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Schwetzinger Wochenblatt — 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.30180#0415

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bemüht, seine eigene Besorgniß zu verbergen und den
Kuaben zu beruhigen.

Während er sprach, ruhte sein Blick auf der Flasche,
und mit Schaudern erinnerte er sich der Worte des
Fischers: „Der Kork mird nicht gezogen werden,
bis ich sie wiedersehe!"

Er dachte an den Hohn, der sich auf jedem Gesichte
zeigen werde, wenn er die Flasche Zurückgab, und
glaubte das Lachen zu hören, mit dem seine Erklärung
werde aufgenommen werden, daß er dem Knaben daraus
zu trinken gegeben habe. Der Ruf, den er mit so
viel Mühe und Entsagung langsam errungen hatte, war
verloren, denn ein Jeder, dachte er, werde ihn für einen
Menschen halten, der nur so lange nüchtern bieiben
könne, als die Versuchung ihm nicht nahe.

„Also ist das Werk von Jahren," murmelte er, in
einem Augenblicke zerstört worden!

Jndem sich Nancolas im Geiste den Hohn und
Spott, das Gelächter ausmalte, die seiner warteten,
an den Verlust der Freundschaft Derjenigen dachte,
welche er am meisten achtete, und sich seines früher
so öden Daseins erinnerte, erwachte wieder die ehe-
malige Rohheit seiner Natur, kämpfte um die Oberhand,
und machte ihn in jener kurzen Stunde zu einem ver-
zweifelnden Menschen. Während dessen hatte sich der
Wind gedreht, und das kleine Boot tanzte wie eine
Nußschale auf den tobenden Wellen. Die Finsterniß
war so dicht, daß er nicht wußte, wo er war, und
seine Lebensaussichten, seine Hoffnungen waren eben
so dunkel geworden, wie die Nacht.

„Als betrunken verlacht!" murmelte er, indem er
bemüht war, das Segel einzurefsen, — „nicht mehr
Herr über mich, — und ausgelacht, wie ein Bube,
der nicht die Kraft hat, sich zu beherrschen! — Lieber
will ich für schlecht gelten, als für schwach!"

Der Muth sank ihm mit der Hosfnung, und um
ihn zu beleben, setzte er nach kurzem Besinnen die
Flasche ait die Lippen.

So wie der Geruch von Blut die Gier des zahm-
sten Thieres erregt, fo erweckte der Geschmack des
Branntweins die wildesten Leidenschaften in der Brust
diefes Mannes, und nach einer halben Stunde war
der bessere Theil seiner Natur entflohen.

Vorher hatte die Gefahr, der er den Knaben aus-
gesetzt, das Ausbleiben Tregillian's und der losbre-
chende Sturm ihn mit Besorgniß und düsteren Ahnun-
gen erfüllt, aber nachdem er mehrere Züge aus der
Korbflasche gethan, vergaß er die Vergangenheit und
dachte weder an die Zukunft noch an die Gefahr, der
der Knabe in demselben Grade ausgesetzt war, wie er.
Völlig gleichgültig gegen die Wuth der Elemente, ohne
länger an das Ausbleiben Tregillian's zu denken, und
sich um den seiner Sorge anvertrauten Knaben nicht
mehr bekümmernd, welcher durchnäßt, vor Kälte zitternd
und in Folge des genossenen Brantweins betäubt im
Vordertheile des Bootes lag, — streckte sich Nancolas
der Länge nach auf den Boden aus und schickte sich
an, einen tiefen Schlaf zu thun.

Jnzwischen schlug das Herz des Knaben heftig,
während das Boot wie ein Federball von den Wellen

umhergeschleudert wurde; aber unter dem Brüllen der
Wogen, dem Leuchten der Blitze und dein Rollen des
Donners bezog sich die Furcht des Kindes nur auf
die Sicherheit seines Vaters. Die Finsterniß nnd der
Sturm machten ihn beben, aber nur deßhalb, weil sie,
wie er dachte, seines Vaters Boot umgaben.

Nur einmal vernahm der Knabe die heisere Stimme
seines trunkenen Begleiters, und nur undeutlich.

„Jacob, Bube," murmelte sie, „passe aus und wecke
mich, wenn Du Deinen Vater kommen siehst!"

„Mein Vater!" antwortete schluchzend der Knabe,
— „er kommt noch immer nicht! er kommt noch immer
nicht!"

„Ho! ho!" lachte der Fischer, sich auf die Seite
wendend, um einen neuen Zug aus der Flasche zu
thun. „Er kommt noch immer nicht? Eine schöne
Nacht für einen Fischer, — ein hübscher Sturm für
einen Fischerbuben!"

Während dann das Boot von den schwarzen Wogen
empor geschleudert wurde, versank Nancolas in den
festen Schlaf der Trunkenheit.

Schluß folgt.

Landwirthschaftliches.

Jm Winter und bei altmelkenden Kühen geht häufig
das Ausbuttern sehr schwierig und langsanr von Statten,
wobei der Rahm sehr stark schäumt. Als Ursache
davon wird der größere Gehalt der Milch an Eiweiß
und Extractivstoffen angegeben, welche durch ihr Schäu-
men die Vereinigung der Butterkügelchen hindern. Ein
praktisches Mittel, diesem Uebelstande abzuhelfen, sei
nun die Abkochung des frischen Rahmes und eine nach-
trägliche Säuerung desfelben durch Stehenlassen. Durch
die Abkochung gerinnen die genannten Stoffe und ver-
lieren somit ihre ursprünglichen Eigenschaften. Der
gekochte Rahm fchäumt nicht und seine Butterkügelchen
vereinigen sich schnell zuni gewünschten festen Butter-
klumpen, wie im Sommer und bei neumelkenden Kühen.

Verschiedenes.

Ein Diebstahl, welcher von einer außerordentlichen
Kühnheit zeigt, wurde in der Nacht vom 9. auf den
10. d. M. in Fleurs begangen. Die Diebe, sieben oder
acht an der Zahl, schlichen sich in das Bureau des
Banqierhauses Boliseau-Lebeau im Erdgeschoß ein und
entwendeten die Kasse, welche nicht weniger als 1250
Pfund wiegt; brachten sie darauf mit Hülfe eines kleinen,
in der Nachbarschaft bereit stehenden Wagens auf eine
große Entfernung fort, wo sie dieselbe erbrachen. Die
Kafse enthielt 15 —16000 Frs., welche entwendet
wurden. Es befanden sich außerdem darin 25,000
Frs. in Obligationen und Schatzscheinen, welche zwischen
einen doppelten Boden verwahrt waren, der nicht an-
gerührt worden war. Der erste Commis bewohnt mit
seiner Familie das Haus. Die Vorsichtsmaßregeln waren
so gut getroffen worden', daß man nichts gehört hatte.
 
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