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Kunstwart und Kulturwart — 34,1.1920-1921

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1920)
DOI Artikel:
Haldy, Bruno: Deutscher Hausrat
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https://doi.org/10.11588/diglit.14432#0169

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selten dre besten und feinsten Schmiedearbeiten, deren das frühe Mittelalter
fähig war.

Genau genommen war also diese früh- und spätgotische tzolztechnik
Zimmermannsarbeit. Die Frühgotik hatte sie übernommen, ohne viel mehr
als den Stil zu ändern. Doch wird bald die Arbeit gefälliger, der Meister
beherrscht mehr das Material, während es früher umgekehrt war; der
Schreiner wird zwischen der Früh- und der Spätgotik viel wesentlicher,
als der zwischen der ersteren und dem romanischen (deutschen) Stil. Das
hat seinen Grund einmal in der rein äußerlichen Tatsache, daß nunmehr
ein Stand in Lrscheinung trat, der bisher gar nicht oder doch nur in
unbedeutenden Anfängen vorhanden war: der Bürgerstand. Mit ihm
kamen die Städte, die Seßhaftigkeit überhaupt. Es entstand das Bürger-
haus, das auch einer entsprechenden inneren Ausstattung bedurfte. Der
gute Geschmack war dabei bestrebt, die ungeschlachte Form der seitherigen
Möbel zu verfeinern, neben der Beibehaltung des praktischen Wertes die
künstlerische Geltung zu heben. Mit anderen Worten: die Möbel werden
leichter, zierlicher, beweglicher; seither nur Nutzgegenstand, werden sie zu
Prunkstücken, beide-Eigenschaften verbinden sich organisch miteinander.

Eigentümlich erscheint es, daß der Stil gerade in der Zeit einen aus-
gesprochen sakralen Charakter hat, in der sich das Weltliche ausgeprägt
vom Kirchlichen scheidet. Während aber diese Trennung in der Tat be°
fteht, bleibt den Möbeln der kirchliche Zug, der im Wesen der Gotik be-
gründet ist, noch anhaften. Auf der anderen Seite aber konnte sich an
dem leicht zu behandelnden tzolz der bürgerlichen Möbelstücke die Kunst
des Schnitzers bis zur höchsten Vollendung steigern. Die unbedingte Meister-
schaft der gotischen Holzschnitzer, die Arbeiten von unerhörter Feinheit
und Eleganz schufen, ist ja nie wieder erreicht worden. Sie wird auch nie
wieder erreicht werden, es sei denn, daß der Zeitgeist wiederum ein gleicher
würde.

Trotzdem die Gotik die Zahl der verschiedenen Möbelstücke vermehrte,
ihnen insbesondere recht mannigfaltige Gestalt verlieh, haftet ihnen allen
trotz des an sich leichten Aufbaues ein schwermütiger, ernster Zug an.
Das wurde anders, als die Renaissance aus deutschem Boden Fuß faßte.
Die Renaissance, das Zeitalter der Lebensfreude, hatte das Bedürfnis, sich
mit Prunk und Glanz zu umgeben. Das reiche Geistesleben sener Zeit
sollte sich auch unter äußerlich glänzenden Verhältnissen abspielen. Die
gründliche Vorbildung in der Holztechnik, die die Gotik geschaffen hatte,
fand nun ihre glänzendsten Ausdrucksmittel. Das rohe Brett ist ganz
verschwunden. Iede gleichmäßige Fläche wird aufgelöst in Flächen-
ornamente, Pilaster, Karyatiden, ganze Schaustellungen. Der Bildschnitzer
herrscht unbedingt. Es ist die große Zeit der Meisterleistungen deutscher
Möbelkunst. In einer Wucht, die erdrückend wäre, würde sie nicht durch
das Schnitzwerk gemildert, so stehen diese Möbel kraftvoll da, als Glanz-
leistungen deutscher Handwerkskunst, und als unerreichtes Vorbild der heu-
tigen Zeit. Der gediegene Luxus feierte in den Möbeln der Renaissance seine
höchsten Triumphe.

Aber gegen ihr Ende hin macht sich allmählich eine Wendung be-
merkbar: die Dekoration begann zu überwiegen, auch wenn sie nicht not-
wendig war. Die Nutzform wich der reinen Schmuckform. Dieser Gang
der Dinge leitet in das Barock über, dessen spielerische Form ja eigentlich
die Zweckmäßigkeit kaum noch kennt. Zwar bleibt die massige Form noch
 
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