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Attribute kaum für ein Abbild des göttlichen Dulders gehalten würde. Bei
einer raschen Durchsicht der Kompositionen des Rubens, wie sie durch
allerlei Listen in der Literatur über den berühmten Maler heute ermöglicht
ist, finde ich nun allerdings die Figur dieses kreuztragenden Christus nicht
verzeichnet, trotzdem möchte ich darauf hinweisen, «daß die ganze Malart,
insbesondere die Technik mit der Rubensschen Aufeinanderfolge bestimmter
Töne in der Modellierung, dem großen Antwerpener sehr nahe kommt. Die
geradewegs unangenehme Gesamtwirkung liegt in der Auffassung der Zeit
und des Stammes begründet, denen Rubens angehörte. Man betrachte doch
die vielen anderen Christus-Figuren des Meisters. Alles übrige ist künst-
lerisch so geartet, daß man nichts wagt, wenn man diesen Christus in die
unmittelbare Nähe des Rubens rückt.
Für Freunde der flandrischen Kunst sind noch andere Bilder der
Stiftsgalerie von Interesse, z. B. ein signierter Simon de Vos, Nr. 71 (als
„Van Dyck“ oder „Van Baien“ im alten Inventar). Wie es scheint, ist eine
Episode aus der Geschichte vom verlornen Sohne dargestellt. In bunt
schillernder Weise hat der Künstler eine heitere Gesellschaft gemalt, die sich
mit Musik die Zeit vertreibt. Simon de Vos ist ein so ungleichmäßig arbeiten-
der Maler, zwischen allerlei Vorbildern schwankend, daß es stets erwünscht
ist, zu den verhältnismäßig wenigen Werken, die er signiert hat, noch ein
neues kennenzulernen. Hier also ist eines. Unten gegen rechts steht die
alte Signatur: „S D Vos in(venit) et F(ecit) 1646.“ Hier scheint sich unser
Künstler an Van Thulden anzulehnen. In früheren Werken ist er augen-
scheinlich durch die Francken beeinflußt. Ein derlei Bildchen war vor einigen
Jahren im Wiener Kunsthandel zu sehen, wie denn auch das datierte Werk
von 1641 im Schlosse zu Würzburg noch Franckenartig aussieht. Einen
anderen Stil vertreten wieder die signierten Bilder bei Kums in Antwerpen
und bei Nostitz in Prag. Wieder andere zeigen noch eine andere Art.
•Einen Festzug des Bacchus in der Innsbrucker Galerie (dort als Jor-
daens, Nr. 701) habe ich vor einigen Jahren für ein Werk des Simon de
Vos gehalten; ebenso ein Bild aus dem bacchischen Kreise, das in der
Galerie zu Pommersfelden verwahrt wird.*)
Unter den vorhandenen Antwerpenern möchte ich noch den Niclas
van Verendael hervorheben, von dem hier ein überaus tüchtiges Stilleben
zu sehen ist (Nr. 69). Die Benennung des Inventars als Van Kessel muß
man angesichts einer unversehrten und gänzlich unverdächtigen Künstler-
inschrift, lautend: „Ni • V • Veerendael • 1687 fecit“, unbedingt fallen lassen.
Das Bildchen schildert recht eigentlich das stille Leben in Moos und
Kräutern bei einer Distelpflanze. Eine dicke Schlange zielt auf einen bunten
Nachtfalter. Vorn läuft eine Eidechse. Allerlei helle Schmetterlinge beleben
überdies das sonst dunkle Bild, auf dem man links unten eine Gruppe ver-
schiedener Pilze bemerkt. Rechts ganz vorn steht ein Bellispflänzchen mit
rotgesprenkelten Blüten. Im Mittelgründe und Hintergründe dunkler Laub-
wald. Technisch bemerkenswert ist es, daß das Moos des Vordergrundes
offenbar durch flaches Aufdrücken und eben solches Abheben der Spatel
hergestellt ist, ein Verfahren, das sich schon bei Melchior d’Hondecoeter
*) In der Literatur sind noch mehrere andere Werke des Künstlers genannt. Ein
datiertes Bild von 1635, das in der „Revue universelle des arts“ (III, 54) erwähnt ist
als Bestandteil der Sammlung Laziencki in Warschau, habe ich nicht selbst gesehen
Attribute kaum für ein Abbild des göttlichen Dulders gehalten würde. Bei
einer raschen Durchsicht der Kompositionen des Rubens, wie sie durch
allerlei Listen in der Literatur über den berühmten Maler heute ermöglicht
ist, finde ich nun allerdings die Figur dieses kreuztragenden Christus nicht
verzeichnet, trotzdem möchte ich darauf hinweisen, «daß die ganze Malart,
insbesondere die Technik mit der Rubensschen Aufeinanderfolge bestimmter
Töne in der Modellierung, dem großen Antwerpener sehr nahe kommt. Die
geradewegs unangenehme Gesamtwirkung liegt in der Auffassung der Zeit
und des Stammes begründet, denen Rubens angehörte. Man betrachte doch
die vielen anderen Christus-Figuren des Meisters. Alles übrige ist künst-
lerisch so geartet, daß man nichts wagt, wenn man diesen Christus in die
unmittelbare Nähe des Rubens rückt.
Für Freunde der flandrischen Kunst sind noch andere Bilder der
Stiftsgalerie von Interesse, z. B. ein signierter Simon de Vos, Nr. 71 (als
„Van Dyck“ oder „Van Baien“ im alten Inventar). Wie es scheint, ist eine
Episode aus der Geschichte vom verlornen Sohne dargestellt. In bunt
schillernder Weise hat der Künstler eine heitere Gesellschaft gemalt, die sich
mit Musik die Zeit vertreibt. Simon de Vos ist ein so ungleichmäßig arbeiten-
der Maler, zwischen allerlei Vorbildern schwankend, daß es stets erwünscht
ist, zu den verhältnismäßig wenigen Werken, die er signiert hat, noch ein
neues kennenzulernen. Hier also ist eines. Unten gegen rechts steht die
alte Signatur: „S D Vos in(venit) et F(ecit) 1646.“ Hier scheint sich unser
Künstler an Van Thulden anzulehnen. In früheren Werken ist er augen-
scheinlich durch die Francken beeinflußt. Ein derlei Bildchen war vor einigen
Jahren im Wiener Kunsthandel zu sehen, wie denn auch das datierte Werk
von 1641 im Schlosse zu Würzburg noch Franckenartig aussieht. Einen
anderen Stil vertreten wieder die signierten Bilder bei Kums in Antwerpen
und bei Nostitz in Prag. Wieder andere zeigen noch eine andere Art.
•Einen Festzug des Bacchus in der Innsbrucker Galerie (dort als Jor-
daens, Nr. 701) habe ich vor einigen Jahren für ein Werk des Simon de
Vos gehalten; ebenso ein Bild aus dem bacchischen Kreise, das in der
Galerie zu Pommersfelden verwahrt wird.*)
Unter den vorhandenen Antwerpenern möchte ich noch den Niclas
van Verendael hervorheben, von dem hier ein überaus tüchtiges Stilleben
zu sehen ist (Nr. 69). Die Benennung des Inventars als Van Kessel muß
man angesichts einer unversehrten und gänzlich unverdächtigen Künstler-
inschrift, lautend: „Ni • V • Veerendael • 1687 fecit“, unbedingt fallen lassen.
Das Bildchen schildert recht eigentlich das stille Leben in Moos und
Kräutern bei einer Distelpflanze. Eine dicke Schlange zielt auf einen bunten
Nachtfalter. Vorn läuft eine Eidechse. Allerlei helle Schmetterlinge beleben
überdies das sonst dunkle Bild, auf dem man links unten eine Gruppe ver-
schiedener Pilze bemerkt. Rechts ganz vorn steht ein Bellispflänzchen mit
rotgesprenkelten Blüten. Im Mittelgründe und Hintergründe dunkler Laub-
wald. Technisch bemerkenswert ist es, daß das Moos des Vordergrundes
offenbar durch flaches Aufdrücken und eben solches Abheben der Spatel
hergestellt ist, ein Verfahren, das sich schon bei Melchior d’Hondecoeter
*) In der Literatur sind noch mehrere andere Werke des Künstlers genannt. Ein
datiertes Bild von 1635, das in der „Revue universelle des arts“ (III, 54) erwähnt ist
als Bestandteil der Sammlung Laziencki in Warschau, habe ich nicht selbst gesehen