ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT
83
das neue Stadthaus der berlinischen
Tradition sich eingliedert, obgleich
es eigentlich der römischen Hoch-
renaissance zugehört. Hoffmann be-
sitzt die feine Oabe, historische
Formen so unizubiegen und zu-
sammenzustellen, so intim zu ver-
weben, daß aus dem Eklektizismus
beinahe eine Synthese wird. Es ist
schon richtig: das neue Stadthaus
hat seine eigne Musik. Allerdings,
Hoffmann baute nicht das, was er
eigentlich liefern sollte: ein Bureau-
haus. Und wenn auch nur ein Teil
von dem wahr ist, was die Beamten,
die in diesen Bureaus arbeiten, leb-
haft kritisieren, wenn] die Anklage
auf mangelhafte Belichtung, geringe
Raumabmessungen und Fehlen jeg-
lichen sozialen und hygienischen
Komforts zu Recht geschieht, dann
wird ein großer Teil des Dankes,
den Hoffmann erwarb, dahin sein.
Es geht natürlich nicht, daß ein
schöner Turm in die Wolken ge-
schickt wird, während das Notwen-
dige schweren Schaden leidet. Es
wird sich nicht umgehen lassen, daß
einmal die Hoffmannschen Bauten
der Reihe nach gründlich daraufhin
geprüft werden, inwieweit sie gegen
die simplen Forderungen der Zweck-
mäßigkeit und des täglichen Ge-
brauches verstoßen. Das eine aber
ist jedenfalls heute schon deutlich:
die Theoretiker haben wieder ein-
mal recht behalten. Man kann eben
nicht neuen Wein in alte Schläuche
füllen; man kann nicht den Auf-
gaben einer modernen Stadt gotische
oder italienische Ausdrucksformen
geben, ohne daß es dabei zu Kon-
flikten kommt. — Hoffmann hat
seinen Bau, nach alter und lobens-
werter Gewohnheit, reich mit Plastik geschmückt. Er ließ
sich von Taschner, Wrba und Rauch sehr gute dekorative
Stücke schaffen. Er ließ leider auch den inzwischen arg
verödeten Naager sein greuliches Handwerk treiben. Was
dieser italienische Steinmetz in sei-
ner Ornamentenfabrik produziert, ist
nichts als routinierte Geistlosigkeit.
Es ist ganz unverständlich, warum
Hoffmann diesen Naager, der, so
lange Messels strenge Hand ihn
zwang, ganz Leidliches hervorbrachte,
der inzwischen aber verwilderte, noch
immer beschäftigt. r. Breuer
n Berlin. An der Ecke der Char-
lotten- und Leipzigerstraße hat die
Seidenfirma Gustav Cords durch den
Architekten Schaudt ein neues Ge-
schäftshaus aus Hartheimer Muschel-
kalk erbauen lassen. Ohne von
einer ganz besonders hervorragen-
den künstlerischen Leistung sprechen
zu können, darf man doch sagen,
daß das Gebäude durch seine ruhigen
und schönen Verhältnisse in dem
Gewirre der Verkehrsstraße gut
wirkt und von manchem Nachbarn
sich vorteilhaft abhebt. Die großen
Schaufenster sind mit Nußbaumholz
verkleidet, dessen warmer Ton einen
guten Hintergrund für die ausge-
stellten Seidenwaren abgibt. Die
Lichtverhältnisse sind, den Erforder-
nissen der Ware entsprechend gut;
ein besonderes »Lichtzimmer« ge-
stattet die Besichtigung von Ball-
roben usw. bei künstlicher Beleuch-
tung. Dr. Schutze-Kolbitz hat eine
geschmackvolle Inneneinrichtung in
graugetöntem Eichenholz geschaffen;
über die Schaufenster ist eine etwas
reichlichere Fülle von Holzornamen-
ten von Prof. Wackerle ausgegossen.
An sich sind diese Ornamente künst-
lerisch und technisch aber vorzüglich.
H.
a Bremerhaven. Ein neues Thea-
ter von Oskar Kaufmann. Es läßt
sich immer deutlicher feststellen, daß die Provinz kräftig
dabei ist, der Reichshauptstadt den architektonischen
Ruhm streitig zu machen. Nichts kann erfreulicher
sein: rings im Lande steigt das Niveau, was die Bau-
83
das neue Stadthaus der berlinischen
Tradition sich eingliedert, obgleich
es eigentlich der römischen Hoch-
renaissance zugehört. Hoffmann be-
sitzt die feine Oabe, historische
Formen so unizubiegen und zu-
sammenzustellen, so intim zu ver-
weben, daß aus dem Eklektizismus
beinahe eine Synthese wird. Es ist
schon richtig: das neue Stadthaus
hat seine eigne Musik. Allerdings,
Hoffmann baute nicht das, was er
eigentlich liefern sollte: ein Bureau-
haus. Und wenn auch nur ein Teil
von dem wahr ist, was die Beamten,
die in diesen Bureaus arbeiten, leb-
haft kritisieren, wenn] die Anklage
auf mangelhafte Belichtung, geringe
Raumabmessungen und Fehlen jeg-
lichen sozialen und hygienischen
Komforts zu Recht geschieht, dann
wird ein großer Teil des Dankes,
den Hoffmann erwarb, dahin sein.
Es geht natürlich nicht, daß ein
schöner Turm in die Wolken ge-
schickt wird, während das Notwen-
dige schweren Schaden leidet. Es
wird sich nicht umgehen lassen, daß
einmal die Hoffmannschen Bauten
der Reihe nach gründlich daraufhin
geprüft werden, inwieweit sie gegen
die simplen Forderungen der Zweck-
mäßigkeit und des täglichen Ge-
brauches verstoßen. Das eine aber
ist jedenfalls heute schon deutlich:
die Theoretiker haben wieder ein-
mal recht behalten. Man kann eben
nicht neuen Wein in alte Schläuche
füllen; man kann nicht den Auf-
gaben einer modernen Stadt gotische
oder italienische Ausdrucksformen
geben, ohne daß es dabei zu Kon-
flikten kommt. — Hoffmann hat
seinen Bau, nach alter und lobens-
werter Gewohnheit, reich mit Plastik geschmückt. Er ließ
sich von Taschner, Wrba und Rauch sehr gute dekorative
Stücke schaffen. Er ließ leider auch den inzwischen arg
verödeten Naager sein greuliches Handwerk treiben. Was
dieser italienische Steinmetz in sei-
ner Ornamentenfabrik produziert, ist
nichts als routinierte Geistlosigkeit.
Es ist ganz unverständlich, warum
Hoffmann diesen Naager, der, so
lange Messels strenge Hand ihn
zwang, ganz Leidliches hervorbrachte,
der inzwischen aber verwilderte, noch
immer beschäftigt. r. Breuer
n Berlin. An der Ecke der Char-
lotten- und Leipzigerstraße hat die
Seidenfirma Gustav Cords durch den
Architekten Schaudt ein neues Ge-
schäftshaus aus Hartheimer Muschel-
kalk erbauen lassen. Ohne von
einer ganz besonders hervorragen-
den künstlerischen Leistung sprechen
zu können, darf man doch sagen,
daß das Gebäude durch seine ruhigen
und schönen Verhältnisse in dem
Gewirre der Verkehrsstraße gut
wirkt und von manchem Nachbarn
sich vorteilhaft abhebt. Die großen
Schaufenster sind mit Nußbaumholz
verkleidet, dessen warmer Ton einen
guten Hintergrund für die ausge-
stellten Seidenwaren abgibt. Die
Lichtverhältnisse sind, den Erforder-
nissen der Ware entsprechend gut;
ein besonderes »Lichtzimmer« ge-
stattet die Besichtigung von Ball-
roben usw. bei künstlicher Beleuch-
tung. Dr. Schutze-Kolbitz hat eine
geschmackvolle Inneneinrichtung in
graugetöntem Eichenholz geschaffen;
über die Schaufenster ist eine etwas
reichlichere Fülle von Holzornamen-
ten von Prof. Wackerle ausgegossen.
An sich sind diese Ornamente künst-
lerisch und technisch aber vorzüglich.
H.
a Bremerhaven. Ein neues Thea-
ter von Oskar Kaufmann. Es läßt
sich immer deutlicher feststellen, daß die Provinz kräftig
dabei ist, der Reichshauptstadt den architektonischen
Ruhm streitig zu machen. Nichts kann erfreulicher
sein: rings im Lande steigt das Niveau, was die Bau-