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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0209

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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triebe zu schicken, um ihnen da während längerer Zeit
Gelegenheit zu geben, sich in die betreffenden Techniken
intim einzuleben. Dieser Plan, zu dem die Anregung
meines Wissens vom »Münchener Bund« ausgegangen ist,
verspricht die großartige Bewegung, von der auch die
Bayrische Gewerbeschau Zeugnis ablegt, um einen gewal-
tigen Schritt nach vorwärts zu bringen. °
W. Riezler.
□ Wien. F. H. (Die fünfte Jahresversammlung des Deut-
sehen Werkbundes — die Begründung desÖsterreichi s chen
Werkbundes.) Bella gerant alii, tu felix Austria nube! »ln
Deutschland hat die neugeistige Bewegung des Werkbundes
der Organisierung veredelter Arbeit Vorschub zu leisten
begonnen; in Österreich hat sie das Emporkommen von —•
Talenten wunderbar belebt. Schon deshalb nun, damit
wir aus unserer Heimat (Österreich) nicht bloß Talente,
sondern auch talentierte Qualitätsware in größerer Menge
an den Weltmarkt abgeben können, schon deshalb wollen
wir den Werkbundgedanken auch bei uns (in Österreich)
Eingang und Erfolg wünschen.« Der diese Worte jetzt
in Wien gesprochen hat, Hofrat Dr. Vetter, Vorstand des
Gewerbeförderungsamtes des k. k. Ministeriums für öffent-
liche Arbeiten, hatte sie, beinahe in derselben Fassung,
schon vor zwei Jahren zum Deutschen Werkbunde gesagt.
Damals erschien er in Frankfurt a. M. auf der dritten
Jahresversammlung als Brautwerber (um im Bilde des
zitierten lateinischen Sprichwortes zu bleiben), um »aus
dem Gedanken-Inventar des Deutschen Werkbundes Hilfs-
mittel zur Lösung des österreichischen Problemkomplexes
zu gewinnen«. Als erster offizieller Vertreter des öster-
reichischen Staates und um seiner liebenswürdigen Persön-
lichkeit willen wurde Hofrat Vetter damals stürmisch be-
grüßt und der Bund mit der befreundeten Nation wurde
mit Begeisterung auch auf diesem neugeistigen Gebiete
besiegelt. Allerdings hatte man damals noch gedacht, es
würde an dem Bestehen eines einzigen Werkbundes fest-
gehalten werden können, in den eine »österreichische
Gruppe« eingegliedert werden könnte. Auch in Wien noch
vertrat Muthesius diesen Gedanken. Mag dies nun sein,
wie es will, — scheinbar ist man in Österreich zur
Überzeugung gelangt, daß dort die so bitter notwendige
Beeinflussung der Behörden und die Mobilmachung der
heimatlichen Machtmittel nur einer national-österreichischen
Korporation möglich sein würde. Wir wollen es gern
eingestehen, daß die künstlerisch anregendsten Persönlich-
keiten im Deutschen Werkbund nicht zum geringsten Teil
aus Österreich stammten, und daß wir unsererseits es
ebenfalls bedauerten, Talente wie Josef Hoff mann in Öster-
reich vollkommen verschwendet zu sehen. Osthaus hat
es in Wien ausdrücklich betont, daß die österreichischen
Behörden es notwendig hätten, daß Josef Hoffmann sich
mit ihnen beschäftige. Und wir müssen wohl sagen, daß
wir von Deutschland aus es schwerlich, wenigstens nur
langsam und mit größter Kraftanstrengung, erreicht haben
würden, solch frommen Wunsch zur Wirklichkeit zu
machen. Und doch ....
□ Kurz, die Wiener Freunde hatten den Deutschen Werk-
bund in der klaren Absicht nach Wien geladen, um dort
durch seine Anwesenheit Stoff zur nachdrücklichsten Be-
tonung der Werkbundgedanken vor breitester Öffentlichkeit
zu haben. Ihre ganz ausgezeichnete Regie hat es ver-
standen, diesem Schauspiel deutschen Geistes das glän-
zendste Relief zu geben und ihm die tiefgehendste Wirkung
und lange nachhallenden Beifall zu sichern! Nie hat der
Deutsche Werkbund solchen Glanz und solche Würdigung
erlebt als in jenen bräutlichen Wiener Tagen. Wir wollen
nicht bitter sein, weil gleich nach Abschluß des Festes die
Trennung vollzogen und der Bräutigam selbständig gemacht

wurde. Laßt uns lieber an der Gewißheit festhalten, daß
es deutscher Geist war, der sich hier von beiden Seiten
begegnete, und daß der Keim dieser Vereinigung gewiß
noch in Generationen wirksam sein und blühen werde, zur
Ehre alles dessen, was in der Welt deutsch sein und bleiben
will! □
o Zur Organisation der unvergeßlichen Wiener Tagung
vom 6. bis 9. Juni hatte sich in Wien ein Komitee gebildet,
an dessen Spitze stand als Ehrenvorsitzender S. Exzellenz
der Herr k. k. Minister fiir öffentliche Arbeiten Ottokar Trnka
und als geschäftsführender Vorsitzender der Sektionschef
im k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten Dr. Adolf Müller.
Dem Arbeitsausschuß gehören sonst noch an: Heinrich
Goldemund, Leiter des Stadtbauamtes der Stadt Wien;
k. k. Ministerialrat Wilhelm Haas; Heinrich Hierhammer,
Vizebürgermeister der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt
Wien; Hofrat Dr. Eduard Leisching, Direktor des k. k.
Österreichischen Museums für Kunst und Industrie; Dr.
Erich Pistor, Sekretär der Niederösterreichischen Handels-
und Gewerbekammer; Professor Alfred Roller, Direktor
der k. k. Wiener Kunstgewerbeschule; Hof rat Dr. Adolf
Vetter, Direktor des k. k. Gewerbeförderungs-Amtes, als
Geschäftsführer; k. k. Ministerialsekretär Ernst Freiherr von
Wetschl; Dr. Wilhelm Ritter von Wymetal als Sekretär. □
□ Für die Beratungen waren schöne Säle im Österreichischen
Museum für Kunst und Industrie und in der Niederöster-
reichischen Handels- und Gewerbekammer bereitgestellt.
Zu zahlreich waren die Vertreter der staatlichen und städti-
schen Behörden, Korporationen und Vereine, um alle
namentlich aufgeführt zu werden. Wir wollen nur er-
wähnen, daß der k. k. Minister für öffentliche Arbeiten
Ottokar Trnka den Kongreß mit einer liebenswürdigen
Ansprache eröffnete und daß Geheimer Oberregierungsrat
Dr. Albert vom Auswärtigen Amt und Geheimer Ober-
regierungsrat Dönhoff vom Preußischen Handelsministerium
das Deutsche Reich und Preußen vertraten. □
□ Nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden, Hofrat
Peter Bruckmann-UzWbrorm, hielt Hofrat Dr. Adolf Vetter
die Eröffnungsrede, in der er, ähnlich wie schon seinerzeit
in Frankfurt, die besonderen Wirkungen schilderte, die das
Eindringen des Werkbundgedankens gerade in den Ländern
der österreich.-ungarischen Monarchie haben könnte, indem
die völkischen Bestrebungen mit neuem Inhalt erfüllt, der
nationale Kampf insofern gemildert würde, als ihm edlere
Ziele gesetzt und reinere Formen gegeben würden. □
□ Auf eine Besichtigung der erstaunlich reichhaltigen und
stark künstlerisch wirkenden Friihjahrsausstellung öster-
reichischen Kunstgewerbes und der Kunstgewerbeschule
im Museum (auf die wir noch besonders zurückkommen
werden) folgte eine, ihres halbimprovisierten Charakters
wegen doppelt amüsante, gastliche Bewirtung durch die
Handelskammer in ihren Räumen. □
□ Abends genossen wir, als Glanzpunkt der ganzen
Tagung, einen außerordentlich freudig aufgenommenen,
frei gehaltenen Vortrag von Dr. Friedrich Naumann. Wie
ein Baumeister der Renaissance, wie ein Gedankenarchitekt
aus innerstem Berufe ließ Naumann allmählich und in
schönster Klarheit sein Thema »Volkswirtschaft und Kunst«
vor der großen und gespannt lauschenden Hörerschaft er-
stehen, wobei er folgende Thesen zugrunde legte: □
□ 1. Wenn die Gegenwart der hohen Kunst früherer
Zeiten etwas Gleichwertiges an die Seite stellen will,
so darf sie nicht nachahmen oder abzeichnen, sondern
muß von sich aus neu gestalten, da die Lebensbedin-
gungen der Künste andere geworden sind. □
□ 2. Das künstlerische Gestalten eines Zeitalters hängt ab
von den Auftraggebern, den Herstellern und der Arbeits-
weise. Die Merkzeichen der neuen Zeit heißen Demo-
 
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