Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0166

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

1 cn
1 oy

□ Es ist ohne Frage in den letzten Jahren viel durch
häßliche Bauten auf dem Lande gesündigt. Aber bei
ruhiger Betrachtung der Verhältnisse wird man wohl bald
zu der Überzeugung kommen, daß die Baugewerkschüler
nicht mehr als andere nicht auf Baugewerkschulen erzogene
und ausgebildete Bauleute an den Verunstaltungen Schuld
tragen. Mögen diese Tatsachen allmählich immer mehr
anerkannt werden, damit endlich das falsche Verurteilen
der Baugewerkschulen aufhört! o
□ Lichtechte Tapeten. Eine der schönsten Früchte der
modernen Echtheitsbewegung sind die hervorragend licht-
echten Tapeten, die jetzt von einer Anzahl deutscher Firmen
auf den Markt gebracht werden, so z. B. von Bammental
(Fondaltapeten), Erismann, Heeder, Salabra, Schütz und
von der Tapetenfabrik Coswig. Es hat eines jahre-
langen und intensiven Zusammenarbeitens der deutschen
Teerfarbenindustrie mit der Tapetenindustrie bedurft, um
diese Errungenschaft auf feste Füße zu stellen; denn
die Sache ist keineswegs so einfach, daß man sagen
kann: »man nehme lichtechte Farbstoffe und dann erhält
man lichtechte Tapeten!« Für Farben, die in vollem Ton
gedruckt werden, mag dieser Grundsatz
gelten, aber wenn helle Töne gebraucht
werden, wo die Farbstoffe in ver-
dünntem (mit Weiß vermischtem) Zu-
stand auf der Tapete stehen, und wo
um einen bestimmten Ton zu erreichen,
mehrere Farbstoffe gemischt werden
müssen, treten die größten Schwierig-
keiten auf. Wenn nur eine der Kom-
ponenten nicht ganz kapitelfest ist,
verändert sich der ganze Ton sehr rasch
am Licht. Hier galt es also, durch fort-
gesetzte Versuche und Prüfungen das
Beste vom Guten auszuwählen. Die
Fabriken, die echte Tapeten machen,
können sich auch nicht mit einem ein-
mal gefundenen Rezept beruhigen, son-
dern sie müssen ihre Produktion unter
steter scharfer Kontrolle halten. □
n Auch in Beziehung auf den guten
Geschmack der Muster sind große Fort-
schritte gemacht worden und man kann
heute sagen, daß man beim Durch-
blättern der lichtechten Sortimente für
jede Geschmacksrichtung, sie mag mehr
nach der farbenfreudigen oder mehr
nach der gedeckt-ruhigen Seite hin-
neigen, Befriedigung findet. □
n Die Fabriken sind ihrer Sache jetzt
so sicher geworden, daß sie die Echt-
heit ihrer Tapeten sogar garantieren,
z. B. in der Weise, daß sie sich verbind-
lich machen, jede Tapete, die nach ein-
jährigem Gebrauch verschossen ist,
kostenfrei neu tapezieren lassen. Mehr
kann man wirklich nicht verlangen! □
□ Ich habe im eigenen Haus jetzt
1 72jährige Erfahrung mit solchen Ta-
peten gemacht und muß sagen, daß ich
durch die große Echtheit aufs ange-
nehmste überraschtbin. Mansiehtkeiner-
lei Unterschied auf der Tapete, wenn
man z. B. Bilder umhängt oderSchränke
umstellt, und das nach einem so sonnigen
Sommer, wie der letzte war. Was den
Preis betrifft, so muß man freilich für

solche Qualitätsarbeit auch etwas mehr bezahlen, als für un-
echten Schund. Der Unterschied ist aber nicht so groß, wenn
man bedenkt, daß von der gewöhnlichen unechten Ware
die Rolle 30 Pfennige bis 5 Mark kosten kann, wobei die
teuere ebenso unecht ist, wie die billigste, während man
jetzt etwa bei M. 1.20 Ladenpreis anfangend echte Tapeten
bekommen kann. Es sei also auch hier betont: Beim Ein-
kauf frage man immer in erster Linie nach lichtechten Sor-
timenten. □
□ Sehr bedauerlich ist, daß es auch schon Leute gibt,
die unter der Flagge der Qualitätsarbeit unechten Schund
zu vertreiben suchen. Es werden da Tapeten angepriesen,
die »lichtecht« sind, »soweit das Papier mit Farbe bedeckt
ist«. Ein Beispiel: eine Tapete mit blauem Grund und
Aufdruck eines Musters in Weiß und Gold. Der ahnungs-
lose Käufer denkt natürlich, das ganze Papier sei »mit
Farbe bedeckt«, und es ist eineTrage für Juristen, ob das
nicht der Fall ist. Wie wird sich der Käufer aber wundern,
wenn er findet, daß die versprochene Lichtechtheit sich
nur auf den Aufdruck in Weiß und Gold bezieht, während
der blaue Grund, der aus gefärbtem Papier besteht, ganz
lichtunecht ist! Weiß und Gold lichtecht zu drucken, ist



Jakob Ochs, künstlerische Leitung Leberecht Migge, Hamburg: Mit dem ersten Preise
gekrönter Konkurrenz-Entwurf für eine öffentliche Anlage in Oldenburg i. Gr.
 
Annotationen