Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pantheon — 2.1928 = Jg 1.1928

DOI issue:
Ein neuentdeckter Tilman Riemenschneider
DOI issue:
Neuerwerbungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57095#0264

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

JACOB JORDAENS. DER MALER MIT SEINER FAMILIE
BERLIN, GALERIE VAN DIEMEN

EIN NEUENTDECKTER TILMAN
RIEMENSCHNEIDER
Von den deutschen Bildhauern der Dürerzeit ist Tilman
Riemenschneider wohl der einzige, dessen Werke auch außer-
halb Deutschland sich eines weitreichenden Rufes und hoher
Schätzung erfreuen. Obwohl die deutsche Kunstwissenschaft
schon seit langem und eingehend sich mit dem Würzburger
Bildhauer befaßt hat, sind die Meinungen über das, was in
dem umfangreichen Denkmälerbestand eigenhändige Arbeit
des Meisters, was Gesellenausführung oder was Schulwerk ist,
noch nicht unter einen Hut gebracht. Vielleicht wird die
Unterscheidung zwischen Meisterhand und Werkstatt immer
schwankend bleiben, weil sie doch von der subjektiven Ein-
schätzung jedes Beurteilers abhängig bleibt. Aber jede
neu auftauchende Arbeit Riemenschneiders, schon als Be-
reicherung seines Gesamtwerkes wichtig, kann zur Klärung
beitragen, wenn gewichtige Gründe für seine Eigenhändigkeit
sprechen. In der Galerie Hinrichsen und Lindpaintner im
Berliner Künstlerhaus befindet sich seit kurzem eine in der
Riemenschneider-Literatur nicht erwähnte und noch nicht
veröffentlichte Statue des heiligen Sebastian (Abb. S. 530,
hoch 107 cm) aus unbemaltem Lindenholz, die schon aus
Gründen der Qualität als eigene Arbeit des Meisters an-
zusprechen ist. Der Heilige ist mit dem rechten Arm an den

Baumstamm gefesselt, die herabhängende linke
Hand greift aufraffend in die Draperie des
Mantels, der vor dem Baumstamm eine Folie
für die überschlanke, fast fragile Gestalt bil-
det. Die rechte Schulter ist in leichter Kon-
trastbewegung zu dem frontal gerichteten
Haupt zurückgenommen; der entblößte Ober-
körper und das Gesicht zeigen jene subtil ein-
gehende und sachkundige Modellierung des
Nackten, die dem persönlichen Stil Riemen-
schneiders zu eigen ist. Die hochsitzenden
Augen und die herabgezogenen Mundwinkel
erinnern an den sog. Diakon Riemenschneiders
im Kaiser-Friedrich-Museum, der auch in der
Haltung der linken Hand mit dem Sebastian
übereinstimmt. Die qualitative Überlegen-
heit der Meisterarbeit über die Gesellen- und
Schulwerke ist gerade an dieser Sebastian-
statue deutlich zu erkennen, weil davon noch
mehrere und offenbar geringere Wiederholun-
gen erhalten sind: eine in der Draperie leicht
veränderte, in Gesicht aber ganz abweichende
Kopie steht im Altar der St. Wolfgangs-Kirche
in Rothenburg, eine Wiederholung im Gegen-
sinn enthält der um 1515 ausgeführte Gerolz-
hofener Altar im Bayer. Nationalmuseum. Die
zarte Schlankheit der Figur und die leichte
Wendung des Oberkörpers sind bei dieser in
der Draperie ziemlich getreuen Werkstatts-
replik verschwunden und der Kopf ist so
stark vergröbert, daß Hubert Schrade (Til-
man Riemenschneider, II, S. 49, Anm. 402, 8),
dem das neu entdeckte Original nicht be-
kannt war, sogar die Herkunft des Sebastian
aus der Werkstatt Riemenschneiders in Frage
stellt. Ein Vergleich dieser und anderer Kopien mit dem
Berliner Sebastian muß zu dem Schluß führen, daß in
letzterem das Original Riemenschneiders wieder zutage ge-
kommen ist. F.
BERLIN
Zuerst möchte ich, im Zusammenhang mit dem auf der Auk-
tion Lepke zum Verkauf kommenden Knabenbildnis von
Maes (s. S. 523 u. 527) auf ein neu aufgetauchtes Knabenbild-
nis Aert de Gelders hinweisen (Abb. S. 529). Der Galerie
van Diemen gelang es, dieses Bild neuerdings zu erwerben,
das wiederum aufs lebhafteste die seiner Zeit weit voraus-
greifende Wirksamkeit de Gelders bezeugt. Gerade im Ver-
gleich mit dem vorerwähnten Maes zeigt sich hier, wie weit der
späte de Gelder über die formale Auffassung des Rembrandt-
kreises hinauswächst und wie er in seiner Farbigkeit und
seiner souveränen Malweise schon dem 18. Jahrhundert man-
ches vorwegnimmt. — Von Jacob Jordaens besitzt van Diemen
gegenwärtig ein größeres Bild, bemerkenswert darum, weil es
den Maler selbst mit seinen beiden Töchtern darzustellen
scheint. Schlagen wir bei Rooses nach, so finden wir nur
zwei Selbstbildnisse von Jordaens erwähnt, eines mit seiner
Frau, ehemals im Besitz des Fürsten Conti in Paris, ver-
mutlich identisch mit dem, das sich vor einigen Jahren
ebenfalls hier im Kunsthandel befand und das im vorigen

566
 
Annotationen