Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0357

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
356

Zusammenfassung

Die Reihe der Bremer und Mindener corpora integra verdient aber noch eine
eingehendere Betrachtung (vgl. jeweils Kapitel c in IV.l und IV.2). So werden in
Bremen die bereits um 1100 historiographisch fassbaren Felix und Felicianus im
spätmittelalterlichen Gesamtverzeichnis der angeblich dreizehn Heiligenleiber
durch Secundus, Cantius, Cantianus und Cantianilla ersetzt. In der Tat wurde
Felicianus ja, wie auch zusammenfassend bereits erwähnt, zu diesem Zeitpunkt
samt Reliquien in Minden verehrt, später sogar als eine Art heimlicher Patron.
Die Bremer Urkunden vertrauten im Unterschied zu den neueren Verzeichnissen
eher den gültigen liturgischen Büchern und nennen, der älteren Tradition ent-
sprechend, weiterhin Felix und Felicianus. Liturgisch-kalendarisch setzten sich
Cantius, Cantianus und Cantianilla im Unterschied zu Secundus nicht durch,
ebenso wenig wie die schon länger ansässigen Rimbert, Caesarius und Corona.
Bei der zentralen Heiltumsweisung am Patronatsfest Peter und Paul hingegen
fehlte neben - wiederum - Rimbert, der offenbar mehr als Hagiograph denn als
Heiliger betrachtet wurde, Quiriacus, von dem man anscheinend keine Reliquien
mehr hatte. Offenbar erhielten hier wie auch in Bremen die zu zeigenden Reli-
quien gegenüber der älteren liturgischen und historiographischen Schrifttradi-
tion eine ganz eigene Wertschätzung. Folgte bei den Angaben zur jeweils aktu-
ellen, petrinisch-liturgisch eingebundenen Heiltumsweisung die Schrift der
Performanz, so war der normative Urkundentext am traditionellen liturgischen
Kanon orientiert.
Dem Messkanon-Ab schnitt Communicantes entspricht nach dem Höhepunkt
der performativ konsekrierenden Einsetzungsworte, gleichsam achsensymme-
trisch daran gespiegelt, das Nobis quoque peccatoribus. Auf sieben Märtyrer folgen
hier sieben Märtyrerinnen, angeführt von Felicitas, die in Minden auch in Form
einer Reliquie verehrt wurde. An dieser Stelle dürfte in einem Mindener Mess-
buch Sophia (virgo) zusammen mit Flora und Juliana ergänzt worden sein. Von
Flora und Juliana gab es vielleicht sogar keinerlei leibliche Überreste. In der
maßgeblichen Nekrolog-Handschrift des Mindener Domes erscheinen diese
beiden Heiligen nämlich zusammen mit Felicitas in der hierarchisch struktu-
rierten Auflistung der Heiligenreliquien, fehlen aber in der ebenda verzeichne-
ten, nach materiellem Umfang geordneten Reliquienliste. Bei Cäcilia und Mar-
garetha lagen - genau umgekehrt - wichtige Reliquien vor, ohne dass eine eigene
Verehrung in der hierarchischen Rangreihung verbürgt wäre. Vielleicht sind sie
vergessen worden, vielleicht war der jeweilige Reliquienerwerb aber auch noch
zu rezent und wurde deshalb nur in das materielle Verzeichnis aufgenommen.
Einer gesonderten liturgischen Nennung bedurfte es aber zumindest im Falle der
Cäcilia ohnehin nicht, da diese Heilige ebenso wie Felicitas zu den unverzichtbar
standardmäßigen sieben Jungfrauen im Nobis quoque peccatoribus gehört. Be-
sonders erstaunlich erscheint aber, dass in beiden Listen Magdalena ebenso
unberücksichtigt bleibt wie die andere, Mailänder, ihren Reliquien nach aber aus
Rom (möglicherweise der römischen Papstkapelle Sancta Sanctorum) stammende
Sophia (vidua), samt Fides, Spes und Caritas. Die spätmittelalterlichen Histo-
riographen halten aber irrigerweise die Reliquien der Magdalena für die einzi-
gen, die beim angeblichen Dombrand von 1062 intakt geblieben seien, und
nennen ausschließlich bei Sophia (vidua) eine Inschrift, die zudem mit ihren vier
 
Annotationen