Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 4./5.1922/23
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0173
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1. Dezemberheft
DOI Artikel:Weil, Gustav: Der Rembrandt mit den fünf Lichtquellen: die Entdeckung eines unbekannten Gemäldes des Meisters
DOI Artikel:Gericke, Herbert: Die Kunst und der Wiederaufbau
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Königstochter nicht. Eine Welt von Gefühlen, hoff-
nungslose Trauer, Liebe und Haß, Stolz und sklavische
Unterwürfigkeit, Teilnahme und Neugier strömen von
diesem Eichenbrette aus — Ballade, Epos, Tragödie zu-
gleich — ein Königsdrama schwerster Shakespeare’
scher Fraktur.
Ich bin glücklich, diesen Rembrandt erlebt, vor
fernern dunklen Schicksalen, vielleicht vor dem sichern
Untergange, dem er geweiht schien, bewahrt zu haben.
Im Bettlergewande, verwahrlost, beschmutzt, mit einer
dicken Kruste schwarzbraunen Firnisses bedeckt, von
tausend groben, im Lacke sitzenden Spriingen durch-
zogen, irrte der große Alexander vielleicht Jahrhun-
derte schon, bestimmt auch in England, mißdeutet und
verachtet von Land zu Land, von Hand zu Hand. Nun
da die Bettlerhiille von seinem Leibe fiel, tritt er uns
wieder iin königlichen Purpur entgegen. Meister Franz
Zenisek, jun., der bekannte Prager Maler und feinfiihlige
Restaurator, der mir und der Kunst schon manchen un-
schätzbaren Dienst erwies, lieh mir seinen Beistand,
dieses Meisterwerk Rembrandts zu neuem, hoffentlich
nie mehr verlöschenden Dasein zu wecken. So wie es
jetzt dem Beschauer entgegenleuchtet, durch feinste
Edelsprünge dreier lahrhunderte geadelt, hat es die
Hand seines Schöpfers verlassen. Kein Pinselstrich
wurde hinzugefügt, keiner hinweggenommen.
Rembrandt, Die Alexanderhochzeit (1628)
Sammlung Generalstabsarzt Dr. Gustav Weil, Prag
Dic Kunff und dct? LÜiedcraufbau
oon
fievbevt
l-c ei der Empfindlichkeit, die den Franzosen bei der
Erörterung von Fragen, die sie einzig und allein
als die ihren betrachten, eigen ist, wird es eines beson-
deren Zartgefiihls und einer großen Feinfühligkeit be-
diirfen, sich mit ihnen über die Wiederaufbaufragen aus-
einanderzusetzen. Vielleicht wird es nötig sein, das
Mißtrauen, das drüben deutschen Angeboten gegenüber
üblich geworden ist, vorher zu zerstören, indem man auf
Grund der in Frankreich immer mehr Boden gewinnen-
den Ansicht, daß zum Wiederherstellen der Kriegs-
schäden die Hilfe Deutschlands schlechterdings unent-
Gevtcke
behrlich ist, die Franzosen fragt, womit und worin wir
ihnen helfen können. Die Forderung nach Klarheit iiber
die französiscchen Wiederaufbaupläne ist (wenn man
von der Initiative einiger Bürgermeister absieht) be-
sonders deutlich von dem Abgeordneten Pierre R a -
m e i 1 erhoben worden, der den Voranschlag des fran-
zösischen Staatshaushalts dieses Jahres für das Ministe-
rium der schönen Künste im Na'men der französischen
Finanzkommission aufgestellt hat. Rameil faßt den
französischen Standpunkt in dieser Frage zusammen,
und es ist von Interesse, zu erfahren, was man sich von
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nungslose Trauer, Liebe und Haß, Stolz und sklavische
Unterwürfigkeit, Teilnahme und Neugier strömen von
diesem Eichenbrette aus — Ballade, Epos, Tragödie zu-
gleich — ein Königsdrama schwerster Shakespeare’
scher Fraktur.
Ich bin glücklich, diesen Rembrandt erlebt, vor
fernern dunklen Schicksalen, vielleicht vor dem sichern
Untergange, dem er geweiht schien, bewahrt zu haben.
Im Bettlergewande, verwahrlost, beschmutzt, mit einer
dicken Kruste schwarzbraunen Firnisses bedeckt, von
tausend groben, im Lacke sitzenden Spriingen durch-
zogen, irrte der große Alexander vielleicht Jahrhun-
derte schon, bestimmt auch in England, mißdeutet und
verachtet von Land zu Land, von Hand zu Hand. Nun
da die Bettlerhiille von seinem Leibe fiel, tritt er uns
wieder iin königlichen Purpur entgegen. Meister Franz
Zenisek, jun., der bekannte Prager Maler und feinfiihlige
Restaurator, der mir und der Kunst schon manchen un-
schätzbaren Dienst erwies, lieh mir seinen Beistand,
dieses Meisterwerk Rembrandts zu neuem, hoffentlich
nie mehr verlöschenden Dasein zu wecken. So wie es
jetzt dem Beschauer entgegenleuchtet, durch feinste
Edelsprünge dreier lahrhunderte geadelt, hat es die
Hand seines Schöpfers verlassen. Kein Pinselstrich
wurde hinzugefügt, keiner hinweggenommen.
Rembrandt, Die Alexanderhochzeit (1628)
Sammlung Generalstabsarzt Dr. Gustav Weil, Prag
Dic Kunff und dct? LÜiedcraufbau
oon
fievbevt
l-c ei der Empfindlichkeit, die den Franzosen bei der
Erörterung von Fragen, die sie einzig und allein
als die ihren betrachten, eigen ist, wird es eines beson-
deren Zartgefiihls und einer großen Feinfühligkeit be-
diirfen, sich mit ihnen über die Wiederaufbaufragen aus-
einanderzusetzen. Vielleicht wird es nötig sein, das
Mißtrauen, das drüben deutschen Angeboten gegenüber
üblich geworden ist, vorher zu zerstören, indem man auf
Grund der in Frankreich immer mehr Boden gewinnen-
den Ansicht, daß zum Wiederherstellen der Kriegs-
schäden die Hilfe Deutschlands schlechterdings unent-
Gevtcke
behrlich ist, die Franzosen fragt, womit und worin wir
ihnen helfen können. Die Forderung nach Klarheit iiber
die französiscchen Wiederaufbaupläne ist (wenn man
von der Initiative einiger Bürgermeister absieht) be-
sonders deutlich von dem Abgeordneten Pierre R a -
m e i 1 erhoben worden, der den Voranschlag des fran-
zösischen Staatshaushalts dieses Jahres für das Ministe-
rium der schönen Künste im Na'men der französischen
Finanzkommission aufgestellt hat. Rameil faßt den
französischen Standpunkt in dieser Frage zusammen,
und es ist von Interesse, zu erfahren, was man sich von
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