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Kunstwart und Kulturwart — 34,1.1920-1921

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Heft 4 (Januarheft 1921)
DOI Artikel:
Croissant-Rust, Anna: Der Federbuschhansei
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Schmidkunz, Hans: Deutsche Inschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14432#0243

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soll der von der geretteten Henne sein. Romantische Gemüter niögen sein
Schicksal beweinen, die andern, besonders die Iungen, lachen und meinen:
„Der war ein Gauner von eh, und das ist er bis heutigentags geblieben."

Deutsche JnschrifLeu

^«^ie kräftige Besinnung unserer Zeit auf das Heimische hat neue Leilnahme
^HHgeweckt nicht nur für die alten Inschriften auf Haus, Grab usw., wie sie
^A/landauf landab weit reicher vorhanden sind, als unsere noch immer etwas
träge Heimatskunde merken läßt; sie hat auch, besonders für Kriegsbedarf, zu
neuem inschriftlichem Schaffen geleitet und zu bewußter Fortsetzung eines
kostbaren Altgutes ermuntert. Die natürliche Volksliteratur, der dieses Gut
angehört, und die bisher ungerecht hinter die Kunstliteratur zurückgestellt wird,
birgt noch ungehobene Goldschätze,- wir branchen solche mindestens als Unter-
lage für literarisches Papiergeld. An Rnfern nach Achtnng darauf nnd an
Sammlern dieser Schätze fehlts auch kaum.

Aun zeigen jedoch alte wie neue Beispiele nicht nur eine sehr menschliche
Vorherrschaft derjenigen Unbedeutendheit, die aus einem weitgedehnten Wieder-
holen von ehemals Eigenartigem besteht, sondern auch Mängel an Achtsamkeit
auf das, was gerade eine Inschrift ausmacht. Da sind insonderheit Beispiele,
die gleich gut in anderem als epigraphischem Schrifttum oder wenigstens auf
jeglichem Gegenstand als Aufschrift stehen könnten. Was wir meinen, zeigen
wir am besten an ein paar Proben aus altem und neuem Vorrat, die sich über
den Durchschnitt erheben, auch weniger bekannt sein dürften, und die zugleich
die Hauptgebiete dessen andeuten, was nach inschriftlichem Ausdruck verlangt.

Vor dem Reichtum der Aufschriften auf Häusern, zumal den bäuerlichen,
sowie auf ihren Einrichtungsstücken darf man wirklich das abgebrauchte Wort
abermals gebrauchen: „Der alte Gott lebt noch!" Des Menschen Verhältnis
zu ihm erscheint da nach den mannigfachsten Richtungen. Ein Fahence-Dreifuß
von M3 trägt die Inschrift:

Warumb traurestu doch, lebett doch unser Herre Gott noch.

Ein Gasthof in Gardelegen sagt, gerade durch die aufrechte Schlichtheit eindringlich:
Bis Hier her hat
uns der Herr geholven

Diederich Thaar, Dorothea Wieser s727.
Im besten Sinn bäuerlich ist der Hausspruch:

Gott segne den Viehstand.

In eine praktische Theologie dringt kühn und tief die Inschrift eines Hauses
zu Hohershausen von ein:

Gott bezahlt Alles.

Ein Muster von eigen deutschem Satzbau ist:

Nichts,

Gott sicht's,

Gott richt's.

Und ein Muster von Kürze auf einem ReliquienkästchLn:

Kreuz keltert Tränen.

Das Denken an die letzten Dinge, wie es auf Gräbern und schon auf
Häusern hervordrängt, führt sogar zu manchsm, was sich etwa „eschatologischer
tzumor" nennen läßt, wie beispielsweise von jener Gruft in Doberan, deren
Inschrift in dem Vers gipfelt:

Ick bin een Meckelburgsch Edelman,

Wat geit die Düvel mhn Supen an.

Da ist endliH der vielberufene unfreiwillige Humor auf Totenkreuzen,
Marterln u. dgl. eigener und dadurch immer noch wertvoller als allgemein--
literarische Sprüche, ja selbst als biblische RLtsel, wie sie hänfig auf Bauern--
häusern, z. B. hessischen, stehen.

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