Reichtums. Wir
genossen keck isoliert und in artistischer Glorie jene satten,
von einer letzten Spannung durchpulsten Töne, wie sie
der zum Tode feierliche Wald und die zum Abschiedsfest
glühende Heide zu vergeben haben. Farben, die ein
wenig gilbten und doch von doppelter Intensität schienen,
die jäh gegen einander brannten und sich doch zu einer
Einheit verwebten. Diese Gefässe, diese Teller und Schalen
der neuen Wiener Fayence waren zugleich den Sinnen ein
Tanz und eine traumschwere Müdigkeit. Sie haben eine
sehr begehrenswerte Perversität, etwa die von scharzem
Frauenhaar, das über und über mit Silber gepudert wurde.
Oder die von seltsamen Meergewächsen, die im Glanz der
Korallen und im spiegelnden Licht der Tiefe atmen und
ranken. Sie sind eben wienerisch, ganz melodiös, ganz
Prätention. Ob sie als Keramiken, ob sie als modernes
Kunstgewerbe zu rechtfertigen sind, läßt sich schwer sagen.
Doch wird kein Gourmand so dumm sein, danach zu
fragen. Was bedeuten Gesetze , wenn die Augen
schwelgen und die Fingerspitzen zärtlich sein dürfen. Op-
tisch handelt es sich bei dieser neuen Wiener Keramik
(die den geheimnisvollen Namen Serapis führt) um amou-
reuse und sehr dekorative, sakral parfümierte Effekte.
Technisch ist es eine hochgebrannte Fayence, die auf
weißem Fond unter der Glasur tiefes Schwarz, Braun,
Kobaltblau, Rot, Gelb und Grün trägt, während über der
Glasur leuchtendes Mattgold und mattes Platin angebracht
wurden. Die Firma Emst Wahliß zeichnet als Herstel-
lerin; die künstlerische Leitung wird von den Architekten
Klaus und Galle und durch den Maler Staudigl besorgt.
Breuer.
□ Berlin. Im Dezemberheft des vorigen Jahrganges
dieser Zeitschrift haben wir in einem illustrierten Aufsatz
über »Glasmalereien und Glasmosaiken« erwähnt, daß die

für diesen Kunstzweig arbeitenden Künstler sich zusammen-
tun wollten, um engere Fühlung mit den kunsthandwerklich
ausführenden Kräften zu gewinnen. Aus diesem organi-
satorischen Bestreben ist nun der »Künstlerbund für Glas-
malerei und Glasmosaik« entstanden, der mit der vorteil-
haft bekannten Firma Gottfried Heinersdorff zusammen
arbeitet und im September bei Keller & Reiner eine Aus-
stellung seiner Werke veranstaltete (vergl. die Abbildungen
in der vorigen Nummer). Man mußte darüber staunen,
wie schnell die raumkünstlerischen Bestrebungen unserer
Zeit sich auch hier zum Ausdruck und damit die recht
darniederliegende Glasmalerei und Glasmosaiktechnik wie-
der zu Ehren bringen konnten, nachdem erst einmal er-
kannt worden war, daß es sich nicht mehr um eine Gast-
stuben-Spielerei in der Art von Abziehbildern, sondern um
ein ernstes und architektonisches Problem handelt. Fast
alle, dem Künstlerbunde angehörenden Künstler haben in
ihren Arbeiten solche Ziele verfolgt; wo sie es nicht taten,
haben sie nützliche Kleinarbeit geleistet, indem sie den
leider sehr beliebten Diaphanien durch künstlerischen Er-
satz die fernere Existenzberechtigung unmöglich zu machen
suchten. An dieser Ausstellung waren beteiligt: Becker-
Tempelburg, Fritz Adolf Becker, Peter Behrens, Willy
Belling, Harold T. Bengen, Christophe, August Endell,
Ewerbeck, Albert Geßner, Gottfried Heinersdorff, Georg
Honold, Bernhard Jäger, Cesar Klein, Albert Klingner,
Richard Kuöhl, Lehmann-Steglitz, Hans Looschen, Georg
Muttray, Nentwich & Simon, Max Pechstein, Fritz Pfuhle,
Robert Pollog, Katharine Schaffner, A. P. Schmidt, Ilse
Schütze-Schur, Thorn-Prikker, August Unger, Heinrich
Vogeler, G. Vogt, G. Wiethüchter und Willingsdorfer. Als
Gast war geladen L. Forstner aus Wien mit prickelnd far-
bigen Mosaiken, die besonders durch ihre geschickte Ver-
bindung mit Keramik Interesse erregten. Die Firma Heiners-
dorff-Berlin hat wieder durch ihre sorgfältige und liebevolle
Ausführung von modernen Künstlerentwürfen und Kopien
alter Scheiben höchstes Lob geerntet und ist jetzt sicher
unsere bedeutendste Kunstanstalt auf diesem Gebiete.
Neben ihr besteht sehr ehrenvoll die deutsche Glasmosaik-
anstalt von Puhl & Wagner in Rixdorf, die auch die
Künstler der älteren Kunstauffassung zu Worte kommen
läßt. Aber die Jugend! Die Krone haben zwei von unseren
jüngsten Berliner Künstlern, Max Pechstein und Harold
T. Bengen abgeschossen. Neben ihren heißblütigen und
doch formal so kraftvoll beherrschten Entwürfen mußte
manches andere verblassen. Wie sie den Farbenakkord
erklingen ließen und in der figuralen Komposition das
Wesentliche so einfach und selbstverständlich zum Ausdruck
brachten, das läßt uns auf sie die größten Hoffnungen
setzen. — Erwähnenswert ist die klare und technisch gut
orientierende Einführung, die Robert Breuer für den hübsch
ausgestatteten Katalog der Ausstellung geschrieben hat.
F.H.
□ Berlin. Das Hohenzollern-Kunstgewerbehaus Friedmann
& Weber veranstaltete vom 24. Oktober bis 12. November
eine Sonderausstellung »Alt-China«, auf die wir vielleicht
noch eingehend zurückkommen werden. — Graphik und
Buchkunst von Willy Geiger ist ausgestellt bis zum 30. No-
vember in dem Ausstellungssaal der Bibliothek des Kunst-
gewerbe-Museums. a

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwaq, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h. in Leipzig
 
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