Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Geller, Johannes: Rudolf Bosselt
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0078

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT

71


Traditionen, versüßlichter und verweichlichter Zeit-
auffassungen immer zugunsten der Nur-Realisten, der
Virtuosen, der Techniker, der Eroberer neuer Aus-
drucksmöglichkeiten entschieden. Heute sind die
Formen gereinigt, die Technik hat jede gewollte Höhe
erreicht. Und schon ist die Wandlung in den An-
schauungen zu verspüren, das Werk darf wieder einen
Gehalt haben; geistige Vorstellungskraft, intellektuelle
Anschauung darf sich mit plastischem Bildvermögen,
mit kubisch ausdeut- und wägbaren Gefühlen ver-
schmelzen. □
□ Aber nur wenn dieser Prozeß bereits in der Kon-
zeption vor sich gegangen ist, darf die Hoffnung auf
ein Kunstwerk entstehen. Die Art nun, wie bei einer
Reihe von Werken Bosselts die Erfüllung mit innerem
Gehalt nachzuweisen ist, läßt ihn als einen der ersten
Vertreter des psychologischen Impressionismus in der
Bildhauerkunst, um in Lamprechts mehr geistreicher
als richtiger Terminologie zu reden, erkennen. Man
braucht keineswegs den übrigens schon vor i o Jahren
niedergeschriebenen und inzwischen durch die Ent-
wicklung der modernen Kunst überholten Ausführungen
des berühmten Geschichtsschreibers zu folgen, um den
glücklich erfundenen Terminus eines »psychologischen

Impressionismus« zur Kennzeichnung einer bestimm-
ten Richtung in der Bildnerei doch gelten zu lassen.
Impressionismus bedeutet ja nichts weiter, als mit
beherrschter Technik und mit vollendeter Wahrhaftig-
keit gegen das persönliche Empfinden sofort wieder-
zugeben, was das Auge wahrnimmt. Darin nun, ob
es sich vorwiegend um die Wiedergabe eines rein
physiologischen Eindrucks, oder um die Darstellung
innerer Gesichte, Auslösung psychischer Reize handelt,
ist das unterscheidende Merkmal zwischen physiologi-
scher und psychologischer Impression zu finden. Es
muß aber, um letztere zu erfüllen, noch ein Korre-
spondierendes hinzutreten: im Kunstwerk selbst ist das
psychische Moment, das in der Konzeption bereits das
Bild geformt hat, zu kennzeichnen. Das hat Bosselt
erreicht. Ihm ist, wie W. Niemeyer in seiner Denk-
schrift zur Ausstellung des Sonderbundes 1910, offen-
bar von gleichen oder verwandten Gesichtspunkten
ausgehend, von einem der Bosseltschen Werke sagt,
das psychische Moment zur suggestiven Formgebärde
geworden, ln der Skizze (Abb. S. 70), um diese Aus-
führungen weiter zu belegen, ist die Geschlossenheit
der Silhouette und die ganze Haltung des Körpers
nicht aus physiologischen Eindrücken bei der Be-

11
 
Annotationen